Im Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung stehen die Patientin und der Patient. Ihre Bedürfnisse sind es, an denen sich das Gesundheitswesen orientieren muss. Dafür braucht es aber ein Naheverhältnis, das die zentralisierte Gesundheitskasse nicht bieten kann. Sowohl für die regionale Gesundheitsversorgung als auch die (Volks-)Wirtschaft sind negative Auswirkungen zu erwarten.
Sieben Millionen Gründe, warum nicht an unserem Gesundheitssystem herumgedoktert werden darf
Die Österreichische Gesundheitskasse wird künftig für sieben Millionen Versicherte zuständig sein. Um gut funktionieren zu können, braucht eine so große Organisation zwangsläufig zusätzliche Strukturen und Hierarchieebenen. Für mehr Effizienz wird damit wohl nicht gesorgt. Gleichzeitig soll laut dem Gesetzesentwurf aber Personal abgebaut werden. Eine Erklärung, wie mehr Effizienz in einer so viel größeren Organisation mit weniger Personal erreicht werden soll, bleibt der Gesetzesentwurf leider schuldig.
Rechnungshof kritisiert Gesetzesentwurf
Kritik am Gesetzesentwurf kam nicht nur von den Gewerkschaften, Arbeiterkammern und Gebietskrankenkassen, denen vorgeworfen wurde, ihren „Pfründen“ nachzutrauern, sondern auch vom Rechnungshof. Aus seiner wirklich sehr lesenswerten Stellungnahme zum Gesetzesentwurf: „Die […] Darstellung der finanziellen Auswirkungen der Reform der Organisation der Sozialversicherungsträger ist aus Sicht des RH als ungenügend zu bezeichnen. Der Nachweis zum Einsparungspotenzial der […] 1 Mrd. EUR fehlt. Die Darstellung […] unterscheidet sich von den öffentlich genannten finanziellen Zielsetzungen, ist unvollständig, basiert auf nicht nachvollziehbaren Grundlagen. Damit ist sie nicht geeignet, dem Gesetzgeber eine aussagekräftige Entscheidungsgrundlage zu bieten.“ Im Zusammenhang mit der angekündigten Reduktion der Verwaltungskosten wies der Rechnungshof dann noch darauf hin, „dass Personalreduktionen ohne entsprechende begleitende Prozessveränderungen, einen unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteil für die Versicherten bewirken könnten.“ Unter Bezugnahme auf die Kosten der Fusion der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Angestellten verwies der Rechnungshof außerdem auf das Risiko, dass ohne weitere Maßnahmen vermeidbare Mehraufwendungen entstehen könnten.
Regionale Versorgung wird gefährdet
Bei der Planung der Gesundheitsversorgung müssen alle regionalen Gegebenheiten und Faktoren berücksichtigt und gewichtet werden. Die österreichischen Bundesländer und deren Bezirke unterscheiden sich oft grundlegend z. B. in geographische Gegebenheiten, die Bevölkerungsstruktur, gesundheitliche und sozioökonomische Voraussetzungen der Bevölkerung, Pendlerbewegungen etc. Oberstes Ziel muss im Sinne der Patientinnen und Patienten eine gleichwertige und bedarfsgerechte Versorgung in allen Regionen sein. Das bedeutet aber gerade nicht, dass die Versorgung überall gleich ausschauen muss – eine ländliche Region mit einem hohen SeniorInnenanteil braucht etwa eine ganz andere Versorgungsstruktur als eine urbane Region. Eine zentrale Planung birgt die große Gefahr, dass Faktoren, die nur Verhandlungspartner vor Ort kennen und beurteilen können, nicht ausreichend Beachtung finden. Es ist zu befürchten, dass insbesondere bevölkerungsschwache Regionen bei einer zentralen Planung die Verlierer sind.
Regionale Innovationen in der Gesundheitsversorgung werden verhindert
Die Entscheidungsfreiheit in Salzburg macht es z. B. möglich, dass die SGKK im Bereich der psychosozialen Versorgung eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern und anderen Versicherungsträgern hat sie hier Schwerpunkte im Bereich der Sachleistungsversorgung gesetzt. Wenn künftig derartige Leuchtturmprojekte abgedreht werden können, wird letztlich Innovation verhindert. Weitere Projekte mit begrenzter Laufzeit sind „Beweg dich“, ein Bewegungsprogramm mit kostenlosem Angebot an Kursen für Versicherte ab 20 Jahren mit Risikofaktoren für Herz-Kreislauf- und Zivilisationskrankheiten sowie ein neues institutionenübergreifendes Angebot für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung in Form einer Therapie mit begleitender sozialer Unterstützung des Umfeldes.
Regionale Wirtschaft verliert
Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Aspekt ist, dass die Sozialversicherungsreform auch regionalwirtschaftliche Auswirkungen hat. Die Gebietskrankenkassen verlieren Einnahmen, weil ihnen nach dem Gesetzesentwurf nur die im jeweiligen Bundesland entrichteten Beiträge zur Verfügung stehen. Im Fall von Salzburg sind das nur rund 85 Prozent der Einnahmen.
Durch die geplante zentrale Beschaffung werden viele regionale Unternehmen ihre Aufträge verlieren, was regionale Arbeitsplätze gefährdet und die regionale Wertschöpfung verringert. Bei den meisten Auftragsvergaben werden künftig die Schwellenwerte für die Direktvergabe überschritten werden, sodass europaweit ausgeschrieben werden muss. Das verursacht Verfahrenskosten, die Vergaben dauern länger und im Worst Case kommen keine österreichischen Unternehmen zum Zug, was wiederum die Wirtschaft schädigt und Arbeitsplätze kostet.
Conclusio für das Gesundheitssystem
Künftige Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung, wie zum Beispiel die Weiterentwicklung der Primärversorgung – insbesondere die Schaffung von Primärversorgungseinheiten –, können zentral aus Wien nur mit erhöhtem Verwaltungsaufwand auf alle Regionen abgestimmt gemeistert werden. Das lässt sich nicht mit der von der Bundesregierung angekündigten schlankeren Verwaltung vereinbaren.
Ein großer Vorteil regionaler Entscheidungskompetenz ist, dass flexibles Handeln möglich ist. Mit der Zentralisierung besteht die Gefahr, dass auf regionale Bedürfnisse der Versicherten nur mehr eingeschränkt und vor allem nicht zeitnah eingegangen werden kann. Oft ist aber genau flexibles und kurzfristiges Handeln notwendig. Insgesamt wird daher eine Verschlechterung der regionalen Gesundheitsversorgung befürchtet.