In unseren Lehrveranstaltungen fragen wir, nachdem wir die Daten zur sehr ungleichen Vermögensverteilung in Österreich präsentiert haben, was die Studierenden denn so denken: Sind die ÖsterreicherInnen für eine Besteuerung von hohen Vermögen? Meist glauben fast alle, dass es eine Mehrheit gegen Vermögenssteuern gibt. Doch alle Meinungsumfragen zeigen, dass eine satte Mehrheit die Einführung einer Abgabe auf Vermögen befürwortet.
Ist eine mehrheitliche Ablehnung der Vermögenssteuer rational?
Eine Ablehnung der Vermögenssteuer durch die breite Bevölkerung wäre auch paradox: Weil Vermögen so stark bei einer sehr kleinen Gruppe konzentriert sind, wären die meisten von Vermögenssteuern nicht betroffen und würden sogar potenziell profitieren – wieso sollten sie dann dagegen sein? Vermögenssteuern sind nicht nur gerecht, weil mit ihnen die Superreichen zur Finanzierung öffentlicher Leistungen beitragen; mit Vermögenssteuern wird der Besitzstand belastet, Leistung aus Arbeit könnte im Gegenzug entlastet werden.
Sogar aus einer individuellen, egoistischen Perspektive ist zu erwarten, dass die meisten Menschen für Vermögenssteuern sind: Weil sie selber keine zahlen würden, aber wegen der starken Konzentration an der Spitze der Verteilung dennoch relevante Beiträge zum Steueraufkommen möglich sind. Kennen also die Menschen die Fakten nicht? Sind sie von der Propaganda weniger Reicher so überzeugt, dass sie sich die Argumentation zu eigen gemacht haben?
Mehrheit will Steuern auf große Vermögen
Es stellt sich heraus: Es gibt kein Paradoxon. Der Fehler liegt in der Einschätzung der Mehrheitsmeinung. Tatsächlich gibt es in Österreich solide Mehrheiten für eine Steuer auf hohe Vermögen. Alle öffentlich verfügbaren Umfragen zeigen, dass eine absolute Mehrheit – in den meisten Umfragen sogar fast eine Supermehrheit von zwei Dritteln – Vermögenssteuern befürwortet. Diese Umfragewerte ziehen sich ohne klare Abweichungen durch alle Zeitungen und Meinungsforschungsinstitute. Die Menschen wissen anscheinend recht genau, wie ihre Interessenslage aussieht; sie identifizieren sich nicht fälschlicherweise mit den Reichen.