Klimaschutz-Potenzial der Städte und Gemeinden heben – mit einem kommunalen Klima-Investitionsfonds

17. April 2024

Städte und Gemeinden sind zentral für den Klimaschutz. Mit ihrem beträchtlichen Vermögen in Form von Kindergärten, Schulen, Müllentsorgung etc. sind sie besonders gefordert, dieses bis spätestens 2040 klimagerecht umzubauen. Zudem gilt es, das zusätzliche Ausbaupotenzial zu heben: vom öffentlichen Verkehr über Photovoltaik bis hin zum Pflanzen von Bäumen. Jedoch verschlechterten sich zuletzt die Finanzen von Städten und Gemeinden – ohne Aussicht auf eine rasche wesentliche Besserung. Ein langfristig ausgerichteter kommunaler Klima-Investitionsfonds des Bundes würde helfen, diesen Widerspruch aufzulösen.

Städte und Gemeinden als zentrale Akteure nicht nur der Klimapolitik

Städte und Gemeinden sind die erste Anlaufstelle für die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen im unmittelbaren Lebensumfeld. Mit ihren Leistungen der Daseinsvorsorge – von der Müllentsorgung über die Wasserversorgung, die Verbindung der Ausgangs- und Endpunkte der Mobilität, die Kinderbetreuung und -förderung bis zu öffentlichen Freizeitangeboten – sind sie wesentlich für einen funktionierenden Alltag. Dieser Alltag basiert großteils nach wie vor auf dem Einsatz fossiler Energieträger – und muss daher grundlegend umgestaltet werden, um erstens nicht eine weitere Klimaüberhitzung zu befeuern und zweitens vor den absehbaren Folgen der Klimaüberhitzung zu schützen. Dessen sind sich Vertreter:innen von Städten und Gemeinden auch zunehmend bewusst, was sich in beachtlichen Initiativen wie z. B. in Wien oder Graz zeigt.

Das öffentliche Vermögen von Städten und Gemeinden in Form von Gebäuden, Flächen und Fahrzeugen sowie Anlagen für die Daseinsvorsorge ist ein zentraler Ansatzpunkt bei der Bekämpfung der Klimakrise und zum Schutz der Bevölkerung vor ihren Folgen, damit ein gerechter Übergang möglich ist; d.h. etwa, dass öffentliche Mobilitätsalternativen zur Verfügung stehen, wenn die privaten fossilen Möglichkeiten nicht mehr so möglich sind. Kommunen können vor Ort zeigen, dass der Staat bereit ist, eine Vorreiterrolle zu übernehmen – und damit nicht nur private Investitionen mitziehen bzw. allgemein positive Wirtschaftseffekte bewirken, sondern auch funktionale wie mentale Barrieren für den Klimaschutz überwinden helfen.

Umbaunotwendigkeit & Ausbaupotenzial

Wie groß die Herausforderung ist, hat ein Team von TU Wien und Umweltbundesamt untersucht. Für den gesamten öffentlichen Sektor – inklusive kontrollierten Beteiligungen – schätzen sie die notwendigen Investitionen, um den Bestand an öffentlichen Gebäuden und Maschinen auf den Betrieb mit Energie aus erneuerbaren Quellen umzustellen, auf 68 Mrd. Euro. Will man darüber hinaus den gesamtwirtschaftlichen Umbau beschleunigen, indem insbesondere das Potenzial bis 2030 zum Ausbau nachhaltiger öffentlicher Mobilitätsangebote sowie zur Stromerzeugung und -verteilung genutzt wird, bedarf es noch einmal 50 Mrd. Euro. Dieser Betrag ist allerdings noch konservativ geschätzt, da etwa im Verkehr die städtischen Ausbaupotenziale noch nicht zur Gänze berücksichtigt sind. Ohnehin geplant bzw. zu erwarten – etwa der routinemäßige Austausch veralteter Fahrzeuge – sind Investitionen von 31 Mrd. Euro, sodass der zusätzliche Finanzierungsbedarf entsprechend geringer ausfällt (also 37 bzw. 87 Mrd. Euro).

Um diese Zahlen einordnen zu können, ist ein Blick auf Vermögensbestand und Investitionstätigkeit notwendig: Ohne Grund und Boden betrug das in der Studie erhobene öffentliche Sachanlagevermögen 346 Mrd. Euro. Um das gesamte Potenzial zu heben, bedarf es also eines Vermögenszuwachses um 25 Prozent. Will man bis 2040 klimaneutral sein, bleiben etwa 15 Jahre – bei öffentlichen Nettoinvestitionen (also Investitionen abzüglich Abschreibungen) von zuletzt 4 Mrd. Euro (bzw. 0,8 Prozent des BIP; 2023) eine immense Herausforderung.

