Grundeinkommen: Debatte muss mit konkreten Zahlen geführt werden!

19. Februar 2019

Das Bedingungslose Grundeinkommen weckt viele Hoffnungen, birgt aber auch Probleme. Vor allem wird viel Geld an Personen ausgezahlt, die es in ihrer aktuellen Situation gar nicht brauchen, weil sie gesund sind, eine Arbeit haben und ausreichend Geld verdienen. Im Unterschied dazu sorgt ein gut ausgebauter Sozialstaat dafür, dass Menschen dann finanziell unterstützt werden, wenn sie es aufgrund ihrer Lebensumstände (z. B. Pension, Arbeitslosigkeit, Krankheit) benötigen.

In der Debatte zur Möglichkeit eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) dominieren oft grundsätzliche und philosophische Betrachtungen über sinnvolle, notwendige und selbstbestimmte Arbeit. Fragen, die allesamt wichtig und interessant sind. Geflissentlich wird die Frage nach der Höhe und der Finanzierung des angestrebten Grundeinkommens übergangen. Ohne einen konkreten Betrag ist eine lösungsorientierte Debatte allerdings sinnlos.

Die Bandbreite der VertreterInnen bzw. der Höhe des Grundeinkommens ist groß. Ein Grundeinkommen von 1.500 Euro monatlich – wie etwa unlängst in der Sendung „Im Zentrum“ (27.1.2019) vorgeschlagen – bietet ganz andere Möglichkeiten als ein Grundeinkommen von 150 Euro monatlich. Während Letzteres ein großzügiges Taschengeld für SchülerInnen darstellt und bei Weitem nicht die Lebenshaltungskosten abdeckt, würden 1.500 Euro monatlich für eine alleinstehende Person ein bescheidenes, für ein Paar ein durchaus angenehmes Leben ermöglichen.

Auch wenn die meisten davon ausgehen, dass der Sozialstaat bei Einführung eines BGE in seiner jetzigen Form erhalten bliebe, stellt dies nur eine Möglichkeit dar: Für manche BefürworterInnen – wie etwa Friedrich August von Hayek – ist die Einführung eines Grundeinkommens gepaart mit dem massiven Rückbau des Sozialstaates.

 Die Finanzierung

Im Eifer der Diskussionen rückt die Frage der Finanzierung oftmals in den Hintergrund.  Sie ist jedoch von zentraler Bedeutung für die Höhe eines Grundeinkommens und die damit verbundenen Änderungen im Steuer- und Sozialsystem. Nichts ist einfacher als ein Bedingungsloses Grundeinkommen von 1.500 Euro einzuführen, wenn man es gleichzeitig mit einer Kopfsteuer von 1.500 Euro finanziert. Diese Maßnahme wäre zwar budgetneutral, aber auch ohne Folgen.

Das Beispiel zeigt aber, dass ohne Diskussion der Finanzierung weder die Machbarkeit noch Auswirkungen eines Grundeinkommens diskutiert werden können. Jede mögliche Form der Finanzierung stößt rasch auf Widerstände, sei es vonseiten der Betroffenen von Leistungskürzungen oder von jenen, die mit zusätzlichen Abgaben konfrontiert sind.

Eine Variante mit konkreten Zahlen

Um die Anforderung nach einer konkreten Höhe zumindest in diesem Beitrag zu erfüllen, wählen wir ein simples Beispiel und rechnen die Auswirkungen für Kinder und PensionistInnen exemplarisch vor: Wir gehen davon aus, dass alle derzeit bestehenden Geldleistungen des Sozialstaates in Österreich (Pensionen, Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe etc.) gestrichen und als bedingungsloses Grundeinkommen an alle ausbezahlt werden. Durch die Beschränkung auf Geldleistungen würde das bestehende Gesundheitssystem weitgehend unangetastet bleiben. Zugleich würde das Volumen nicht über jenes Niveau hinausgehen, dass die österreichische Bevölkerung bereits derzeit für Transferzwecke auszugeben bereit ist.

Die Summe der Geldleistungen für soziale Zwecke in Österreich betrug im Jahr 2017 rund 72 Mrd. Euro. Verteilt man dies gleichmäßig auf alle 8,79 Mio. BewohnerInnen in Österreich, so würde jede Person rund 680 Euro pro Monat (12-mal) erhalten. Im Vergleich dazu erhält eine alleinstehende Person in der Mindestsicherung, die derzeit das letzte soziale Netz darstellt, zumindest 863 Euro (ebenfalls 12-mal).

Die Auswirkungen für Kinder …

Geht man bei den knapp 1,3 Mio. Kindern unter 15 Jahren von einem um zwei Drittel geringeren Bedarf in Anlehnung an die EU-Äquivalenzskala aus, so bekäme jedes Kind 227 Euro (12-mal) und jede bzw. jeder Erwachsene 756 Euro pro Monat (12-mal).

