Banken: Ausschüttungen trotz Corona-Krise?

19. Mai 2021

Mitten in der dritten COVID-19-Welle haben Österreichs Banken umfassende Dividendenpläne vorgelegt. Doch angesichts hoher Unsicherheit und drohender Kredit- und Solvenzrisiken sind großzügige Ausschüttungen nicht angebracht, vielmehr sollten die Banken jetzt dem Vorsichtsprinzip Rechnung tragen. Für Dividenden, Boni oder Rückkäufe von Aktien heißt das: Zurückhaltung! Denn: Der Kreditkanal muss offen bleiben und das Eigenkapital darf nicht knapp werden. Banken sollten daher ihr Eigenkapital erhöhen, um die Kreditvergabekapazitäten zu halten und sich für drohende Kreditausfälle zu wappnen.

Ertragsentwicklung rückläufig, Kapitalsituation (noch) stabil

Die COVID-19-Krise hinterlässt – trotz staatlicher Kreditgarantien und Unterstützungsprogrammen der Europäischen Zentralbank (EZB) – deutliche Spuren in der Ertragsentwicklung österreichischer Banken: Im Jahr 2020 müssen die heimischen Kreditinstitute laut Statistik der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) nach drei Geschäftsjahren mit Rekordgewinnen eine deutliche Reduktion des Jahresüberschusses auf 2,7 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen: Das entspricht einem Minus von 44,7 Prozent. Wie der AK-Branchenreport zum Kreditsektor zeigt, ist dies primär auf deutlich höhere Risikovorsorgen zurückzuführen. Damit kommen österreichische Kreditinstitute en Gros dem Aufruf der EZB nach, angesichts drohender Kreditausfälle in der Bemessung der Kreditrisiken höchste Sorgfalt walten zu lassen. Auf der Kapitalseite sieht es – dank des erforderlichen Eigenkapitalaufbaus nach der Finanz- und Wirtschaftskrise – gegenwärtig (noch) stabil aus: Die Kapitalisierung (gemessen an der harten Kernkapitalquote) liegt mit durchschnittlich 16,1 Prozent für das Jahr 2020 fast doppelt so hoch wie 2009. Wenngleich auch österreichische Kreditinstitute in den letzten Jahren durchgehend knapp hinter dem europäischen Durchschnitt zurückgeblieben sind. Dieser Abstand hat sich im ersten Jahr der COVID-19-Krise sogar noch erhöht.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Staatliche Unterstützungsprogramme lassen Insolvenzen sinken …

Ein Simulationsmodell der OeNB, das die Auswirkungen von COVID-19 auf das Bankensystem sowie die Effektivität und Effizienz der staatlichen Maßnahmen für Unternehmen untersucht hat, zeigt, dass in Bezug auf Kreditstundungen (staatliche wie private Moratorien) eine eher kurzfristig aufschiebende (Liquiditäts-)Wirkung zu erwarten ist. Eigenkapitalstützende Instrumente weisen zwar hohe Effektivität auf, sind aber weniger effizient als beispielsweise Kreditgarantien. In ihrer Hauptannahme, die hinsichtlich des Pandemieverlaufs eher optimistisch erscheint, kommt die Simulation zum Schluss, dass das Bankensystem in Österreich – aufgrund der deutlich besseren Eigenkapitalausstattung im Vergleich zu 2009 – durch die aktuelle Krise nicht aus dem Takt geraten dürfte. Sehr wohl geht die pessimistische Variante der Simulation jedoch – bedingt durch Kreditausfälle – von nicht unerheblichen Einschnitten ins Eigenkapital bei Banken aus. Dies würde nicht nur das eine oder andere Kreditinstitut unter Stress setzen, sondern könnte darüber hinaus die gesamte Kreditversorgung dämpfen.

… und führen zu Rückstau und hoher Unsicherheit

Bekanntlich haben sich Unternehmensinsolvenzen im Krisenjahr 2020 und bis zum 1. Quartal 2021 rückläufig entwickelt: Doch mit dem Auslaufen der Moratorien – voraussichtlich per Ende Juni 2021 – und Maßnahmen wie der verordneten Zurückhaltung bei der Insolvenzanmeldung ist zumindest ein „Nachholeffekt“ bei den Insolvenzen zu erwarten, der wohl einen Anstieg der notleidenden Kredite mit sich bringen wird. Die Betroffenheit der Branchen könnte jedoch sehr unterschiedlich ausfallen: So zeigen insbesondere im produzierenden Bereich und im Bau die Frühindikatoren stark nach oben, während in Beherbergung, Gastronomie, Handel sowie im Kultur- und Veranstaltungsbereich die Unsicherheit hoch bleibt. Gerade diese Konstellation birgt ein besonderes Risiko und kann dazu führen, dass eine „Schere“ aufgeht: Während in manchen Branchen das Kreditausfallsrisiko steigt, ist in anderen Branchen aufgrund einer kräftigen Erholung mit einer starken Kreditnachfrage zu rechnen. Eine Belastung der Eigenkapitalquote durch notleidende Kredite und hohe Ausschüttungen kann zu einer Einschränkung der Kreditvergabekapazitäten der Banken führen und damit zu einer Bremse für die Erholung werden – und im schlimmsten Fall zum Stressfaktor für einige Institute.