Wie viel von den 87 Mrd. Euro auf die Städte und Gemeinden entfällt, bleibt in der Studie leider offen. Ihr Anteil am Gesamtvolumen dürfte zwischen jenem an den jährlichen gesamtstaatlichen Investitionen von etwa einem Drittel und dem am in der Studie untersuchten Gesamtvermögen von 45 Prozent liegen. Dementsprechend fehlen also kommunale Investitionen in der Bandbreite zwischen 29 und 39 Mrd. Euro, um das Klimaschutzpotenzial des kommunalen Vermögens zu nutzen.

Beschränkte Finanzierungsmöglichkeiten

Ohne zusätzlichen finanziellen Spielraum ist ein solches Volumen für Städte und Gemeinden – zusätzlich zum Gesamtinvestitionsvolumen von zuletzt rund 5 Mrd. Euro – nicht zu stemmen. Gleichzeitig steigt nämlich auch der Investitionsbedarf für andere Bereiche wie Bildung, Kinderbetreuung oder die Anpassung an stärkere Wetterextreme – und sind die Möglichkeiten für Kürzungen an anderer Stelle gering. Zudem drehte das Finanzergebnis der Städte und Gemeinden 2023 ins Minus – mit -0,4 Prozent des BIP das höchste Defizit seit 2010. Es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend fortsetzt: Gemäß mittelfristiger Finanzprognose des KDZ werden 2024 die Ausgaben nämlich neuerlich deutlich stärker steigen als die Einnahmen. So gaben auch in einer Umfrage des Gemeindebundes (Februar & März 2024) mehr als drei Viertel der befragten Bürgermeister:innen an, dass fehlende Einnahmen bzw. Finanzprobleme in ihrer Gemeinde ein Problem sind.

Ein Blick in die jüngere Geschichte ist besorgniserregend: So fielen die Investitionen von Städten und Gemeinden bis 2011 infolge ähnlich hoher Defizite auf einen Rekordtiefstand von 0,7 Prozent des BIP, obwohl die rasche Erholung die Einnahmen bereits wieder stabilisiert hatte. Erst die Stabilisierung der kommunalen Finanzen durch konjunkturell stärker steigende Ertragsanteile und eine Serie an kommunalen Investitionszuschüssen seitens des Bundes (2017 und 2020) ließen die Investitionsquote der Städte und Gemeinden in den letzten Jahren wieder kontinuierlich steigen. Nun besteht aber die Gefahr neuerlicher Investitionskürzungen bzw. -verschiebungen – die diesmal sogar noch stärker ausfallen könnten, weil die Einnahmensituation eine schlechtere sein wird: So schlagen die Steuersenkungen der Bundesregierung durch – und die konjunkturelle Erholung lässt auf sich warten.

© A&W Blog


Damit dieses Bedrohungsszenario nicht eintritt, wurde seitens der Bundesregierung zwar die Situation nicht grundlegend entschärft, indem die Ertragsanteile für Städte und Gemeinden erhöht worden wären, dafür wurden aber zwei Gegenmaßnahmen gesetzt: 1. Ein weiteres kommunales Investitionsprogramm (KIP 2023), in dessen Rahmen die Städte und Gemeinden für die Jahre 2023 bis 2025 insgesamt 1 Mrd. Euro an Investitionszuschüssen erhalten (davon die Hälfte mit expliziter Klimaschutzauflage). 2. ein sogenannter Zukunftsfonds im Rahmen des neuen Finanzausgleichs, der für Länder, Städte und Gemeinden gemeinsam von 2024 bis 2028 jeweils 1,1 Mrd. Euro pro Jahr bringt (davon 300 Mio. für den Klimaschutz). Möglicherweise kann beides zusammen zwar ausreichend sein, um einen signifikanten Rückgang der Investitionsquote zu verhindern; um das immense Klimaschutzpotenzial aber langfristig ausschöpfen zu können, greifen die Maßnahmen aber jedenfalls zu kurz.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Fiskalregeln ab heuer wieder in Gang gesetzt sind, die für Städte und Gemeinden praktisch keine Verschuldungsmöglichkeit vorsehen. Werden sie nicht analog zur europäischen Ebene geändert (indem zum Beispiel das neue mittelfristige Defizitziel von 1,5 Prozent des BIP auf die Gebietskörperschaften gemäß ihrem Ausgabenanteils verteilt wird), zwingen sie zur sofortigen Konsolidierung (inklusive Ausgleich für vergangene Überschreitungen), also zu Kürzungen oder Abgabenerhöhungen auf kommunaler Ebene in der Größenordnung von 1,5 Mrd. Euro.

