Die Grenzen der Konversion: Barrieren und Chancen in der Trans­formation der Wirtschaft

14. Februar 2025

Aktuell kämpft die europäische Wirtschaft mit einer hartnäckigen Rezession. Gleichzeitig sind Unternehmen wie Beschäftigte mit einem grundlegenden Strukturwandel konfrontiert. Die Digitalisierung und der Klimaschutz verändern nachhaltige Produktionsprozesse und verlangen dadurch auch einen Wandel der Kompetenzen und Fähigkeiten. In diesen Zeiten des Umbruchs stellen sich viele Fragen. Welche wirtschaftlichen und sozialen Kosten bringt der Wandel mit sich? Welche strategische Richtung soll die Politik einschlagen? Die Situation ist von Unsicherheit geprägt, eröffnet aber gleichzeitig neue Möglichkeiten.

Veränderung erfordert Abschied und Neuanfang

Die Wirtschaft muss sich neu erfinden. Traditionelle, auf fossilen Brennstoffen basierende Strukturen weichen zunehmend nachhaltigen und digitalen Geschäftsmodellen. Während das Wachstum neuer Branchen weitgehend positiv gesehen wird, stellt der Niedergang traditioneller Industrien viele Regionen vor große Herausforderungen. Zahlreiche Arbeitsplätze hängen von diesen Wirtschaftszweigen ab, insbesondere in den Kohlerevieren und der Automobilindustrie in Europa. In den Transformationsdebatten wird deshalb immer häufiger der Begriff der „Konversion“ bemüht. Der Begriff „Konversion“ beschreibt die Umstellung fossiler Geschäftsmodelle auf nachhaltige Produkte und Dienstleistungen. Doch diese Transformation ist komplex und erfordert eine klare Vision, Strategien und langfristige Investitionen.

Veränderung braucht Zeit und Tempo

Gewohnheiten, bestehende Strukturen, eingeübte Verhaltensweisen oder etablierte – und noch immer gewinnbringende – Geschäftsmodelle gezielt zu verändern ist ein mühsamer Prozess. Das gilt sowohl für Einzelpersonen als auch für Unternehmen. Firmen sind oft seit Jahrzehnten auf spezifische Technologien, Produktionsweisen und eine enge Nische von Produkten und Dienstleistungen spezialisiert. Rasante Entwicklungen oder plötzlich notwendig gewordene Umstellungen können vor diesem Hintergrund enorme Herausforderungen darstellen. Je größer die Abweichung vom bisherigen Geschäftsmodell, desto herausfordernder gestaltet sich der Wandel.

Unternehmen stehen vor drei grundlegenden Möglichkeiten:

  1. Diversifikation: Sie erweitern ihr Angebot und integrieren neue Produkte oder Dienstleistungen.
  2. Technologiezukauf: Sie erwerben externe technologische Lösungen oder Know-how, um sich an veränderte Marktanforderungen anzupassen.
  3. Ausgründungen: Sie lagern neue Geschäftsfelder in separate Unternehmenseinheiten aus, um flexibler agieren zu können.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei von der Transformation betroffenen Beschäftigten. Ein Berufswechsel erfordert oft erhebliche Zeit- und Kostenaufwände. Daher sind gezielte Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen notwendig, um Beschäftigte für die Anforderungen einer digitalen und grünen Wirtschaft der Zukunft fit zu machen und den Übergang zu erleichtern. Das Beispiel der „Berufswanderkarten“ kann hier als Ratgeber und Stütze funktionieren. Nur wenn der Wandel als realistisch erreichbar und wirtschaftlich sinnvoll erscheint, werden sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer:innen bereit sein, sich darauf einzulassen.

Unsicherheit bremst notwendige Investitionen

Die Transformation verlangt nach enormen Investitionen in die Umstellung der Produktion, Forschung & Entwicklung, Infrastrukturen, grüne Leitmärkte und die Qualifikation von Arbeitskräften. Ein Bedarf an Investitionen der bisher auf europäischer und nationaler Ebene unzureichend dargestellt wird. Diesen Befund teilte auch erst kürzlich Mario Draghi in seinem Bericht an die Europäische Kommission. Doch gerade Investitionen sind der zentrale wirtschaftliche Treiber für wirtschaftliche Entwicklung. In Zeiten des schnellen Wandels und der Veränderung sind Entscheidungen für oder gegen Investitionen oft mit einer hohen Unsicherheit verbunden. Wenn jedoch unklar ist, ob diese Investitionen langfristig profitabel sind, steigt das Risiko – und viele Firmen zögern, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Fehlende Planungssicherheit kann dazu führen, dass dringend benötigte Investitionen ausbleiben, was den Wandel weiter verzögert und die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.

Standortvorteile und regionale Unterschiede

Der wirtschaftliche Wandel betrifft verschiedene Regionen in unterschiedlichem Maße. Während einige Standorte bereits von der Transformation profitieren und sich als Vorreiter nachhaltiger Technologien positionieren, stehen andere vor massiven Herausforderungen. Regionen, die stark von fossilen Industrien abhängig sind, geraten unter besonderen Druck. Ohne gezielte Maßnahmen drohen dort steigende Arbeitslosigkeit, Abwanderung qualifizierter Fachkräfte und eine negative wirtschaftliche Entwicklung.

Ein weiteres Hindernis sind regionale Unterschiede in der Infrastruktur und im Bildungsangebot. Während wirtschaftlich starke Regionen oft über gut ausgebaute Hochschul- und Forschungslandschaften, Bildungsangebote und eine diverse Unternehmensstruktur verfügen, fehlen in strukturschwachen Gebieten häufig die notwendigen Ressourcen, um eine erfolgreiche Transformation zu unterstützen. Der „Transformationsstress“ fällt dadurch je nach Lage und wirtschaftlicher Struktur unterschiedlich stark aus. Regionale Arbeitslosigkeit, Pendler:innenströme, der Verlust an Kompetenzen in der Region und eine daraus entstehende entwicklungspolitische Abwärtsspirale können die Folge sein.

Wie kann die Transformation der Wirtschaft gelingen?

Trotz der Herausforderungen kann der wirtschaftliche Wandel durch eine klug gestaltete und gezielte Wirtschaftspolitik aktiv gestaltet werden. Dazu muss die Wirtschaftspolitik die oben angeführten Herausforderungen, Zeit, Unsicherheit und regionalen Ungleichheiten, fest in den Blick nehmen. Wesentliche Bausteine dazu sind:

  • Sicherheit und Planung schaffen: Klare politische Rahmenbedingungen (Entwicklungspfade, Technologieklarheit), wie verbindliche Klimaziele und staatliche Förderprogramme, geben Unternehmen die notwendige Sicherheit für langfristige Investitionen.
  • Investitionen und Innovation fördern: Finanzielle Anreize, steuerliche Erleichterungen und staatliche Subventionen können helfen, neue Technologien schneller auf den Markt zu bringen und Investitionsrisiken zu reduzieren. Stichwort: Missionsorientierung in der aktiven Wirtschafts- und Innovationspolitik.
  • Regionale Entwicklung gezielt unterstützen: Besonders betroffene Regionen benötigen spezielle Fördermaßnahmen, um neue Wirtschaftszweige aufzubauen und Arbeitskräfte entsprechend umzuschulen. Dazu gehören gezielte Infrastrukturprojekte, Bildungsprogramme und wirtschaftliche Anreize für Unternehmen, sich in diesen Regionen anzusiedeln (Just Transition). In der Europäischen Union sind daher die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, nationale Just-Transition-Pläne zu erarbeiten. Ob und wie effektiv dies gelingt, liegt dabei in der Hand der Mitgliedstaaten und hängt von der Qualität der erarbeiteten und umgesetzten Maßnahmen ab.

Transformation mit Strategie und einem Fokus auf die Menschen gestalten

Wirtschaftlicher Wandel ist komplex und mit Unsicherheiten verbunden. Unternehmen wie auch ihre Beschäftigten stehen dabei vor großen Herausforderungen. Doch die Transformation bietet auch vielfältigste Chancen. Mit einer vorausschauenden Wirtschafts- und Industriepolitik, gezielten Investitionen und klaren, transparenten und einfachen Regulierungen kann die Transformation gelingen. Dabei muss die Politik vor allem die Menschen mit ihren persönlichen Perspektiven und deren soziale Sicherheit ins Zentrum rücken. Investitionen in den Sozialstaat, Infrastrukturen und Aus- und Weiterbildung werden damit zur Voraussetzung einer sozial gerechten Transformation. Die Wirtschaftspolitik sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene muss das nicht nur endlich erkennen, sondern ihre Schwerpunkte dementsprechend ausrichten. Es bleibt viel zu tun!

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