Die Verhandlungen zur Reform der internationalen Konzernsteuerregelungen gehen in die nächste Phase. Wegen der Budgetmisere infolge der Corona-Krise sind Fortschritte nötiger denn je. Mitte Oktober hat die OECD nicht nur ihre aktualisierten Vorschläge, sondern auch eine umfassende ökonomische Einschätzung vorgelegt. Ergebnis: Die Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes brächte ein erhebliches Steuermehraufkommen. Für Österreich sind insgesamt 300 bis 350 Mio. Euro möglich. Schöne Zahlen allein sind aber zu wenig, die Politik muss jetzt zu Entscheidungen kommen.
Das Basisszenario der OECD
Unter dem Codenamen BEPS 2.0 entwickelt die OECD aktuell Vorschläge zur Reform der Konzernsteuerregelungen und zur Bekämpfung von Steuertricks. Mehr als 130 Länder, darunter auch Österreich, sind daran im sogenannten „Inclusive Framework“ beteiligt.
BEPS 2.0 besteht aus zwei Säulen. Säule eins adressiert direkt die Digitalsteuer-Debatte und soll die Besteuerungsrechte stärker in die Marktstaaten verlagern. Derzeit werden Unternehmen dort besteuert, wo sie physisch präsent sind. Nach dem Basisszenario der OECD sollen künftig 20 Prozent der Residualprofite in den Marktstaaten versteuert werden, d. h. dort, wo die KonsumentInnen der Unternehmen sitzen. Betroffen sind Konzerne mit mehr als 750 Mio. Euro Umsatz, wenn sie automatisierte digitale Leistungen anbieten (z. B. Online-Plattformen, Social Media usw.) oder consumer facing businesses sind, also Unternehmen, die für die Endnachfrage produzieren (z. B. Autohersteller). Das würde beispielsweise bedeuten, dass Google künftig Gewinnsteuern in Österreich abführen müsste, aber auch Red Bull in den USA und anderen Staaten. Letztlich geht es um eine Umverteilung von Besteuerungsrechten zwischen den Staaten. Der politische Streit darüber ist folglich sehr intensiv. Vor allem die USA sorgen sich um die Steuereinnahmen „ihrer“ Digitalunternehmen.
Säule zwei wiederum sieht einen globalen Mindeststeuersatz nach Vorbild der US-Mindeststeuern BEAT und GILTI vor. Das Basisszenario der OECD, welches politisch noch nicht fixiert, aber ein guter Gradmesser für den aktuellen Verhandlungsstand ist, geht davon aus, dass alle Großkonzerne ihre Gewinne mit zumindest 12,5 Prozent effektiv versteuern müssen, egal wo sie geparkt sind. Die Regelungen für die Bemessungsgrundlage der Mindeststeuer sehen kleinere Ausnahmen – aber keine echten Schlupflöcher – vor. Hier sind die politischen Aussichten besser, weil die USA mit an Bord sind.
Wie hoch sind die zusätzlichen Steuereinnahmen?
Da Säule eins nur die Besteuerungsrechte neu verteilt, sind die budgetären Auswirkungen gering. Zwar würden damit ca. 100 Mrd. US-Dollar an steuerpflichtigen Gewinnen in die Marktstaaten verschoben, die globalen Steuereinnahmen steigen aber nur um 0,2 Prozent bis 0,5 Prozent. Dieser Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass nicht mehr der ganze Gewinn in Niedrigsteuerländern versteuert wird, sondern eben auch in den Normalsteuerländern, wo er erwirtschaftet wurde.
Säule zwei hingegen hätte massive Auswirkungen auf die Steuereinnahmen aller Staaten. Im Basisszenario steigen die Steuereinnahmen um bis zu 70 Mrd. US-Dollar. Im Zusammenspiel mit der Säule eins und den Mindeststeuern in den USA würden die Gewinnsteuereinnahmen sogar um ca. 4 Prozent bzw. 100 Mrd. US-Dollar weltweit steigen. Spannend sind die vier Szenarien, die die OECD dazu gerechnet hat. Szenario 1 erfasst die „reinen“ Mehreinnahmen durch den Mindeststeuersatz inklusive der sogenannten „low-taxed pockets in high-tax jurisdictions“, also z. B. die Gewinne, die in der französischen oder belgischen Patentbox mit weniger als 12,5 Prozent effektiv besteuert werden. Szenario 2 berücksichtigt zusätzlich die Umverteilung durch Säule eins – die Veränderung ist aber gering. In Szenario 3 rechnet die OECD dann auch die Mehreinnahmen durch eine Reduktion der Steuertricks mit ein. Man geht davon aus, dass mit dem sinkenden Steuerdifferenzial zwischen Niedrig- und Normalsteuerländer durch den Mindeststeuersatz auch die Gewinnverlagerung zurückgeht. Das bringt zusätzliche Einnahmen. In Szenario 4 wird berücksichtigt, dass die Niedrigsteuerländer die Möglichkeit haben, ihre Steuersätze (auf 12,5 Prozent effektiv) zu erhöhen. Die OECD nimmt an, dass einige Staaten das tun werden, wodurch sich ein Teil der Mehreinnahmen zu den (ehemaligen) Niedrigsteuerländern verschiebt.