Wie kann die öffentliche Beschaffung nach­haltiger und regio­naler werden?

11. Februar 2025

Anschaffungen und Dienstleistungen sollten möglichst regional ausgestaltet sein: Kurze Transportwege verbessern den ökologischen Fußabdruck, Qualitätsstandards und Schutzvorschriften sind einfacher zu überprüfen. Es werden lokale Betriebe unterstützt und damit Arbeitsplätze im unmittelbaren Umfeld gesichert. Das gilt insbesondere für Aufträge der öffentlichen Hand, die in der EU rund 14 Prozent des BIP ausmachen. Gleichzeitig hat die Auftragsvergabe im EU-Binnenmarkt transparent und nicht-diskriminierend zu erfolgen. Wie können diese Aspekte im Zuge der anstehenden Vergaberechts-Reform unter einen Hut gebracht werden?

Auswirkung lokaler Ansätze im öffentlichen Beschaffungswesen

Der Fokus auf regional erzeugte Produkte und Dienstleistungen hat unterschiedliche Vorteile. So können Auftraggeber die Einhaltung ökologischer und sozialer Verpflichtungen bei der Vertragserfüllung besser kontrollieren. Abhängig vom jeweiligen Auftrag kann es also dienlich sein, die Beschaffung auf den EU-Bereich oder vielleicht sogar einzelne Regionen im unmittelbaren Umfeld des Auftraggebers zu beschränken. Man denke nur an die Renovierung eines Gemeindekindergartens durch (Klein-)Unternehmen aus der Region.

Die positiven Effekte sind dabei nicht nur sozial-ökologischer, sondern auch ökonomischer Natur: Um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu fördern, empfiehlt u. a. Draghi in seinem Bericht vom Herbst 2024 einen vermehrten Fokus auf nachhaltige Aspekte und die europäische Wertschöpfung, nicht zuletzt, um wirtschaftliche Abhängigkeiten zu reduzieren und europäische industrielle Leitbetriebe zu stärken. Auch bei Forschung und Entwicklung wirken sich Innovationsprojekte und und die damit verbundenen Patente positiv auf eine Region bzw. den Wirtschaftsstandort aus.

EU-rechtliche Rahmenbedingungen der strategischen Auftragsvergabe

Das europäische Vergaberecht geht vom Gleichbehandlungsprinzip aller wirtschaftlichen Akteure aus. Es sind die unionsrechtlichen Grundfreiheiten – insbesondere die Waren- und Dienstleistungsfreiheit – zu beachten. Zudem ist sicherzustellen, dass bei der Ausschreibung bereits alle relevanten Kriterien offengelegt werden (Transparenzgebot).

Aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit eröffnen die EU-Vergaberichtlinien die Möglichkeit, Umweltschutz, soziale bzw. arbeitsrechtliche Aspekte und Innovation zu berücksichtigen. Diese Aspekte können bei der Ausgestaltung der Zuschlagskriterien einfließen – also bei der Entscheidung, welches der grundsätzlich geeigneten Angebote der öffentliche Auftraggeber letztendlich auswählt. Mitgliedstaaten haben damit die Möglichkeit, nicht ausschließlich auf das Preis- oder Kostenkriterium abzustellen (Billigstbieterprinzip), sondern auch strategische Aspekte zu berücksichtigen und sich vermehrt nach qualitativen Ausführungs- und Zuschlagskriterien auszurichten (Bestbieterprinzip). Eine Verpflichtung, anstelle des billigsten Bieters den insgesamt besten zu wählen, fehlt bisher.

Unionsrechtliches Verständnis von Regionalität

Erst kürzlich befasste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der Frage der Regionalität in einem Verfahren rund um den Bau von Eisenbahninfrastruktur in Kroatien. Involviert waren ein Unternehmen mit Sitz in der Türkei und die Bietergemeinschaft Strabag mit Sitz innerhalb der EU, die letztendlich den Zuschlag erhielt. Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die Vorteile neben den EU-Mitgliedstaaten nur anderen Vertragsstaaten des Übereinkommens der World Trade Organisation über das öffentliche Beschaffungswesen – kurz GPA (Government Procurement Agreement) – zukommen. Konkret heißt das: Drittstaaten haben kein Recht auf Gleichbehandlung und Teilnahme am Vergabeverfahren. Darüber dürfen sich auch einzelne Mitgliedstaaten nicht hinwegsetzen.

Damit ist unionsrechtlich eine gewisse Hierarchie erkennbar: Während GPA-Vertragsstaaten wie die USA, Australien, Großbritannien oder die Schweiz den EU-Mitgliedstaaten im Beschaffungswesen weitgehend gleichgestellt sind, kommen diese Vorteile sonstigen Drittstaatsangehörigen nicht zugute.