Ein kommunaler Investitionsfonds für den sozial-ökologischen Umbau

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Ähnlich wie auf europäischer Ebene, wo neuerlich ein Fonds diskutiert wird, um die zu engen Finanzierungsmöglichkeiten für die gemeinsamen Klimaziele auf unterer Ebene zu erweitern, sollte der Bund Städten und Gemeinden gezielt mehr zuschießen, damit diese ihr Klimaschutz-Investitionspotenzial entfalten können. Analog zur milliardenschweren Umbauförderung für die Industrie soll es daher auch für sie mehr Mittel geben – idealerweise sogar mit einem Zeithorizont bis 2040. Anfänglich sollte die Priorität auf die Sanierung öffentlicher Gebäude gelegt werden, denn diese kann auch die aktuelle Schwäche am Bau adressieren und zu einer geografisch breit verteilten positiven Beschäftigungswirkung führen, die wiederum für Rückflüsse in das Staatsbudget sorgt. Das Investitionsprogramm sollte dann auch zunehmend den Ausbau von Rad- und Gehwegen, des öffentlichen Verkehrs sowie der eigenen Strom- und Wärmeproduktion fördern.

Gestartet werden sollte – unter Berücksichtigung des KIP 2023 und des Zukunftsfonds – mit einem graduell steigenden Gesamtvolumen von bis zu 2 Mrd. Euro pro Jahr bis 2030, das dann beibehalten und in den letzten Jahren bis 2040 ausgeschliffen wird. Gegenüber dem laufenden Investitionsprogramm müssen die Fördersätze – koordiniert mit den Ländern – erhöht werden, da andernfalls die Städte und Gemeinden Probleme bekommen würden, ihren Eigenfinanzierungsanteil aufzubringen. Die Zuschüsse sollten dabei nicht nur nach dem Bevölkerungsschlüssel verteilt werden, sondern auch unter Berücksichtigung des tatsächlichen Klimaschutz-Impacts.

Die längerfristige Perspektive ist wichtig, um abseits von kurzfristigen und punktuellen Schritten das Ziel der Klimaneutralität im Auge zu behalten. Sie ermöglicht eine Abstimmung der Städte und Gemeinden punkto Kapazitäten der Auftragnehmer:innen und ermöglicht gegebenenfalls die Planung entsprechender Kapazitätserweiterungen. Diese Abstimmung ließe sich zu regionalen Transformationsräten wie in Deutschland oder den regionalen Partnerschaften zum gerechten Übergang in Spanien ausbauen, in denen auch Bürger:innen und Sozialpartner (v. a. in ihrer lokalen Ausprägung durch Unternehmensvertreter:innen und Betriebsratsmitglieder) einbezogen werden können, um den konkreten lokalen Herausforderungen besser Rechnung zu tragen.

Mit diesem Grundstock an öffentlichen Aufträgen wäre für Unternehmen auch die Transformation des privaten Sektors leichter zu stemmen: Ein mittelfristig gesicherter zusätzlicher Grundstock an Aufträgen für PV-Anlagen oder bei der thermischen Sanierung ermöglicht die Erweiterung der Kapazitäten der Unternehmen, die private Folgeaufträge erleichtert. Ein positiver Nebeneffekt: zusätzliche Arbeitsplätze – im öffentlichen wie im privaten Sektor; bei Bedarf begleitet von gezielter Qualifikationsförderung, wie etwa dem Klimaschutz-Ausbildungszentrum des AMS NÖ und des bfi oder dem Wiener Pilotprojekt Öko-Booster.

Fazit

Es sind die Städte und Gemeinden, die ein großes ungenutztes Investitionspotenzial im Kampf gegen die Klimakrise aufweisen. Dort anzusetzen bringt den Zusatznutzen, den sozial-ökologischen Umbau konkret vor Ort positiv erlebbar und mitgestaltbar zu machen. Es zeigt zudem, dass die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle übernimmt und zum Motor des Umbaus wird.

Die dafür notwendigen Milliarden relativieren sich durch eine Verteilung bis 2040 und angesichts der Tatsache, dass Investitionen einen mittelfristig relativ hohen Selbstfinanzierungsgrad aufweisen: Sie erhöhen unmittelbar das Geschäft der Auftragnehmer:innen mit entsprechenden Beschäftigungseffekten und führen in der Folge zu weiteren wirtschaftlichen Aktivitäten – wodurch wiederum mehr Steuern und Abgaben in die öffentlichen Kassen zurückfließen und die Ausgaben für Arbeitslosigkeit reduziert werden können. So geht beispielsweise das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung für ein breiter angelegtes Programm in Deutschland von erheblichen positiven Vermögens-, Wachstums- und Beschäftigungseffekten aus, sodass sich ein ambitioniertes Investitionsprogramm letztlich sogar selbst finanziert.

Doch selbst wenn diese Rechnung nicht tragen sollte: Die durch diese öffentlichen Investitionen gewonnene Nachhaltigkeit verbessert nicht nur qualitativ die verfügbare Infrastruktur künftiger Generationen, sondern erhöht ihre Lebensbedingungen und ihr Wohlergehen entscheidend und stattet sie auch quantitativ mit einem höheren öffentlichen Vermögen aus.

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