Erhöhung des Frauenpensionsantrittsalters – auf die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen kommt es an

21. September 2021

In zweieinhalb Jahren (2024) beginnt die Anhebung des Frauenpensionsalters, aber bereits derzeit tritt nur die Hälfte der Frauen direkt von einer aktiven Beschäftigung in die Pension über. Ein Mangel an (altersadäquaten) Arbeitsplätzen, gesundheitliche Einschränkungen, fehlende alternsgerechte Arbeitsbedingungen sowie jahrzehntelange Mehrfachbelastungen führen dazu, dass Frauen vor dem gesetzlichen Pensionsalter aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Die Betriebe haben sich auf das steigende Antrittsalter noch zu wenig vorbereitet.

Für Frauen beginnt ab 2024 die Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Betroffen sind Frauen, die nach dem 31. 5. 1964 geboren sind. Die schrittweise Anhebung des Antrittsalters ist 2034 abgeschlossen. Eine aktuelle Studie von WIFO und FORBA nimmt die (potentiellen) Auswirkungen der Antrittsalterserhöhung auf Frauen, Branchen und Betriebe in den Blick.    

Erhöhung des Frauenpensionsalters führt nicht automatisch zu längerer Beschäftigung

Im medialen und politischen Diskurs wird diese steigende Altersgrenze vielfach mit der Verlängerung der aktiven Beschäftigungsphasen der Frauen gleichgesetzt. Tatsächlich könnten durch eine Verlängerung der Beschäftigungsphase um fünf Jahre jene Maßnahmen, die seit 2003 (lebenslange Durchrechnung, Senkung des Steigerungsbetrags etc.) zu einer Reduktion der Pensionsleistungen insbesondere bei Frauen geführt haben, individuell kompensiert werden.

Die Annahme einer „automatischen“ Verlängerung der Erwerbstätigkeit durch eine Veränderung im Gesetzestext ist eine sehr optimistische Hoffnung, entbehrt jedoch einer empirischen Fundierung. Die allgemeine Wirtschaftslage und das damit verbundene Beschäftigungsniveau sind ebenso entscheidend wie die betriebliche Beschäftigungs- und Personalpolitik sowie die konkreten Arbeitsbedingungen in den Betrieben. Die Beschäftigungs- und Einkommenschancen der von der Erhöhung des Pensionsantrittsalters betroffenen Frauen sind wesentlich von diesen Bedingungen mitbestimmt. WIFO und IHS gehen in den jüngsten mittelfristigen Wirtschaftsprognosen von einem angespannten Arbeitsmarkt und einer hohen Arbeitslosigkeit bis in die Jahre 2024/25 aus. Die ökonomischen Rahmenbedingungen stehen dem erhofften Automatismus entgegen.

Nur der Hälfte der Frauen gelingt ein direkter Übertritt in ihre Alterspension

Die Studie von WIFO und FORBA zeigt, dass bereits jetzt eine sehr große Heterogenität beim Pensionsübertrittgeschehen der Frauen vorhanden ist; eine Tatsache, die auch noch in 2,5 Jahren, dem Zeitpunkt, zu dem die Anpassung beginnt, bestehen wird.

Vom WIFO im Rahmen der Studie durchgeführte Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass nur rund die Hälfte der vormals unselbständig beschäftigten Frauen (ohne Beamtinnen) direkt von einer aktiven Beschäftigung aus ihre Alterspension antreten kann. Im Beobachtungszeitraum 2010 bis 2019 reduzierten sich die Direktpensionsübertritte sogar von 57 % auf 50 %. Am häufigsten sind die Direktübertritte mit 70 % in der öffentlichen Verwaltung. Die geringsten Anteile an Direktübertritten gibt es in der Beherbergung und Gastronomie, hier treten nur 25 % der Frauen aus einer aktiven Beschäftigung in eine Alterspension über. Saisonale Beschäftigungsmuster gehen bislang schon Hand in Hand mit langen Erwerbslücken. Das steigende Pensionsalter wird hier wohl nicht zu einer Verlängerung der Beschäftigungsdauer, sondern zu einer Vergrößerung der Erwerbslücken für die betroffenen Frauen führen. Aber auch im Handel oder im Gesundheits- und Sozialwesen – hier arbeiten immerhin 18 % bzw. 13 % aller unselbständig beschäftigten Frauen – hat nur die Hälfte der Alterspensionistinnen keine Lücke zwischen der letzten Beschäftigung und der Pensionierung.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Auch die Betriebsgröße steht in einem engen Zusammenhang mit dem Übertrittsgeschehen. Je größer der Betrieb – gemessen an der Zahl der unselbständig Beschäftigten –, desto häufiger sind die Direktübertritte und vice versa: In Betrieben von weniger als 10 Beschäftigten – hier arbeitet rund ein Viertel aller Unselbständigen – geht nur ein Drittel der Frauen direkt aus der Beschäftigung in die Alterspension, ein weiteres Viertel hat Lücken bis zu fünf Jahren. In Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten und mehr haben zwei Drittel einen Direktübertritt und knapp weniger als 10 % Lücken von bis zu fünf Jahren.

