Die radikale Zinswende der Europäischen Zentralbank stellt nicht nur Investitionen, Konjunktur und Beschäftigung auf die Probe, sie bringt auch Gewinner:innen und Verlierer:innen hervor. Zu Ersteren zählt der Bankensektor. Vor großen Herausforderungen stehen hingegen Kreditnehmer:innen, insbesondere in Österreich, wo viele Immobilienkredite variabel verzinst vergeben wurden. Das betrifft auch die Finanzmarktstabilität. Wohnbedarf muss ohne Überschuldung gedeckt werden können. Österreich hat erst spät Maßnahmen ergriffen, die Risiken bei der Vergabe von Immobilienkrediten beschränken.
Rasche Zinsschritte
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat beginnend mit Juli 2022 den Leitzinssatz in einer historisch einmaligen Weise innerhalb von 15 Monaten in bisher zehn Schritten auf 4,5 Prozent angehoben. Dies erfolgte als Reaktion auf angebotsseitige Schocks, ausgelöst durch Lieferkettenprobleme und den Anstieg der Energiepreise nach der russischen Invasion in der Ukraine.
Eine derartig drastische Anhebung hätte allerdings vorausgesetzt, dass eine nachfragebedingte Überhitzung und Überauslastung der Produktionskapazitäten vorliegt. Da dies nicht der Fall ist, besteht nun das Risiko, dass überschießende Zinsschritte die privaten und öffentlichen Investitionen – nicht zuletzt jene, die für die Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und Gesellschaft notwendig sind –, Konjunktur und Beschäftigung übergebührlich bremsen, ohne die Ursachen der Inflation zu bekämpfen.
Zinsschritte wirken schnell am Kreditkanal
Beim Volumen der Kredite zur Eigenheimfinanzierung zeigt sich, dass der Zinskanal sowohl im Euroraum als auch in Österreich rasch und deutlich auf die drastische Zinswende reagiert hat. In Österreich war der Rückgang noch ausgeprägter als im Euroraum, folgte aber auf eine im Wesentlichen seit 2013 überdurchschnittlich hohe Wachstumsrate beim Kreditvolumen. Diese lag im Euroraum in den Jahren 2013 bis 2022 bei rund 3 Prozent, in Österreich hingegen bei rund 5 Prozent. Im Vergleich dazu betrug das BIP-Wachstum zu laufenden Preisen in der gleichen Zeit im Euroraum 3,2 Prozent, in Österreich 3,5 Prozent. Das Volumen der Kredite für die eigenen vier Wände wuchs also nicht nur viel rascher als im Euroraum, sondern auch im Vergleich zum BIP – eine nicht nachhaltige Entwicklung, die auch eine wesentliche Zutat für die Finanzkrise nach dem Kollaps von Lehman Brothers 2008 war.