Bei Kindern wäre dann allerdings zu berücksichtigen, dass sie die Leistungen aus Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag verlieren, da ja alle bestehenden Geldleistungen im Gegenzug zur Einführung des Grundeinkommens gestrichen würden. Ausgehend von den Werten für 2017, würde ein Kind unter 15 Jahren also 227 Euro bekommen, dafür aber 138,80 Euro Familienbeihilfe, 58,40 Euro Kinderabsetzbetrag und 8,33 Euro anteiliges Schulstartgeld pro Monat verlieren, es bliebe eine Erhöhung von knapp 22 Euro. Ein Kind mit einer starken körperlichen oder geistigen Behinderung würde hingegen auch die erhöhte Familienbeihilfe von 152,9 Euro verlieren und mit einem Verlust von etwas über 131 Euro aussteigen.

… und AusgleichszulagenbezieherInnen

Erwachsene bekämen dann 757 Euro pro Monat (12-mal). Dadurch würde es für alleinstehende AusgleichszulagenbezieherInnen („MindestpensionistInnen“) jedenfalls finanziell enger. Sie bekamen 2017 nach Abzug der Sozialversicherung, die ja weiterhin für Gesundheitsleistungen bezahlt werden müsste, insgesamt 844 Euro pro Monat, allerdings 14-mal im Jahr.

Verteilt man die Ausgleichszulage in der geltenden Form für Vergleichszwecke auf zwölf Monate, dann ergibt es 985 Euro pro Monat. Diese Gruppe würde also pro Monat 229 Euro (12-mal) weniger bekommen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

*Sämtliche Beträge sind zu Vergleichszwecken auf 12 Monate gerechnet.
**Annahme: Alle Geldleistungen des Staates für Soziales werden durch BGE ersetzt.
***Die genaue Höhe variiert nach Bundesland.
Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnungen

 

Bei Haushalten mit zwei Erwachsenen, die eine Ausgleichszulage beziehen, wäre es nicht ganz so schlimm. Sie erhielten 2017, wiederum auf 12 Monate verteilt, gemeinsam monatlich 1.477 Euro Ausgleichszulage und würden 1.520 Euro Grundeinkommen beziehen und somit im Monat um 35 Euro mehr. Trotz dieser Steigerung gegenüber dem derzeitigen System kann man dies kaum als grundlegende Veränderung bezeichnen, nach der sich viele BefürworterInnen des Grundeinkommens sehnen.

Menschen mit Behinderungen verlieren

Wenn zumindest eine Person dieses Ehepaares mit Ausgleichszulage zusätzlich Pflegegeld bezieht, wird es allerdings grimmig. Bereits in Pflegestufe 1 entgingen dem Paar mehr als 120 Euro monatlich. Mit steigender Pflegebedürftigkeit könnte sich das Paar keine bezahlte Pflege mehr leisten, und es müssten Angehörige diese Tätigkeiten unbezahlt übernehmen.

Die großen Verlierer einer solchen Umstellung wären unter anderen PensionistInnen, die derzeit mehr als die Mindestpension beziehen, immerhin mehr als 90 Prozent der PensionsbezieherInnen. Sie würden ihre erworbene Pension verlieren und gegen 757 Euro pro Monat (12-mal) tauschen. Dies würde für die meisten PensionistInnen drastische Einschnitte in ihrem Lebensstandard bedeuten und Altersarmut zum Massenphänomen machen. Gleichzeitig müssten die Beiträge der Erwerbstätigen in das Pensionssystem aber erhalten bleiben, um die Höhe des Bedingungslosen Grundeinkommens von 757 Euro gewährleisten zu können.

Das zentrale Problem des Bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass viel Geld an Personen ausgezahlt wird, die es in ihrer aktuellen Lebensphase nicht brauchen, weil sie gerade gesund sind, eine Arbeit haben und Geld verdienen. Der Großteil der Leistungen würde nämlich an aktive Beschäftigte gehen, die dann anstelle eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld und öffentlicher Pension nunmehr eine pauschale Beitragsrückvergütung bekämen. Die Absicherung im Alter oder für den Fall der Arbeitslosigkeit müssten sie sich durch private Ersparnisse und Kapitalanlagen sichern.

In der dargestellten Variante beraubt man sich der Vorzüge des Sozialstaates, der neben der breiten Absicherung für alle insbesondere auch für jene Menschen die notwendigen Sach- und Geldleistungen bereitstellt, die sich in einer der vielen schwierigen Lagen befinden, die im Laufe eines Lebens eben passieren können (z. B. Arbeitslosigkeit, Krankheit).

Fazit

Die Komplexität sozialstaatlicher Absicherung (etwa bei chronischer Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Familiengründung, Alter etc.) unter budgetären Einschränkungen kann nicht einfach durch einen einzigen Transferstrom ersetzt werden, ohne dass es zu sozialen Verwerfungen und drastischen Einschränkungen für ohnehin bereits durch Schicksalsschläge strapazierte Personen kommt.

Die Debatte um das Bedingungslose Grundeinkommen hat natürlich noch viele weitere spannende Aspekte, die an dieser Stelle nicht eingehend beleuchtet werden konnten (wie etwa die Verteilungswirkungen). Eine seriöse Diskussion kann jedoch nur geführt werden, wenn sowohl die Höhe des Grundeinkommens als auch die Finanzierung bzw. der etwaige Wegfall anderer Leistungen umfassend dargestellt wird.