BetriebsrätInnen: Ambivalente Einschätzungen zu Kurzarbeit und Homeoffice

14. April 2021

Mit der Corona-Kurzarbeit konnten auf breiter Ebene Arbeitsplätze gesichert werden. Das Homeoffice entpuppte sich als innovative Arbeitsform, die aller Voraussicht nach über die Pandemie hinaus Beständigkeit entwickeln wird. Konkret und in der Praxis führen die beiden sozialen Innovationen zu ambivalenten Begleiterscheinungen oder Nebenwirkungen, die interessenpolitisch bedeutsam sind. Dies ist jedenfalls das Ergebnis der aktuellen ISW-Betriebsrätebefragung, einer Erhebung unter den Betriebsratsvorsitzenden Oberösterreichs, die von Dezember 2020 bis Jänner 2021 durchgeführt wurde.

Das Arbeitsmarktservice spricht in einer Spezialauswertung aus dem Jänner 2021 davon, dass durch die Kurzarbeit seit Beginn der COVID-Krise monatlich österreichweit im Durchschnitt etwa 200.000 Jobs gerettet wurden. Belege und Daten zur konkreten Praxis der Kurzarbeit sind allerdings bislang rar, sodass die Wahrnehmungen aus der betrieblichen Ebene, in diesem Fall ein Befund aus dem „Industriebundesland“ Oberösterreich, eine wesentliche Lücke füllen.

Starke Veränderungen bei Arbeitszeit und Einkommen

Von den 492 befragten Betriebsratsvorsitzenden gaben 302 bzw. 61 Prozent an, dass im Betrieb die Corona-Kurzarbeit angewendet wurde. Im Mittel (Median) wurde die Arbeitszeit dabei um 50 Prozent reduziert. Allerdings sprach auch jeweils ein Viertel der Befragten davon, dass die Arbeitszeit nur um maximal 30 Prozent oder mindestens um 80 Prozent reduziert wurde, was die große Bandbreite der Kurzarbeitserfahrung deutlich macht. Der durchschnittliche monatliche Netto­einkommensverlust in der Kurzarbeit wird von den Betriebsratsvorsitzenden Oberösterreichs im Mittel (Median) auf 300 Euro geschätzt.

Wirkungen und Nebenwirkungen der Kurzarbeit

Die Praxis der Kurzarbeit wurde durch den Grad an Zustimmung zu ausgewählten, pointierten Beispielsaussagen erfragt.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Die finanzielle Belastung durch die Kurzarbeit scheint beträchtlich zu sein. Mehr als zwei Drittel der befragten Betriebsratsvorsitzenden stimmten der Aussage, dass Kurzarbeit für die Beschäftigten ein finanzielles Problem darstellt, eher bis völlig zu. Unter jenen Befragten, die das Nettodurchschnitts­einkommen im Betrieb auf unter 1.600 Euro schätzten, stieg der Zustimmungsanteil nochmals deutlich auf annähernd neun Zehntel. Dies hat auch eine geschlechtsspezifische Dimension, da sich in dieser Kategorie viele Betriebe mit einem hohen Frauenanteil befinden. Kurzarbeit bedeutet also nicht nur, aber insbesondere für Frauen ein Geldproblem.

Keine allgemein verbreitete Kündigungsangst

Interessant erscheint allerdings, dass die Angst vor Kündigung nach der Kurzarbeit nicht sehr weit verbreitet zu sein scheint. Der entsprechenden Aussage konnten zwei Drittel der befragten Betriebsratsvorsitzenden nicht zustimmen. Einschränkend muss hier allerdings hinzugefügt werden, dass die Ergebnisse sich hauptsächlich auf den Produktionsbereich beziehen, da ja beispielsweise in Gastronomie und Tourismus selten Betriebsratsstrukturen vorhanden sind. Dass die Kurzarbeit allerdings nicht prinzipiell vor Arbeitsplatzverlust schützt, zeigt sich auch daran, dass es in immerhin 22 Prozent der Kurzarbeitsbetriebe zu betriebsbedingten Kündigungen gekommen ist.

LeiharbeiterInnen teilweise in die Kurzarbeit mitgenommen

Ein Thema eigener Art ist der Umgang mit Zeit- oder LeiharbeiterInnen in der Krise. Im Unterschied zur Krise 2008/09 scheint es zumindest zu einer partiellen Zivilisierung im Umgang mit dieser besonders vulnerablen Gruppe gekommen zu sein. Immerhin 60 Prozent der Befragten gaben an, dass diese zur Gänze oder mehrheitlich in die Kurzarbeit mitgenommen wurden. Allerdings zeigt die Arbeitsmarktentwicklung, dass diese Gruppe mit zeitlichem Andauern der Krise wieder besonders stark von Erwerbslosigkeit betroffen war. Soziale Hemmungen und rechtliche Schranken, sich von LeasingarbeiterInnen zu trennen, sind nach wie vor (zu) niedrig.

Ein weiterer ambivalenter Aspekt der Kurzarbeit ist, dass diese in der Praxis für die Beschäftigten nicht notwendigerweise weniger Arbeit bedeutet. Immerhin mehr als ein Drittel der Befragten aus Kurzarbeitsbetrieben konnte der Aussage, dass das Arbeitsvolumen an die reduzierte Arbeitszeit angepasst wurde, nicht zustimmen.

Homeoffice: Gekommen um zu bleiben?

Mit dem abrupten Corona-Lockdown im März 2020 ist eine ebenso abrupte Ausweitung von Homeoffice einhergegangen. „Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben“, lautet seither ein vielfach strapaziertes Statement. Allerdings ist aus den Ergebnissen der ISW-Betriebsrätebefragung ein markanter Rückgang von Homeoffice zwischen März und Dezember 2020 ablesbar. So befanden sich zu Jahresende 2020 annähernd in jedem zweiten Betrieb (47 Prozent) höchstens 10 Prozent oder überhaupt keine Beschäftigten mehr im Homeoffice. Darüber hinaus waren im Dezember 2020 nur mehr in 12 Prozent der Betriebe mehr als 60 Prozent der MitarbeiterInnen im Homeoffice tätig. Ein völlig anderes Bild bot sich dagegen im März 2020 zu Beginn der Corona-Krise: Damals arbeiteten noch fast in einem Viertel der Betriebe (22 Prozent) die Beschäftigten größtenteils via Telearbeit. Nur in jedem dritten Betrieb (35 Prozent) war im März 2020 entweder überhaupt kein oder lediglich ein minimaler Anteil der ArbeitnehmerInnen im Homeoffice tätig.

Homeoffice-Schattenseiten: Fehlende soziale Kontakte und verschwimmende Grenzen

Wie die folgende Grafik veranschaulicht, nehmen die befragten Betriebsratsvorsitzenden Homeoffice stark differenziert wahr und haben ein überaus ambivalentes Bild dazu:

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Mit überwiegender Mehrheit (75 Prozent) stimmten die Betriebsratsvorsitzenden dem Statement zu, wonach viele Beschäftigte über die fehlenden sozialen Kontakte mit ihren KollegInnen klagen. Auf diese Weise zeigt sich, dass die Möglichkeit der Verschlechterungen der Beziehungen zu den KollegInnen eine sehr reale Option darstellt.

Das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben ist eine der „unübersehbaren Schattenseiten“ der Telearbeit. Dazu zählen beispielsweise Aspekte wie häufigere Arbeitsunterbrechungen oder auch das Verschieben der Arbeitszeit in extreme Randzeiten, die eigentlich der physischen und psychischen Regeneration vorbehalten sein sollten. Diese Schattenseiten der Arbeit im Homeoffice konstatieren 70 Prozent der befragten Betriebsratsvorsitzenden.

Problem mangelhafter Homeoffice-Arbeitsumgebung

Mehr als die Hälfte der befragten Betriebsratsvorsitzenden (53 Prozent) hat dem Statement „Viele Beschäftigte klagen über eine unzureichende räumliche oder technische Arbeitsumgebung“ zugestimmt. Gerade die plötzliche und unvorbereitete Umstellung auf Homeoffice durch den Lockdown im März 2020 hat viele Beschäftigte vor große Herausforderungen gestellt. Dazu zählen der Mangel an geeigneten Arbeitsräumlichkeiten, aber auch das Fehlen von technischer Ausstattung wie Drucker und leistungsfähigen Internetverbindungen.

