Ob Spitäler für die Gesundheitsversorgung, Schulen zur Wissensvermittlung, Parks für Spiel und Erholung, öffentliche Verkehrsmittel für klimafreundliche Mobilität – öffentliches Vermögen ermöglicht die soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand und ist die materielle Grundlage für das Wohlergehen der vielen. Es übersteigt in Österreich nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch das private Vermögen der „unteren“ 90 Prozent. Das öffentliche Vermögen auszuweiten und klimafit zu gestalten, erfordert mehr öffentliche Investitionen, vom Bund bis zu den Gemeinden – auch fremdfinanziert.
Öffentliches Vermögen: Zugang für alle und Platz der Begegnung
Spitäler, Bildungseinrichtungen, Sportstätten, Parks, Wälder und Seen, Verkehrswege, die Bahn, Museen, Wasser, Müllplätze, Energieversorger, Gemeindebauten, Bäder, Kinderspielplätze usw. sind zentral für Wohlstand und Wohlergehen. Sie sind in Österreich großteils öffentliches Vermögen, das in der Regel allen zugänglich ist. Würde all das nur privat organisiert und finanziert werden, wäre das Angebot nicht nur kleiner, sondern auch teurer und für viele nicht oder nur schwer leistbar. Die Gesellschaft wäre ärmer an Orten der Begegnung, die nicht sozial selektieren.
Private Vermögen, öffentliche Schulden?
Der Ausbau öffentlichen Vermögens kann einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen leisten, allen voran durch öffentliche Investitionen. Damit kann auch ein Ausgleich zur privaten Vermögenskonzentration geschaffen werden. Je größer das öffentliche Vermögen (und die soziale Absicherung), desto weniger ist man auf eigenes Vermögen angewiesen, um gut leben zu können. Ein offensichtliches Beispiel sind Gemeindebauten, denn die Möglichkeit, günstig hochwertigen Wohnraum zu mieten, macht Immobilienvermögen obsolet.
In den letzten Jahrzehnten nahm der öffentliche Anteil am Gesamtvermögen ab. So schätzt der französische Ökonom Thomas Piketty, dass das öffentliche Nettovermögen (also abzüglich Schulden) in den großen Ländern Europas seit den 1970er Jahren auf zuletzt nur mehr knapp positive Werte zurückging, während die privaten Vermögen auf mittlerweile das Sechsfache des BIP angestiegen sind. Das liegt an den geringen öffentlichen Investitionen und an der Privatisierung öffentlichen Eigentums ab den 1980ern. Damit ging eine Verschiebung der Vermögenseinkommen einher, verstärkt durch die höheren Renditen privater Vermögen bei gleichzeitiger Senkung deren Steuerlast.
Trotz der großen Bedeutung öffentlichen Vermögens dominiert in der öffentlichen Debatte die andere Seite der Bilanz: die öffentliche Verschuldung. Dabei ist gerade für die vielzitierten künftigen Generationen die Ausweitung ihrer Möglichkeiten etwa durch bessere Bildung oder die Abwehr der Klimakatastrophe entscheidend – vor allem angesichts von Neuverschuldungskosten nahe null.
Wie groß ist das öffentliche Vermögen in Österreich?
Einer der Gründe für die geringe Aufmerksamkeit für das öffentliche Vermögen war die lange Zeit schlechte Datenlage. Während die Maastricht-Schulden zeitnahe jedes Quartal veröffentlicht werden, gab es für das Vermögen des Staatssektors lediglich (zeitlich verzögerte) Jahresdaten der Statistik Austria für einzelne Komponenten:
Der „produzierte“ Teil des Sachvermögens (entspricht in etwa dem Sachanlagevermögen einer Unternehmensbilanz) wie beispielsweise Amtsgebäude, Maschinen, Gemeindebauten oder geistiges Eigentum. Der Wert dieser Infrastruktur belief sich 2020 auf 238 Mrd. Euro netto (also nach Abzug der Abschreibungen).
Das nicht produzierte Anlagevermögen, also Grund und Boden (78 Mrd. Euro, letztverfügbarer Wert 2018) sowie natürliche Ressourcen wie Wald und Wasser.
Diese Teile werden allerdings nicht in einer Art konsolidierten Bilanz des öffentlichen Sektors zu einem Gesamtwert zusammengezählt. Dieser ergäbe eine Summe von 508,5 Mrd. Euro (134 Prozent des BIP). Zum Vergleich: 2017 betrug das private Bruttovermögen der vielen – definiert mit allen Einwohner:innen exklusive der oberen 10 Prozent – gemäß OeNB-Erhebungsdaten 484 Mrd. Euro.
Erste Erkenntnisse aus den neuen Bilanzen der Gebietskörperschaften
Die Datenlücke durch fehlende öffentliche Bilanzen wurde nun großteils geschlossen. Seit 2013 gibt es für den Bund eine eigene Vermögensrechnung (Bundesvermögen Ende 2019: 104 Mrd. Euro). Eine Reform der Länder- und Gemeindehaushalte folgte 2015 – allerdings mit einer Übergangsfrist bis zum Vorjahr. Nun liegen erstmals Vermögensbilanzen für alle Gebietskörperschaften vor. Eine Gesamtaufstellung fehlt derzeit, doch nach eigener Auswertung der größten Gebietskörperschaften kommen die Länder (inkl. Wien) auf eine Bilanzsumme von 91 Mrd. Euro und die Landeshauptstädte (ohne Wien) auf weitere 15 Mrd. Euro (alle Werte Ende 2019).
Wenngleich in den Bilanzen der Gebietskörperschaften die Sozialversicherung, die Kammern sowie einige Beteiligungen und nicht bewertete Vermögensteile fehlen und eher konservativ bewertet wurde, so ist das ausgewiesene öffentliche Gesamtvermögen doch beträchtlich. Folgende Grafik stellt das Bundes-, Bundesländer- und Gemeindevermögen je Einwohner:in in den Landeshauptstädten dar: