Wege aus der Rezession

13. Dezember 2024

Die Belebung von Konjunktur und Beschäftigung bildet die Voraussetzung für eine Bewältigung der großen wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben der neuen Bundesregierung, insbesondere der Budgetkonsolidierung. Dafür ist ein Konjunkturimpuls notwendig, der bereits kurzfristig die Investitionsnachfrage belebt und die Arbeitslosigkeit verringert. Wir zeigen, welche Maßnahmen rasch umsetzbar sind.

Schwierige Ausgangslage … größtenteils hausgemacht

Die alte Bundesregierung hinterlässt eine außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Situation:

Diese schlechte Wirtschaftsentwicklung ist zum Teil auf internationale Entwicklungen zurückzuführen: schwache Investitionsgüternachfrage in vielen Teilen der Welt, konjunkturelle Schwäche in Deutschland, vor allem in der Industrie. Doch der größere Teil ist hausgemacht. Das weitgehende Fehlen von gezielten Preiseingriffen in der Teuerungskrise (etwa in den Bereichen Energie, Nahrungsmittel und Mieten) hat zur hohen Inflation geführt, die Kaufkraft der Haushalte gedämpft, die Kollektivvertragsverhandlungen erschwert und die Unsicherheit massiv verschärft. Die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik war zunächst nicht in der Lage, die hohe Zahl an offenen Stellen für eine deutliche Verringerung der Arbeitslosigkeit zu nutzen und hatte dann dem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit nichts entgegenzusetzen. Wirtschaftspolitische Herausforderungen wurden mit immer neuen, nicht finanzierten Förderungen und Steuersenkungen beantwortet, wobei die politisch einflussreichsten Gruppen zuvorderst bedient wurden.

Den wichtigen wirtschaftspolitisch Verantwortlichen in der Bundesregierung fehlte es sowohl an Akzeptanz der ökonomischen Zusammenhänge als auch an der Entschlossenheit, sich aktiv gegen die Krise zu stemmen; etwa durch eine Koordination der Preis-, Beschäftigungs- und Budgetpolitik mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Das Ergebnis sind eine lange Rezession und ein hohes Budgetdefizit.

Unsicherheit verringern

Die neue Bundesregierung steht damit vor einer sehr schwierigen Ausgangslage. Sie muss einen wirtschaftlichen Kurswechsel einleiten, dafür gibt es aber zum einen höchst unterschiedliche wirtschaftspolitische Vorstellungen und zum anderen kein Geld.

In dieser Situation gilt es, pragmatisch vorzugehen. Ohne eine Belebung von Konjunktur und Beschäftigung können weder die großen Projekte der Verhandlungsparteien (von Verringerung der Ungleichheit über Bekämpfung der Klimakrise bis zur Entlastung von Haushalten und Unternehmen) gelingen, noch die notwendige Budgetkonsolidierung. Ausgangspunkt einer Belebung von Konjunktur und Beschäftigung muss die Verringerung der hohen Unsicherheit sein, die derzeit Haushalte vom Konsumieren und Unternehmen vom Investieren abhält.

Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindern

Die Unsicherheit der Haushalte wird vor allem von der schlechten Lage auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Deshalb gilt es zunächst, die offene Arbeitslosigkeit markant zu senken. Dafür sind bereits kurzfristig mehr Mittel für das AMS notwendig, um eine effiziente Vermittlung von Arbeitslosen auf die offenen Stellen guter Qualität zu erreichen. Zudem sollte auch mehr für die Qualifizierung von Menschen in Arbeitslosigkeit, stiller Reserve oder Niedriglohnbeschäftigung auf offene Stellen vor allem in zwei Bereichen ausgegeben werden: Pflege und andere soziale Dienste sowie grüne Reindustrialisierung und Energiewende. Ein besonderer Schwerpunkt muss für Jugendliche gesetzt werden. Unter ihnen ist die Arbeitslosigkeit stark gestiegen (zuletzt auf rd. 64.500 Personen) und das beeinträchtigt die Stimmung in besonderem Ausmaß. Da und dort kann gezielte Kurzarbeit Firmen und Beschäftigten bei der Bewältigung einer kurzfristigen Nachfragekrise helfen. Ein robuster Arbeitsmarkt stützt die Erwartungen der Haushalte. Dafür sollten im 1. Halbjahr 2025 wenigstens 100 Mio. Euro zusätzlich veranschlagt werden, das entspricht dem Ausgleich der bislang im AMS-Budget vorgesehenen Mittelkürzung.