Dividendenpläne der Banken

Vor diesem Hintergrund ist mit umso mehr Sorgfalt auf die Eigenkapitalausstattung und die damit verbundene Kreditvergabekapazität zu achten. Nichtsdestotrotz schmieden die großen österreichischen Bankkonzerne großzügige Dividendenpläne. Warum nicht – wie gewohnt – bereits im Frühjahr ausgeschüttet wird, liegt wohl am Appell der Finanzmarktaufsicht (FMA), bis Ende September möglichst auf Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe zu verzichten. Das dezidierte Dividendenverbot, das noch bis Jahresbeginn aufrecht gewesen ist, hat die EZB gekippt, um gleichzeitig Verzicht einzumahnen. Doch nach der faktischen Aufhebung des Verbots waren die Schleusen wieder offen: Unter der Prämisse einer soliden Kapitalsituation und entsprechender Risikovorsorgen werden Dividenden bis zu einer bestimmten – von der Aufsicht vorgegebenen – Grenze geduldet. Als Schwelle hat die FMA 15 Prozent der kumulierten Bilanzgewinne der Geschäftsjahre 2019 und 2020 bzw. 20 Basispunkte der CET-1-Ratio definiert. Wie AK-Erhebungen zeigen, sind alle drei ATX-Bankkonzerne entschlossen, auszuschütten: Nach einer ersten Auszahlung von 40 Mio. Euro im ersten Quartal 2021 hat die Bawag Group AG angekündigt, im vierten Quartal weitere 420 Mio. Euro an Dividende auszuzahlen. Die Erste Group AG hat neben einer Dividende von 213,2 Mio. Euro, die im ersten Halbjahr fließen wird, weitere 426,3 Mio. Euro für eine Auszahlung im Herbst zurückgelegt. Die RBI AG schüttet jedenfalls 157,7 Mio. Euro aus, und eine Zusatzdividende könnte bei 328,6 Mio. Euro liegen. Damit dürfte das Ausschüttungsvolumen insgesamt rund 1,6 Mrd. Euro erreichen, das ist die Hälfte des gesamten Dividendenvolumens der ATX-Unternehmen.

Eigenkapitaldecke nicht ausdünnen, Kreditkanal offen halten

Dabei wäre es gerade jetzt entscheidend, die Eigenkapitalausstattung stabil zu halten bzw. zu erhöhen und nicht mit hohen Ausschüttungen unter Bedrängnis zu bringen: Denn die Erhöhung der Eigenkapitalquoten nach Vorgaben der makroprudentiellen Aufsicht bringen nicht – wie immer wieder argumentiert – eine Beschränkung der Kreditvergabe mit sich. Vielmehr wird der „Schwung“ der Kreditvergabe von einer soliden Eigenkapitalausstattung und der Investitionsdynamik bestimmt. Dies ist gerade in der gegenwärtigen Krise essenziell, daher sollte auf eine zurückhaltende Ausschüttungspolitik geachtet werden. Denn Ausschüttungen reduzieren das Eigenkapital und belasten somit die Kreditvergabekapazitäten. Zu diesem Schluss kommt auch eine Untersuchung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): Die Kapitalisierung von Banken hat in jenen Ländern mit Ausschüttungsbeschränkungen zugenommen, was maßgeblich zur institutionellen und systemischen Stabilität beiträgt. Die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Kredite vergeben werden, nimmt mit höherem Eigenkapital zu: So sind auch im ersten COVID-19-Jahr in Österreich die Kredite an realwirtschaftliche Unternehmen um mehr als 4 Prozent gestiegen – bei gleichzeitiger Erhöhung der Eigenkapitalquote.

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Fazit

Die EZB hat angesichts ihrer geldpolitischen Verantwortung wie auch in ihrer Rolle als Bankenaufseherin signalisiert, dass sie die Sicherung der Liquidität der Märkte und Kreditinstitute gewährleisten wird, und bereits in der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise bewiesen, dass dies auch gelingen kann. Die Empfehlungen der EZB und die Appelle der Aufsichtsbehörden, auf Dividenden zu verzichten und sich bei Bonuszahlungen zurückzuhalten, haben nicht nur reinen Appellcharakter. Neben einer fairen Lastenverteilung in der Krise muss es darum gehen, die Kreditversorgung sicherzustellen und Eigenmittel nicht auszudünnen. EZB-Vorsitzender Andrea Enria hält dazu fest: „Wir wollen bei den Banken eine feste Entschlossenheit anstoßen, jeden Euro an Kapital zu erhalten, der für die Kreditvergabe an die Wirtschaft nützlich sein könnte.“ In der gegenwärtigen Situation herrscht hohe Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung der Insolvenzen und der sich abzeichnenden Heterogenität des Erholungsmusters aus dieser einzigartigen Krise vor. Es ist daher erforderlich, im Sinne der Stabilität der Institute und des Finanzsystems bei Ausschüttungen auf Sicht Zurückhaltung zu üben.

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