Der Steuerwettbewerb hat viele Nachteile. Oft wird aber argumentiert, dass er nichts kostet. Das stabile Körperschaftsteueraufkommen ist aber nur scheinbar ein Beleg dafür. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass der Steuerwettbewerb den Industriestaaten zig Milliarden kostet – auch Österreich.
Die Probleme mit dem Steuerwettbewerb
Unter Steuerwettbewerb versteht man (vereinfacht gesprochen) den Wettbewerb der Regierungen um die attraktivsten steuerlichen Rahmenbedingungen für multinationale Unternehmen. Multinationale Unternehmen verschieben ihr Kapital (Fabriken, Gewinne usw.) steueroptimal in Niedrigsteuerländer. Um dieses Kapital anzulocken und damit die eigenen Steuereinnahmen zu erhöhen, beteiligen sich viele Regierungen an einem Wettrennen um die niedrigsten Steuersätze bzw. die größten Schlupflöcher.
In der wissenschaftlichen Literatur gibt es viel Kritik am Steuerwettbewerb. So konnte der Internationale Währungsfonds zeigen, dass der Steuerwettbewerb die Umverteilungswirkung der Einkommensteuer schwächt, weil mit den Körperschaftsteuersätzen auch die Einkommensteuer(spitzen)sätze zurückgehen. Problematisch ist auch, dass der Steuerwettbewerb zu einer Verschiebung der Steuerlast auf immobile Arbeitseinkommen und Konsum führt. Gerade die relative Mehrbelastung von Arbeit (gegenüber Kapital) hat, abgesehen von Gerechtigkeitsüberlegungen, bekanntermaßen negative wirtschaftliche Konsequenzen. Kritisiert wird auch, dass der Steuerwettbewerb die steuerpolitische Souveränität demokratisch gewählter Parlamente einschränkt. Die daraus resultierenden Steuervorteile für multinationale Großunternehmen führen nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Klein- und Mittelbetriebe, sondern laut Europäischer Kommission auch zu einer Verschlechterung der Steuermoral. Nämlich dann, wenn der Eindruck entsteht, dass multinationale Unternehmen nicht den angemessenen Beitrag zum Steueraufkommen leisten.
Ist der Steuerwettbewerb „gratis“?
Die BefürworterInnen des Steuerwettbewerbs lassen sich von dieser Kritik freilich nicht irritieren. In jeder Diskussion bringen sie das immer gleiche Mantra: Der Steuerwettbewerb sei kein Problem, weil er nämlich nichts kosten würde. Man müsse nur kräftig die Gewinnsteuern senken, dann würden die Unternehmen mehr investieren und zusätzliche Steuereinnahmen produzieren. Letztlich finanziere sich die Steuersenkung von selbst. Als Beleg der These dient dann die Beobachtung, dass trotz sinkender Gewinnsteuersätze das Gewinnsteueraufkommen in den Industriestaaten (relativ zum BIP) konstant geblieben ist. Ein statistisches Faktum, ja, aber kein Beleg dafür, dass der Steuerwettbewerb gratis ist.
Die Lücken in der Argumentation der BefürworterInnen zeigen sich schon aus rechtlicher Sicht. Kapitalgesellschaften können ihre Investitionen als Betriebsausgabe vom steuerpflichtigen Gewinn in Abzug bringen. Ob eine Investition den steuerpflichtigen Gewinn erhöht oder senkt, bestimmt letztlich das Verhältnis von laufenden Kosten (Abschreibung, Zinsen etc) und Kapitalrendite. Gerade in den ersten Jahren einer Investition ist es nicht ungewöhnlich, dass die Kosten den zusätzlichen Gewinn aus der Investition (Kapitalrendite) übersteigen. Die Gegenfinanzierung ist damit nicht null, sondern negativ.
Keine Anzeichen für mehr Investitionen
Dazu kommt, dass die eindimensionale Erklärung der BefürworterInnen auch aus ökonomischer Sicht nicht überzeugt. Tatsächlich gibt es im langjährigen Vergleich trotz sinkender Gewinnsteuersätze keine Anzeichen für eine gesteigerte Investitionstätigkeit der Kapitalgesellschaften. Im Gegenteil, in vielen Industrieländern sind die Investitionsquoten in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Keine Spur davon, dass eine gesteigerte Investitionstätigkeit die gesunkenen Steuersätze kompensieren würde.
Die Antwort auf das vermeintliche Paradoxon (sinkende Steuersätze, stabiles Steueraufkommen) liefert die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer, der steuerpflichtige Gewinn. Die Grafik unten zeigt die Gewinnquote der Kapitalgesellschaften für die G7-Staaten (USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) als bestmögliche Näherung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung an den steuerrechtlichen Gewinn. Seit 1995 ist diese Gewinnquote von rund zwölf Prozent des BIP auf aktuell knapp 15 Prozent gestiegen (mit einem konjunkturellen Höhepunkt im Vorfeld der Finanzkrise). Wenn die Gewinne stärker steigen als das BIP, ist es auch nicht verwunderlich, dass trotz sinkender Gewinnsteuersätze das relative Aufkommen konstant bleibt. Folgt man der wissenschaftlichen Literatur, sind es vor allem drei Trends, die das Körperschaftsteueraufkommen in den letzten Jahren trotz sinkender Steuersätze stabilisiert haben: Verschiebungen von der Einkommensteuer in die Körperschaftsteuer, Gegenfinanzierungsmaßnahmen durch eine breitere Bemessungsgrundlage sowie transnationale Gewinnverschiebungen.