Arbeitslosigkeit ist viel mehr als eine wirtschaftliche Kennzahl. Soziale Scham und Stigmatisierung treffen auf Leistungsorientierung. Alltägliche mediale und öffentliche Debatten sind nicht selten eindimensional und stellen arbeitslose Personen als homogene Gruppe dar. Die Solidarität mit arbeitslosen Personen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht erwerbstätig sind, ist enden wollend, möchte man meinen. Eine inhaltsanalytische Auswertung von 285 Stellungnahmen spiegelt jedoch großteils eine sehr verständnisvolle und reflektierte Haltung wider.
Darf’s ein bisserl fair sein?
An der Online-Umfrage „Darf’s ein bisserl fair sein?“ der Arbeiterkammer im Sommer 2019 zur Arbeitslosenversicherung haben insgesamt 8.942 Personen teilgenommen. Am Ende der Umfrage wurden die Teilnehmenden aufgefordert, individuelle Stellungnahmen zum Thema Arbeitslosigkeit zu verfassen. Über ein Viertel ist dieser Aufforderung nachgekommen, und davon waren über zwei Drittel bereits einmal im Leben mit Arbeitslosigkeit konfrontiert. Dieses große Echo lässt vermuten, dass abseits quantitativer und wirtschaftlicher Darstellungen von Arbeitslosigkeit qualitativen Beiträgen ein großer Wert zugeschrieben wird. Die Ergebnisse der Umfrage liefern ein Meinungsbild, das sich mit den Erkenntnissen aus anderen Studien großteils deckt.
Arbeitslosigkeit und Solidarität
Der Entfall des monatlichen Gehalts durch den Verlust der Erwerbsarbeit bedeutet schwerwiegende finanzielle Einbußen bis hin zu Existenzsorgen. Die Höhe des Arbeitslosengeldes wurde in den letzten Wochen, ausgelöst durch den massiven Anstieg von arbeitslosen Personen infolge der COVID-19-Pandemie vielfach diskutiert: Mit 55 Prozent des täglichen Nettoeinkommens liegt Österreich unter dem OECD-Durchschnitt. Die Hälfte aller arbeitslosen Personen in Österreich gilt als armutsgefährdet. Eine aktuelle Studie des SORA-Instituts zeigt die Spätfolgen von Arbeitslosigkeit auf: 35 Prozent dieser Spätfolgen sind auf die finanzielle Situation zurückzuführen und 20 Prozent auf den psychischen Gesundheitszustand. Respektlosen Behandlungen und regelmäßigen Beschämungserfahrungen ausgesetzt zu sein, birgt die Gefahr von längerfristigen psychischen wie physischen Erkrankungen, wie auch der Leitfaden „Auf Augenhöhe“ der Armutskonferenz bekräftigt.