Scharfe Budget­konsolidierung würde 2025 drittes Rezessions­jahr in Folge bedeuten. Zur aktuellen WIFO-Pro­gnose

20. Dezember 2024

Die neue WIFO-Konjunkturprognose lässt zum Jahreswechsel keinen Optimismus aufkommen. Der Aufschwung kündigt sich weiterhin nur sehr zaghaft an und wäre durch ein großes Kürzungspaket massiv gefährdet. Die Arbeitslosigkeit steigt kräftig. Daher muss die Politik dringend Sicherheit geben und in der Konjunkturschwäche investieren. Gleichzeitig muss der Strukturwandel für gute Beschäftigung für alle genutzt werden.

Stagnation hält an

Und vierteljährlich grüßt das Murmeltier: In der aktuellen Konjunkturprognose hat das WIFO – wie schon in den Quartalen zuvor – seine Wachstumsprognosen reduziert. Die Rezession 2024 weitet sich aus (-0,9%), die Erholung im neuen Jahr fällt zaghafter als erwartet aus (+0,6%). Zwar werden Impulse durch die Bauwirtschaft erwartet, der private Konsum stagniert aber bereits seit dem 2. Quartal 2022. Die steigenden real verfügbaren Haushaltseinkommen (2024: +2,8%, 2025: +1,6%) fließen derzeit primär in steigende Sparquoten. Das kann unterschiedliche Ursachen haben: Erstens schränken Beschäftigte, die ihr Einkommen verlieren oder dies befürchten, ihren Konsum ein. Zweitens haben sich viele Personen vermutlich noch nicht an die Anpassung ihrer Einkommen an die massiv gestiegenen Preise gewöhnt. Und drittens sind insbesondere für Haushalte mit niedrigen Einkommen die Mietbelastungen massiv gestiegen, die wiederum vermögenderen Haushalten mit Immobilienbesitz zusätzliche Mieteinkommen bescheren, dort aber nicht für mehr Konsum sorgen. Als Ergebnis wird eine Sparquote erwartet, die wir in Österreich zuletzt vor der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 gesehen haben und die den Aufschwung verhindert.

Auch von der Außenwirtschaft sind kaum Impulse für die Wirtschaft zu erwarten. Von US-Präsident Trump wird die Einführung von Zöllen erwartet, was das WIFO in der aktuellen Prognose nur in einem vorsichtigen Szenario miteinkalkuliert hat und sich daher in der Prognose erst in den nächsten Jahren negativ auswirken wird. Die Warenexporte in die USA machen ca. 7 Prozent der heimischen Exporte aus. Zusätzlich stehen im Euro-Raum (52 Prozent der österreichischen Warenexporte) eine Reihe von Staaten unter Druck, im Rahmen der wiedereingesetzten EU-Fiskalregeln ihre öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Das wird die internationale Nachfrage nach österreichischen Gütern weiter dämpfen.

Starke Kürzungen würden Rezession verlängern

Auch die innenpolitische Debatte wird von der Budgetkonsolidierung beherrscht. Die aktuelle WIFO-Prognose muss eher als optimistisch gewertet werden, da sie noch keine der derzeit diskutierten Maßnahmen in der Prognose berücksichtigt hat. Dazu das WIFO: „Eine Rückführung des Budgetdefizits auf unter 3% des BIP im Jahr 2025 würde die ohnehin schwache Konjunktur in Österreich weiter dämpfen. Anstelle eines moderaten Wachstums droht in diesem Fall eine neuerliche Rezession.“


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Wird bereits 2025 kräftig und vor allem auf der Ausgabenseite gespart, würde dies nicht nur zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und zu noch stärker steigender Arbeitslosigkeit führen, sondern auch die Steuereinnahmen drücken und den gewünschten Konsolidierungserfolg verhindern. Damit würde der Versuch, trotz übermäßigen Budgetdefizits 2024 ein EU-Defizitverfahren durch scharfe Ausgabenkürzungen zu vermeiden, im Verfehlen aller Ziele münden: Konjunktur abgewürgt, Budgetdefizit nicht ausreichend verringert und deshalb erst recht im Defizitverfahren.

Die neue Bundesregierung ist also gut beraten, zunächst mit großer Vorsicht und auch mittelfristig möglichst beschäftigungsschonend und mit Fokus auf die Einnahmenseite (Kapitalerträge, Vermögen, Erbschaften u. a.) zu konsolidieren, weil dort die negativen Multiplikatoreffekte gering sind.

Lage am Arbeitsmarkt zunehmend schwierig

Derzeit steigt die Arbeitslosigkeit kräftig und viele Beschäftigte bangen um ihren Job. Die Arbeitslosigkeit war im November so hoch wie seit 2020 nicht mehr, aktuell sind 384.000 Menschen beim AMS als arbeitslos gemeldet oder in Schulung. Das sind 55.000 Menschen mehr als vor zwei Jahren. Auf eine offene Stelle kommen über vier arbeitssuchende Personen. Zudem ist die Arbeitszeit je Erwerbstätigen 2024 laut WIFO um ein Prozent gesunken. Die Gründe sind vielfältig: Viele Unternehmen leiden unter der Konjunktur- und Nachfrageschwäche, bei so manchen waren die Gewinnausschüttungen der letzten Jahre viel zu hoch und nun fehlt die finanzielle Resilienz in der Krise, andere sind vom Strukturwandel betroffen. So oder so können die Beschäftigten nichts dafür.

Trotzdem müssen sie es ausbaden und sind im schlimmsten Fall von Langzeitarbeitslosigkeit und einem höheren Armutsrisiko bedroht. Der vom WIFO prognostizierte Anstieg der Arbeitslosenquote auf 7,4 Prozent für 2025 belastet die Budgetsituation zudem doppelt. Einerseits steigen die Ausgaben aufgrund der Arbeitslosigkeit, andererseits fallen die Wertschöpfung und die Lohnabgaben weg. All das verlängert die Konjunkturschwäche.