Der Europäische Gesetzgeber hat im Net Zero Industry Act (NZIA) den Aspekt der Regionalität aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Resilienz bereits geregelt. Bei einer Netto-Null-Technologie oder den erforderlichen Bauteilen sollen nicht mehr als 50 Prozent aus einem Drittland stammen. Laut Sektoren-Richtlinie besteht zudem bei EU-weit auszuschreibenden Lieferaufträgen – also bei Wasser, Energie, Verkehrs- und Postdienstleistungen – die Möglichkeit, einen Anbieter auszuschließen, wenn mehr als die Hälfte des Warenwerts aus Drittländern stammt. Bei gleichem Preis und gleichwertigem Angebot in Hinblick auf die Zuschlagskriterien ist der Ausschluss verpflichtend.

Diskriminierungsverbot und Transparenzgebot lassen es selbstverständliche nicht zu, nationale Unternehmen zu bevorzugen. Das Grundprinzip „Lokal denken – global handeln“ kann dennoch in die öffentliche Beschaffung Einzug halten: In Ausschreibungen sollten vermehrt regionale bzw. lokale Aspekte einfließen. Insbesondere durch entsprechende Gestaltung der Zuschlagskriterien können Auftraggeber die Vergabe „glokal“ gestalten: Das Abstellen auf kurze Anfahrtswege, auf einen niedrigen ökologischen Fußabdruck oder die rasche Verfügbarkeit von Serviceleistungen ist zulässig, sofern der Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand und das Diskriminierungsverbot gewahrt bleiben.

Entlastung von KMUs

Inwieweit kann das Europäische Vergaberecht in Zukunft die Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen an öffentlichen Aufträgen fördern? Die hohe Komplexität der Verfahren führt zu einer starken Marktkonzentration auf Bieterseite. Um dem entgegenzuwirken, sollte die Möglichkeit zur Direktvergabe für Kleinaufträge durch entsprechende Schwellenwerte ermöglicht und ausgedehnt werden. Denn die Renovierung des Gemeindekindergartens beeinträchtigt den zwischenstaatlichen Handel nicht und bewirkt auch keine Handelsverzerrungen, die eine EU-weite Ausschreibung erforderlich machen.

Um KMUs zu entlasten, wären daher die Einführung unbefristeter, indexgebundener Schwellenwerte, unterhalb derer eine Direktvergabe zulässig ist, sowie die Ausweitung der vereinfachten Vergabeverfahren geboten. Denn eine unbürokratische Direktvergabe von Kleinaufträgen trägt auch zum Erhalt von regionalen Arbeitsplätzen bei und stärkt die Konjunktur vor allem in wirtschaftlich benachteiligten Gebieten.

Subunternehmerketten: ein Dauerproblem

Auch die Begrenzung der Anzahl von Subauftragnehmern wird sowohl bei der Frage der Regionalität als auch im Hinblick auf Haftungsfragen immer wieder ins Treffen geführt. Der EuGH bewertete Beschränkungen der Subvergabe auf bestimmte Anteile der Auftragssumme als unzulässig, weil er darin eine Hürde für kleinere und mittlere Unternehmen sah.

Die Begrenzung der Subunternehmerketten ist jedoch ein Element, um den überwiegenden Anteil der Wertschöpfung innerhalb der EU zu generieren und damit positive Impulse für ökologische und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Gleichzeitig können Auftraggeber damit Sozialdumping besser kontrollieren und bekämpfen. Deshalb ist die Beschränkung der Subunternehmerketten eine langjährige Forderung der Arbeitnehmer:innenvertretungen, ebenso wie die Einführung einer Generalunternehmerhaftung.

Blick in die Praxis

Auch in Österreich gibt es bereits seit Längerem unterschiedliche strategische bzw. nachhaltige Beschaffungspolitiken. Der Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung ist für die Bundesministerien und ihre nachgeordneten Dienststellen verbindlich. Diese Ansätze lassen Tendenzen in Richtung einer vermehrten regionalen Beschaffung erkennen. Auch allgemein werden strategische Kriterien hierzulande vergleichsweise oft berücksichtigt: Laut Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs vom Herbst 2024 gehört Österreich zu den wenigen Mitgliedstaaten, in denen die Häufigkeit des Zuschlagskriteriums „niedrigster Preis“ zurückgegangen ist.

Trotz der bestehenden gesetzlichen Spielräume bei der Berücksichtigung des europäischen bzw. regionalen Mehrwerts sowie sozialer und ökologischer regionaler Aspekte werden diese in der Praxis von den öffentlichen Auftraggebern bei Weitem nicht ausgeschöpft. Inwieweit die strategischen Aspekte in der Praxis berücksichtigt werden, hängt daher vom Willen des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers ab.

Ausblick

In ihrem Wettbewerbsfähigkeitskompass hebt die EU-Kommission die Bedeutung der öffentlichen Beschaffung für die europäische Wirtschaft und ihre Vorreiterrolle („lead market“) hervor. Sie evaluiert aktuell in einer öffentlichen Konsultation und Sondierung, wie eine Reform des Vergaberechts erfolgen sollte. Unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und des europäischen Mehrwerts ist daher ein stärkerer Fokus auf sozial-ökologische Kriterien, KMUs und Subauftragnehmer zentral.

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