Investitionen vorziehen

Investitionen sind die Schlüsselgröße für die Konjunktur. Deshalb sollen gezielte Maßnahmen gesetzt werden, die die Wirtschaftsakteure veranlassen, ohnehin geplante Investitionen vorzuziehen. Eine sehr rasche Senkung der Leitzinsen der EZB auf das mittelfristig angemessene Niveau von etwa 2 Prozent wäre dafür besonders hilfreich. Städte und Gemeinden haben enormen Bedarf an Investitionen in Klimawandelanpassung und Klimaschutz. Der Bund sollte Zusatzmittel für kurzfristig umsetzbare Ausgaben bereitstellen. Die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und die zügige Verabschiedung des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetzes (EABG) könnten ebenso helfen wie die systematische Motivation ausgegliederter öffentlicher Gesellschaften (BIG, Bundesforste, ASFINAG, Energieversorger), geplante Investitionsvorhaben zu beschleunigen.

Auch der Investitionsbedarf privater Unternehmen ist hoch, etwa in der sozialen und ökologischen Transformation. Angesichts gestiegener Kosten und hoher Unsicherheit werden viele geplante Investitionsprojekte jedoch zurückgehalten. Anreize zum Vorziehen dieser Investitionen könnten einen wichtigen Konjunkturimpuls setzen. Eine zeitlich befristete Investitionsförderung – etwa durch besonders günstige Abschreibungsregelungen in Kombination mit einem höheren Körperschaftssteuersatz – könnte hier die Anreize markant verbessern.

Produktivitätswachstum erhöhen

Von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung wird fehlende Wettbewerbsfähigkeit als Ursache für die Rezession gesehen. Das ist empirisch nicht haltbar. Wettbewerbsfähigkeit muss ganzheitlich gedacht werden, wie nicht zuletzt das WIFO immer wieder betont. Objektive Faktoren zeigen, dass die Standortqualität nach wie vor hoch ist. Dennoch stellt der starke Anstieg der Energiekosten und der Lohnkosten eine bemerkenswerte Herausforderung für die Wirtschaftspolitik dar. Er ist Ausdruck der relativ hohen Inflationsraten. Die starken Preissteigerungen sind zudem eine wichtige Ursache der hohen Unsicherheit unter Haushalten und Unternehmen.

Zwei Strategien bieten sich an. Eine Strategie wäre, den Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus unter jenen der Handelspartner zu drücken und damit auch den Anstieg der Nominallöhne. Dies zielt darauf ab, die großen Preistreiber der letzten Jahre zu regulieren, kann allerdings nur sinnvoll sein, solange es keine nachfragebedingte Deflation auslöst. Den Ansatzpunkt bilden zum einen die Wohnungskosten (vor allem die Mieten) und zum anderen die Energiepreise (Netzkosten und Preisgestaltung).

Eine zweite Strategie besteht darin, das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum zu beschleunigen. Das ist der Königsweg, dessen Beschreiten allerdings einer Vielzahl von Detailmaßnahmen bedarf: von Reformen im Aus- und Weiterbildungssystem über die Forschungs- und Innovationspolitik bis hin zu weiteren Verbesserungen der materiellen und immateriellen Infrastruktur. Ein Schlüssel für eine Beschleunigung des Produktivitätswachstums liegt in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Bei struktureller Arbeitskräfteknappheit führt ein Transfer von Menschen, die keine, zu wenig oder schlechte und wenig produktive Arbeit haben, zu Betrieben, die produktive Stellen anbieten, zu einem Strukturwandel mit gesamtwirtschaftlich hohem Produktivitätsfortschritt. Dafür sind geeignete arbeitsmarktpolitische Institutionen und Programme zu entwickeln. Deflation, die von hohem Produktivitätswachstum bestimmt wird, hätte keine negativen Effekte und würde die Kosten der Unternehmen senken, ohne den Wohlstand der Beschäftigten zu gefährden.

Fazit

Die österreichische Wirtschaft befindet sich in einer hartnäckigen Krise, die sowohl durch fehlende internationale Nachfrage als auch durch massive Fehler der heimischen Politik verursacht wurde. Die neue Bundesregierung muss unmittelbar einen Konjunkturimpuls setzen:


© A&W Blog


Gleichzeitig gilt es, die Wirtschaftspolitik auf nationaler und europäischer Ebene besser zu koordinieren und auf die Ziele einer wohlstandsorientierten Wirtschaftspolitik auszurichten, ganz besonders auf das Gelingen der sozialen und ökologischen Transformation.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine überarbeitete und gekürzte Fassung des Editorials „Wege aus der Rezession“ der Zeitschrift „Wirtschaft und Gesellschaft“, Band 50, Nr. 3. In dieser Ausgabe finden sich u. a. auch eine kritische Auseinandersetzung mit Schlüsselkonzepten der neoklassischen Ökonomie sowie ein Beitrag zur politischen Ökonomie des Klassismus-Begriffs.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung