Die Steuern auf Arbeitseinkommen sind in Österreich im internationalen Vergleich sehr hoch (OECD). Das gilt für alleinstehende Arbeitnehmer:innen und Familien mit Kindern und ohne Kinder gleichermaßen. Um „wachstumsfreundlichere“ Bedingungen zu schaffen und das verfügbare Einkommen der Haushalte zu erhöhen, empfiehlt die OECD steuerpolitische Reformen. Es besteht dabei aber die Gefahr, dass sich Arbeitnehmer:innen diese durch andere Steuern oder geringere öffentliche Leistungen selber bezahlen müssen.
OECD-Empfehlungen zur Verbesserung der Steuerstruktur
Die OECD empfiehlt der österreichischen Regierung einen sehr umfassenden Maßnahmenkatalog, auch hinsichtlich sozialstaatlicher Leistungen, die hier nicht behandelt werden. Die wichtigsten steuerstrukturpolitischen Vorschläge sind: Steuern und Abgaben auf Arbeit sollen um beachtliche 2,0 Prozentpunkte oder 0,8 % des BIP reduziert werden. Als Gegenfinanzierung schlägt die OECD eine Erhöhung der Grundsteuer und eine Erhöhung der CO2-Besteuerung um jeweils 0,4 % des BIP vor. Zudem sollen das Dieselprivileg gestrichen und die Steuersätze auf Benzin und Diesel erhöht werden. Die Immobilienertragssteuer soll gesenkt, eine progressive Erbschaftssteuer eingeführt werden, wobei Letztere nicht primär dem Erzielen hoher Steuereinnahmen dienen soll.
Auswirkungen der OECD-Steuer-Empfehlungen
Mit ihren Empfehlungen nach einer Senkung der Steuern und Abgaben auf den Faktor Arbeit scheint die OECD auf den ersten Blick voll auf Linie mit den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer:innen, also Arbeiterkammern und Gewerkschaften, zu sein. Bei genauerer Betrachtung gewinnt man aber den Eindruck, dass sich die Beschäftigten diese Entlastung des Faktors Arbeit aber durch höhere Abgaben in anderen Bereichen bzw. geringere öffentliche Leistungen zu einem guten Teil selbst zahlen sollen.
Zum einen kommt es bei der Senkung der Abgaben auf Arbeitseinkommen darauf an, was denn nun genau gesenkt werden soll. Senkt man etwa die sogenannten „Lohnnebenkosten“, so entspricht das faktisch einer Lohnkürzung. Denn die Arbeitnehmer:innen würden diese Senkung in Form geringerer sozialstaatlicher „Gegenleistung“ bezahlen, während Unternehmensgewinne stiegen.
Zum anderen kommt es auf die Art der Gegenfinanzierung an. Wenn man etwa die Lohnsteuersätze entlang der Progression senkt und im Gegenzug dafür Steuern und Abgaben erhöht, die einen großen Teil der Arbeitnehmer:innen treffen bzw. auf diese überwälzt werden, so bezahlen sich die Beschäftigten die Lohnsteuersenkung selbst. Die von der OECD empfohlenen Gegenfinanzierungsmaßnahmen scheinen in diese Richtung zu gehen: Erhöhung der CO2-Bepreisung, Abschaffung des Dieselprivilegs, Erhöhung der Mineralölsteuern oder auch die Erhöhung der Grundsteuer werden einen Großteil der Beschäftigten direkt oder indirekt nach Überwälzung der Steuer finanziell treffen.
Eine unvollständige Budget-Analyse
Was die Fiskalpolitik betrifft, kritisiert die OECD Österreichs hohe Budgetdefizite und die „historisch hohe“ Staatsschuldenquote, vergisst aber zu erwähnen, dass dies durch die im Vorjahr und heuer verfügten Senkungen des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 23 Prozent mitverursacht wird. Jedes Jahr gehen dadurch rund 1,2 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren, was die Steuerschieflage zulasten der Arbeitnehmer:innen weiter verschärft. Diesen Einnahmenausfall bezahlen die Beschäftigten entweder durch Kürzungen der staatlichen Leistungen oder in Form von Erhöhungen anderer Abgaben, Gebühren oder Selbstbehalte. Kein Wunder, dass Arbeiterkammern und Gewerkschaften vehement die Rücknahme der Steuersenkungen auf Unternehmensgewinne verlangen.
Gegenfinanzierungen müssen zu Ende gedacht werden
Für eine arbeitnehmerorientierte Politik reicht es nicht aus, eine Entlastung des Faktors Arbeit zu verlangen. Denn dabei bleibt unklar, wer von der Entlastung profitieren bzw. wer die erforderliche Gegenfinanzierung leisten soll. Vielmehr muss es Ziel sein, die Arbeitnehmer:innen so zu entlasten, dass sie durch eine Steuerstrukturreform tatsächlich über höhere Nettoeinkommen – bei gleichbleibenden oder verbesserten öffentlichen Leistungen – verfügen. Eine Reduktion von Steuern und Abgaben auf Arbeit hilft den Beschäftigten nur dann, wenn sie dadurch zum einen höhere verfügbare Einkommen erhalten und zum anderen die begleitende Gegenfinanzierung nicht direkt oder über Umwege wieder selbst bezahlen.
Hohe Steuern auf Arbeit in Österreich
Um die Steuerbeiträge auf Arbeitseinkommen verschiedener Länder miteinander zu vergleichen, werden im OECD-Taxing-Wages-Bericht 2024 verschiedene modellhafte Haushaltstypen analysiert und mit dem Durchschnitt der 38 OECD-Staaten bzw. jenen 22 OECD-Staaten, die gleichzeitig auch Mitglied der Europäischen Union sind (OECD-EU-22), verglichen. Der Steuer- und Abgabenbeitrag wird jeweils als Prozentsatz der Arbeitskosten dargestellt. Die summierten Beiträge setzen sich zusammen aus Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträgen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite zuzüglich etwaiger Lohnsummenabgaben abzüglich Geldtransfers des Staates an Familien (in der Regel für unterhaltspflichtige Kinder). Die Arbeitskosten sind als die Summe aus Bruttolohn, Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung und Lohnsummensteuern definiert.