Eine gerechte & solide Krisenfinanzierung

15. Mai 2020

Die hohen Kosten der Corona-Krisenbewältigung und die notwendigen Investitionen in Sozialstaat, Arbeit und Umwelt stellen mittelfristig eine Herausforderung für den Staatshaushalt dar. Jedem ist klar: Nur gemeinsam kann diese bewältigt werden. Aber wie genau kann der außerordentliche Finanzierungsbedarf gewährleistet und dabei eine gerechte Verteilung sichergestellt werden, die verhindert, dass am Ende die Finanzierung des Sozialstaates noch mehr in Schieflage gerät? Hierfür sind fünf Eckpfeiler zu beachten.

Empfehlungen zur Krisenfinanzierung

Vorab lohnt jedoch ein Blick auf die grundsätzliche Handlungspalette, die sich der Regierung in budgetärer Hinsicht bietet. Die vielfältigen Maßnahmen der COVID-19-Gesetze und die Wirkung der automatischen Stabilisatoren, gepaart mit Einnahmenausfällen aufgrund von geringeren Steuereinnahmen, werden das Budgetdefizit drastisch erhöhen. Das WIFO rechnet in einem wahrscheinlich zu optimistischen Szenario für 2020 mit einem Budgetdefizit von 28 Mrd. Euro (7,4 Prozent des BIP). Der Budgetsaldo ergibt sich vereinfacht immer aus Einnahmen minus Ausgaben. Damit kann auch an beiden Seiten geschraubt werden. Wenn man sich das Ziel setzt, einen geringeren Saldo zu erreichen, können entweder die Ausgaben reduziert oder die Einnahmen erhöht werden. Eine dritte Möglichkeit bleibt jedoch oft unbedacht. Die Regierung kann einen höheren Saldo in Kauf nehmen und zu dessen Finanzierung Kredite aufnehmen bzw. Staatsanleihen begeben.

Mit allen drei Varianten sind volkswirtschaftliche Vor- und Nachteile verbunden, die es abzuwägen gilt. Eine wohlstandsorientierte Budgetpolitik sollte dabei immer im Fokus stehen, und Lehren aus der Vergangenheit, insbesondere aus der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise, müssen beachtet werden. Im Folgenden werden die Eckpfeiler diskutiert, welche für Österreich im Moment gesamthaft eine solide Finanzbasis bieten, einen wesentlichen Fokus auf Verteilungsgerechtigkeit legen und damit einen zügigen und volkswirtschaftlich gut verträglichen Weg aus der Krise ermöglichen würden.

1) Keine Rückkehr zu Sparpolitik und Nulldefizit

Die Krise hat die Überlegenheit des öffentlichen Gesundheitswesens und des Sozialstaates im Allgemeinen gezeigt. Ihre Finanzierung muss auf solide Beine gestellt werden, dafür ist vorübergehend ein höheres Defizit in Kauf zu nehmen. Die Finanzierungsstrategie der Regierung darf nicht bei erstbester Gelegenheit wieder auf Kürzungsprogramme zulasten der breiten Masse setzen. Das Losungswort der Regierung lautete zu Beginn der Krise: „Koste es, was es wolle.“ Das darf nicht nur für die Rettung der Wirtschaft gelten, sondern muss so lange gelten, bis Arbeitsmarkt und Sozialstaat wieder auf sicheren Beinen stehen und auch in der Klimapolitik klare Fortschritte gemacht wurden. Es ist sowohl für die Menschen als auch für die Volkswirtschaft als Ganzes gefährlich, bereits 2021 wieder ein „Nulldefizit“ als Ziel der Budgetpolitik zu definieren. Ein enges Nulldefizit-Sparkorsett schnürt uns die Luft ab, wir müssen aber atmen können, um aus dieser Krise herauszukommen.

Das wichtigste Ziel der Budgetpolitik muss es also bleiben, die Folgen der Krise, etwa im Gesundheitssystem oder auf dem Arbeitsmarkt, zu beseitigen und den Wohlstand der Bevölkerung zu sichern und zu erhöhen. Mittelfristig wird der Staatshaushalt wesentlich dadurch begünstigt, dass die Zinskosten bei null liegen. Dieser immense Vorteil muss auch allen anderen EU-Ländern gesichert werden, sonst droht eine neue Euro- und Staatsschuldenkrise, unter der auch Österreich leiden würde. Trotz der rückläufigen Zinsausgaben im Staatshaushalt werden die budgetären Kosten der COVID-19-Pandemie jedoch erheblich sein und lange nachwirken. Deshalb braucht es weitere Maßnahmen.

2) Kein Spielraum für kapitalseitige Steuergeschenke

Internationale Organisationen wie die EU-Kommission, die OECD oder auch der Internationale Währungsfonds legen Österreich bereits seit vielen Jahren eine beschäftigungs- und wachstumsfördernde Umstrukturierung im Steuersystem nahe. Dabei geht es keinesfalls darum, die Abgaben ganz generell und undifferenziert über alle Bereiche zu senken. Eine undifferenzierte Senkung der Abgaben ist jedenfalls abzulehnen. Vielmehr wird in den Empfehlungen eine Umstrukturierung angedacht, im Rahmen derer die Abgaben auf Arbeit gesenkt und dafür höhere Beiträge von Vermögen eingefordert werden. Nur so kann eine solide Finanzbasis gewährleistet bleiben.