Bessere Vereinbarkeit: ein Homeoffice-Vorteil unter Vorbehalt

Als positiven Homeoffice-Aspekt interpretieren die befragten Betriebsratsvorsitzenden die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Rund zwei Drittel (65 Prozent) stimmten diesem Statement zu. Interessant erscheint allerdings, dass gerade BelegschaftsvertreterInnen aus Unternehmen mit einem hohen weiblichen Beschäftigtenanteil hier nur unterdurchschnittlich zustimmten. Für eine zufriedenstellende Funktionsweise dieses Aspektes bedarf es daher bestimmter Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Dazu zählen beispielsweise das Vorhandensein von qualitätsvollen Kinderbetreuungseinrichtungen mit entsprechenden Rahmenöffnungszeiten und kurzen Distanzen zur Wohnung, damit auch einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen werden kann. Die mit Abstand stärkste Zustimmung von 87 Prozent findet bei den befragten Betriebsratsvorsitzenden das Statement: „Viele Beschäftigte erleben den Wegfall des täglichen Arbeitsweges als erleichternd.“ Der Wegfall des zeit- und ressourcenintensiven Pendelns ist durchaus ein Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität, aber auch zum Klimaschutz.

Unternehmensmotive: zwischen attraktivem Arbeitgeber und Einsparungsmöglichkeiten

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden die BetriebsrätInnen auch zu den Motiven der Unternehmen für eine Verstetigung von Homeoffice über die aktuelle Krise hinaus befragt. 37 Prozent der befragten Betriebsratsvorsitzenden schätzten übrigens ein, dass das Unternehmen in diese Richtung geht; bei den Angestelltenbetriebsratsvorsitzenden lag dieser Anteil bei 50 Prozent. Im Vordergrund stehen das Bestreben als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden beziehungsweise die Arbeitszufriedenheit der MitarbeiterInnen zu verbessern. Die überwiegende Mehrheit der befragten BetriebsrätInnen sehen diese Beweggründe auf Unternehmensseite. Allerdings ist auch etwa die Hälfte der Betriebsratsvorsitzenden der Ansicht, dass erwartete Einsparungsmöglichkeiten bei Büroarbeitsplätzen eine Motivlage für den Trend Richtung Homeoffice darstellen. Vielleicht ist auch deshalb die Haltung der Betriebsratsvorsitzenden zum Homeoffice heterogen: Zwar lehnten nur 8 Prozent der Befragten eine Verstetigung von Homeoffice eindeutig ab, während 37 Prozent dies klar befürworteten. Die absolute Mehrheit der befragten Betriebsratsvorsitzenden (55 Prozent) gab jedoch an, dem Trend zum Homeoffice zwiespältig gegenüberzustehen.

Fazit: Nicht alles ist Gold, was glänzt!

Die Corona-Kurzarbeit hat bislang vielen Beschäftigten den Arbeitsplatz erhalten und die „Nettoersatzrate“ ist deutlich höher als bei der nicht armutsfesten Arbeitslosenversicherung. Das Gespenst der Kündigung nach der Kurzarbeit fürchtet die überwiegende Mehrheit der Befragten nicht. Trotzdem bedeutet die Kurzarbeit für Betroffene, insbesondere in Branchen mit einem niedrigeren Gehaltsniveau, ein finanzielles Problem. Durchrechnungszeiträume und die Anpassung des Arbeitsvolumens an die Arbeitszeit sind weitere Konfliktfelder. Beim Homeoffice betonten die BetriebsrätInnen die Bedeutung sozialer Kontakte und die Notwendigkeit, klare Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit zu ziehen.

Die betriebliche Mitbestimmung selbst (für Details dazu sei auf den Forschungsbericht verwiesen) wurde durch die Corona-Krise allerdings nicht gefährdet. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Viele BetriebsrätInnen traten als KrisenmanagerInnen in Erscheinung und konnten so ihre innerbetriebliche Position stärken.

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