Arbeitsbedingungen entscheiden maßgeblich über Erwerbsdauer

Schon bisher hatten Frauen, die vormals in Kleinbetrieben und Saisonbranchen arbeiteten, eine besonders lange Lücke zwischen ihrer letzten Beschäftigung und ihrem Pensionsantritt und Frauen in Großbetrieben am häufigsten einen Direktpensionsantritt. Wie sich der Anteil der Direktübertritte im Zuge der Altersangleichung entwickeln wird, kann heute noch nicht beurteilt werden. Setzt sich die vergangene Entwicklung allerdings fort, würde die Antrittsalterserhöhung nur für die Hälfte der Frauen zu einer Verlängerung ihrer aktiven Erwerbsphase führen. Für ein Fünftel der Frauen, sie hatten in der Vergangenheit Lücken von bis zu fünf Jahren, braucht es gezielte Maßnahmen der Beschäftigungsförderung wie auch zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit, damit die steigende Altersgrenze nicht bloß zu einer Verlängerung der Erwerbslosigkeit – mit allen negativen Konsequenzen für die betroffenen Frauen, die Arbeitslosen- und Pensionsversicherung – führt. Aber auch für die Gruppe der arbeitsmarktfernen Frauen, also jene, die in der Vergangenheit lange vor dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter aus dem Erwerbsarbeitsmarkt ausschieden, braucht es beschäftigungsfördernde Maßnahmen, die bereits in der Mitte des Erwerbslebens eine bessere Arbeitsmarktintegration zum Ziel haben.

Gerade in frauendominierten Branchen, wie Gesundheit, Pflege und Reinigung, kann sich die Mehrheit der Beschäftigten über 45 Jahre nicht vorstellen, im aktuellen Beruf bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter durchzuhalten: So bezweifeln 73 % der Beschäftigten in der Altenpflege und Behindertenbetreuung, 66 % der Reinigungskräfte und 62 % der Beschäftigten in der Pflege und medizinischen Betreuung, dass sie bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter arbeiten können.

Maßnahmen für alternsgerechtes Arbeiten fehlen

Die von FORBA im Rahmen der Studie befragten Betriebe in der Reinigung sowie in der mobilen Betreuung und Pflege stehen der Erhöhung des Pensionsantrittsalters für Frauen skeptisch gegenüber, im Einzelhandel, der dritten untersuchten Branche, etwas weniger. Die sehr belastenden Arbeitsbedingungen wirken sich vor allem nach langjähriger Beschäftigung in den untersuchten Bereichen Reinigung und mobile Betreuung und Pflege sehr negativ auf die Gesundheit und damit auf die Arbeitsfähigkeit im Alter aus. Ältere Frauen mit gesundheitlichen Einschränkungen werden aber selbst in Bereichen mit großem Personalmangel kaum eingestellt bzw. nicht immer weiterbeschäftigt. Gleichzeitig zeigt sich bei den durchgeführten FORBA-Betriebsfallstudien ein weitgehendes Fehlen von betrieblichen Vorkehrungen im Hinblick auf die Anhebung des Frauenpensionsalters bzw. zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit der beschäftigten Frauen.

Mehrfachbelastungen von Frauen erschweren Erwerbstätigkeit im Alter

Für die befragten Frauen hängt die Weiterarbeit ebenfalls ganz wesentlich mit den Arbeitsbedingungen, aber auch der Umverteilung der unbezahlten Sorgearbeit zusammen. Die langjährige, mitunter jahrzehntelange Mehrfachbelastung erwerbstätiger Frauen durch Hausarbeit, Kinderbetreuung, Angehörigenpflege (und Enkelkinderbetreuung) wirkt sich ebenfalls negativ auf die Gesundheit und damit die Arbeitsfähigkeit von Frauen aus.

Betriebe und Politik sind gefordert, gesundes Arbeiten bis zur Pension zu ermöglichen

Das steigende Frauenpensionsantrittsalter hat dann positive Effekte sowohl auf die Beschäftigungsdauer der Frauen als auch auf die Finanzierung der Sozialsysteme und die wirtschaftliche Wertschöpfung, wenn folgende Veränderungen vorangetrieben werden: Eine hohe Arbeitskräftenachfrage, veränderte Arbeitsbedingungen in den Betrieben, alternsgerechte Gestaltung der Arbeitsplätze wie altersadäquate Arbeitszeitmodelle, veränderte Arbeitsorganisation und Personalplanung, die eine dauerhafte Überbeanspruchung der Beschäftigten vermeidet, Maßnahmen zur Bekämpfung der Langzeit- und Altersarbeitslosigkeit, die stärkere Übernahme der unbezahlten Sorgearbeit durch Männer und ein Ausbau der Betreuungsinfrastruktur für Kinder und pflegebedürftige Angehörige. Die WIFO/FORBA-Analysen unterstreichen den vielschichtigen Handlungsbedarf in den genannten Bereichen, um die mittel- und langfristigen positiven Beschäftigungs-, Einkommens- und Finanzierungseffekte realisieren zu können.

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