Steuergeschenke für die Kapitalseite, wie im Rahmen der ursprünglichen Steuerreformpläne der Regierung angekündigt, widersprechen diesen Empfehlungen ganz klar. Sie waren bereits in wirtschaftlich „normalen“ Zeiten ungeeignet und hätten dazu geführt die Schieflage im österreichischen Steuersystem noch zusätzlich zu verschärfen. In wirtschaftlichen Krisenphasen gilt das umso mehr, sie würden die Möglichkeiten für aktive Konjunkturpolitik massiv beschränken. Diese Steuergeschenke müssen abgesagt werden!

In erster Linie geht es dabei um die geplante Senkung des Gewinnsteuersatzes – ein milliardenschweres Steuergeschenk für Großkonzerne, welches keine nennenswerten Investitionsanreize schafft und zu 80 Prozent den gewinnstärksten fünf Prozent der Unternehmen zufließt. Darüber hinaus erscheinen aber auch die angedachten KESt-Befreiungen als großzügige Geschenke für Investoren, die nichts bringen, aber viel kosten. Hinzu kommen zahlreiche weitere Geschenke für Unternehmen, aber auch ungerechtfertigte Begünstigungen für die Landwirtschaft (z. B. eine steuersparende Gewinnglättung oder der budgetintensive Ausgleich sinkender EU-Agrarbudgets). Diese würden aktuell die budgetäre Situation unnötig zusätzlich belasten und sollten deshalb ebenfalls abgesagt werden.

Im Gegensatz zur geplanten KöSt-Senkung, kann die geplante Tarifreform in der Lohn- und Einkommensteuer nicht als Steuergeschenk betrachtet werden, da es sich hierbei lediglich um eine Rückvergütung, einen Ausgleich der kalten Progression der vergangenen Jahre handelt.

3) Schieflage im Steuersystem nachhaltig ausgleichen

Das Streichen von Steuerzuckerln, die das Steuersystem noch ungerechter machen würden, reicht jedoch nicht, um den internationalen Empfehlungen einer Steuerstrukturreform näherzukommen und die Schieflage zu korrigieren. Hierfür braucht es zusätzliche Beiträge von den wirklich Reichen. Bisherige Forderungen nach Millionärssteuern, fairen Beiträgen von internationalen Großkonzernen sowie einer Erbschafts- und Schenkungssteuer müssen weiterhin aufrechtbleiben, da diese nachhaltig für die Entlastung der Arbeitseinkommen und die Finanzierung öffentlicher Leistungen notwendig sind.

4) MillionärInnen & MilliardärInnen an der Finanzierung beteiligen

Außergewöhnliche Herausforderungen verlangen jedoch nicht nur ausgleichende Maßnahmen, sondern eben auch außerordentliche Beiträge. Diese müssen von jenen kommen, die es sich leisten können. Nur so wird sichergestellt, dass dadurch auch keine negativen Nachfrageeffekte entstehen. Gerade vermögensbezogene Steuern sind hier eine wachstumsneutrale Möglichkeit.

Eine befristete Vermögenssteuer auf herausragenden Millionen- und Milliardenreichtum in Höhe von 2 Prozent pro Jahr für Vermögen über 10 Millionen Euro, 3 Prozent für Vermögen über 100 Millionen und 4 Prozent für Vermögen über 1 Milliarde würde lediglich 1 Prozent aller Haushalte treffen und ca. 7 Milliarden pro Jahr an zusätzlichen Einnahmen ins Budget spülen. Das würde helfen, den besonderen Finanzierungsbedarf zu decken.

Darüber hinaus würde auch eine befristete Anhebung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden von 27,5 auf 35 Prozent einen zusätzlichen Finanzierungsbeitrag von ca. 600 Millionen Euro pro Jahr bringen. Eine befristete Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 75 Prozent für Spitzeneinkommen über einer Million Euro könnte weitere rund 80 Millionen beitragen und würde dabei nur etwa 300 SpitzenverdienerInnen treffen. Dies wäre nicht nur wachstums- und beschäftigungsschonend, sondern vor allem gerecht.

Demgegenüber dürfen zusätzliche Finanzierungsbeiträge keinesfalls bei der breiten Masse und den ArbeitnehmerInnen ansetzen. Das würde negative Nachfrageeffekte bringen, die gerade aktuell problematisch sind, zu sozialen Verwerfungen führen und die Schieflage im Steuersystem weiter verschärfen.

5) Keine finanziellen Härten durch Ökologisierung im Steuersystem

Zu betonen ist, dass auch Ökologisierungsschritte im Steuersystem nicht zur Krisenfinanzierung herangezogen werden dürfen. Hier sollte immer ein ökologischer Lenkungseffekt im Vordergrund stehen, und echte sozial ausgewogene Rückvergütungsmaßnahmen sollten im Zuge einer Gesamtreform mitgeliefert werden. Nur so können die regressiven Wirkungen von Ökosteuern abgefangen und damit deren verteilungspolitisch negativen Effekte korrigiert werden, insbesondere auch für ArbeitnehmerInnen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Fazit

ArbeitnehmerInnen haben bereits während der Krise viel auf sich nehmen müssen. Sie dürfen jetzt nicht auch noch die Finanzierung der entstandenen Kosten überwiegend allein schultern. Das würde jedoch passieren, wenn (a) der Sozialstaat kaputtgespart wird, (b) die Finanzierung ausschließlich aus dem allgemeinen Steuertopf aufgebracht wird, der zurzeit zu 80 Prozent von ihren Beiträgen getragen wird, oder (c) sie gar über noch höhere Steuerbeiträge zur Kasse gebeten werden.

Eine arbeitnehmerorientierte Antwort muss demnach zusätzliche Beiträge von Millionenvermögen enthalten, damit nicht auch noch eine Kürzungswelle über die arbeitenden Menschen in diesem Land rollt.

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