Mit aktiver Beschäftigungspolitik gegensteuern und Sicherheit geben

Durch aktive und kluge Beschäftigungspolitik können die Auswirkungen des Wirtschaftsabschwungs am Arbeitsmarkt abgefedert werden. Das stärkt die Konjunktur und entlastet das Budget.

Wo Beschäftigte nach der konjunkturellen Schieflage wieder im selben Betrieb beschäftigt sein können, kann die Politik den zeitweisen Arbeitsplatzverlust verhindern. Die neue Bundesregierung, das AMS und die Sozialpartner können auf bestehende Werkzeuge zurückgreifen: zum Beispiel durch den Abbau von Überstunden oder Arbeitszeitverkürzung nach dem Solidaritätsprämien-Modell. Gegen Langzeitbeschäftigungslosigkeit können bewährte Konzepte ausgeweitet werden. Die „Aktion 20.000“ und das Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal haben gezeigt, dass Jobgarantien für Langzeitbeschäftigungslose und ältere Arbeitslose budgetär sinnvoll sind und auch die Gemeinden stärken. Zudem gilt es, neue Lösungen zu finden, wie etwa das Qualifizierungsgeld.

Ein weiterer Lichtblick ist die demografische Entwicklung, denn diese dämpft die Auswirkungen von Rezession und Strukturwandel, da die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Unterschied zu den letzten Jahrzehnten nicht mehr wächst. In den nächsten acht Jahren gehen zum Beispiel die Babyboomer-Jahrgänge der 1960er-Jahre in Pension. Das sollte die Arbeitslosenrate mittelfristig senken, trotz der schrittweisen Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters der Frauen, die das Arbeitskräfteangebot anhebt.

Gleichzeitig steigt aber der Bedarf an Fachkräften, besonders in der Industrie und bei öffentlichen sozialen Dienstleistungen (Gesundheit, Pflege, Elementarpädagogik, öffentlicher Verkehr). Laut einer Studie im Auftrag der AK Wien ist bis 2030 mit einem Ersatzbedarf von 126.000 Personen in der Daseinsvorsorge zu rechnen, 154.000 weitere würde es brauchen, um Personalnotstände zu beheben. Investitionen in die Qualifizierung und Vermittlung von Fachkräften sowie in die soziale Infrastruktur stützen die Konjunktur und haben hohe Beschäftigungseffekte.

Strukturwandel begleiten und nutzen

Nicht alles ist jedoch konjunkturell zu erklären, ein Teil der negativen Dynamik rührt vom Strukturwandel. Die europäische Verbrennerindustrie verliert an Bedeutung, und der in Österreich gewachsene Maschinenbau leidet unter der schwachen globalen Investitionsnachfrage, bei der insbesondere in China fraglich ist, ob die Nachfrage zukünftig selbst befriedigt wird. Die Regierung kann mit aktiver Industriepolitik und begleitender Qualifizierung unterstützen und dafür sorgen, dass sich Beschäftigte ohne Übergangs-Arbeitslosigkeit umorientieren. Dafür ist ein bundesweites „Recht auf Qualifizierung“ in verbesserten Strukturen notwendig. So gut wie alle profitieren davon, wenn Menschen, die jetzt keine, zu wenig oder schlechte Arbeit haben, unterstützt werden, in gute und qualifizierte Arbeit in produktiven Industriebetrieben oder gesellschaftlich relevanten sozialen Branchen zu wechseln. Den Strukturwandel nur mit halbmotivierten Maßnahmen zu begleiten oder ihn gar zu ignorieren wäre ein großer Fehler.

Zu diesem Zweck müssen die für 2025 geplanten Kürzungen im AMS-Budget sofort zurückgenommen werden. Es wäre klug, die Fachkräfte, die jetzt von Kündigung bedroht sind, als Ausbildende zu gewinnen. Darüber hinaus sollte die sozialpartnerschaftlich vereinbarte Qualifizierungsoffensive von Hilfs- zu Facharbeitenden in der Metalltechnik und Elektroindustrie rasch auf andere Branchen ausgeweitet werden. Der AK Umbauplan zeigt, wie der Strukturwandel umfassend im Sinne der Menschen organisiert werden könnte.

Budget vorsichtig sanieren und in gute Arbeit investieren

Die Überwindung der langen Konjunkturschwäche ist die Voraussetzung für einen Erfolg der Budgetkonsolidierung und für einen erfolgreichen Strukturwandel. Gleichzeitig ist der Zeitplan und die Art und Weise der Budgetkonsolidierung entscheidend für die Dauer des Konjunkturtiefs. Deshalb müssen die Verantwortlichen bei der Budgetkonsolidierung Rücksicht auf Konjunktur und Verteilung nehmen. Einnahmenerhöhungen erweisen sich unter beiden Gesichtspunkten als günstiger. Aber auch eine Reihe von Förderungen und Transfers kommt primär oberen Einkommensgruppen zugute und hat geringe Nachfrageeffekte.

Zugleich muss bei der Konsolidierung aber auch Spielraum für Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und die Daseinsvorsorge geschaffen werden. Menschen in gute, produktive und nachhaltige Arbeit zu bringen gehört zu den wichtigsten Zukunftsinvestitionen. Für die Beschäftigten wird Einkommen geschaffen, von dem sie gut leben können, für die guten Unternehmen bedeutet dies die Möglichkeit, gewinnbringende Aufträge annehmen zu können, und gesamtwirtschaftlich wird der gewünschte Strukturwandel erfolgreich umgesetzt.

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