Wie enkelfit und effizient ist das öster­reichische Pensions­system im inter­nationalen Vergleich?

13. März 2025

Eine aktuelle Studie von Eco-Austria vergleicht elf europäische Pensionssysteme und kommt zum Schluss, dass die Niederlande, Dänemark und Schweden mit ihren Systemen führend sind, weil sie eine starke zweite Säule mit Kapitaldeckung entwickelt haben. Umlagesysteme wie das österreichische wären hingegen mit steigenden Ausgaben und sinkenden Leistungen konfrontiert. Ein kritischer Blick auf die Studie offenbart die Schwächen der vermeintlichen „Top-Länder“.

Fragwürdige Studienergebnisse der Eco-Austria-Studie: Die Schwachstellen der vermeintlichen „Top-Länder“

Die Studie „Pension systems in Europe: challenges and best practices“ wurde von Eco-Austria im Auftrag der Erste Bank Stiftung und der Vienna Insurance Group durchgeführt. Wenig überraschend kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Einbeziehung kapitalgedeckter Komponenten die Pensionen nachhaltig sichern könne, dies auch unter Berufung auf die Pensionssysteme in den Niederlanden, Dänemark und Schweden. Eine detaillierte Analyse der Arbeiterkammer zeigt schwere Mängel in der Methodik der Studie und auch die Studienergebnisse sind nicht haltbar. Dies gilt insbesondere für die in der Studie gelobten „Top-Länder“. Für ihre Pensionsleistungen zahlen die Versicherten in Schweden, den Niederlanden und Dänemark einen hohen Preis. Die relevantesten Schwächen dieser Pensionssysteme sind:

  • Das Pensionsantrittsalter wird in unzumutbare und unrealistische Höhen gehoben.
  • Die Beitragszahlungen in beide Säulen liegen in Summe deutlich über dem österreichischen Niveau.
  • Die bereinigte Abgabenquote ist in allen drei Ländern deutlich höher als in Österreich.
  • Trotz der hohen Beitragszahlungen und des späten Pensionsantritts steigen die Gesamtaufwendungen für Pensionen.
  • Die Aufwendungen für Invalidität sind deutlich höher als in Österreich.
  • Hinterbliebenenpensionen sind in den drei Ländern nicht vorgesehen.
  • Arbeitnehmer:innen, die nicht von Kollektivverträgen erfasst sind, und alle Selbstständigen sind in die zweite Säule nicht einbezogen.

Hohe Verwaltungskosten

Insgesamt erweisen sich die scheinbar effizienten Systeme mit hoher Kapitaldeckung als äußerst ineffizient. Mit enormem Mitteleinsatz werden zwar gute Pensionen finanziert, aber nur für eine kurze Bezugsdauer und nur für einen Teil der Erwerbstätigen. Einer der Gründe für die Ineffizienz dieser Pensionssysteme liegt in den enorm hohen Verwaltungskosten der Kapitaldeckung. So zeigt eine Analyse der Hans Böckler Stiftung für den niederländischen Pensionsfonds Verwaltungs- und Investitionskosten im Jahr 2020 in einer Größenordnung von 23 Prozent der einbezahlten Beiträge bzw. fast 30 Prozent der ausbezahlten Renten. Im österreichischen Pensionssystem betragen die Verwaltungskosten hingegen nur 1,3 Prozent. Das bedeutet: 98,7 Prozent der Beiträge fließen in Leistungen für die Versicherten.

Die Abgabenquoten im Vergleich

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In Österreich wird permanent über die hohe Abgabenquote diskutiert. Kaum ein anderes Land verlange von seinen Bürger:innen derart hohe Abgaben, weshalb die Lohnnebenkosten gesenkt werden müssten, lautet die Erzählung. Dabei wird übersehen, dass Steuern und Abgaben – darunter auch Sozialversicherungsbeiträge – bei der Berechnung der Abgabenquote nur erfasst werden, wenn sie an staatliche Einheiten gezahlt werden. Bezieht man in den Vergleich auch Abgaben in Pensionskassen mit ein, rückt Österreich jedoch plötzlich ins Mittelfeld. Besonders stark ist der Effekt von Sozialbeiträgen an private Träger in den Vergleichsländern Niederlande, Dänemark und Schweden. Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen zahlen dort hohe aufgrund von Kollektivverträgen verpflichtende Beiträge an Pensionskassen. Die Berücksichtigung dieser Zahlungen macht deutlich, dass die Finanzierung von Staat und sozialer Sicherheit in allen entwickelten Volkswirtschaften Geld kostet. Österreich zeigt gegenüber Volkswirtschaften mit vergleichbarem Wohlstandsniveau keine besonderen Auffälligkeiten hinsichtlich der Kostenbelastung der Bürger:innen.

Welche Pension bekommt man wann zu welchem Preis? Pensionssysteme im Vergleich

Im Folgenden werden Pensionsalter, Pensionsausgaben und Beiträge sowie Leistungsniveau in Österreich, Schweden, den Niederlanden und Dänemark verglichen. Die Vergleichsdaten stammen überwiegend aus dem Ageing Report 2024 und bezüglich Leistungsniveau aus dem OECD-Report Pensions at a Glance 2023.

Pensionsalter

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Österreich:

Das Regelpensionsalter liegt für Männer bei 65 Jahren und ist für Frauen im Steigen begriffen, sodass es für ab 1.7.1968 Geborene auch 65 Jahre beträgt. Das effektive Pensionsalter liegt bei Männern derzeit bei 63 Jahren, bei Frauen bei 61,4 und soll für alle auf 63,6 ansteigen.

Niederlande:

Das Regelpensionsalter für Männer und Frauen betrug 2024 67 Jahre. Es gibt einen Pensionsautomatismus, demgemäß das Pensionsalter auf Basis des aktuell erwarteten Anstiegs der Lebenserwartung mit 65 Jahren bis zum Jahr 2070 auf 69 Jahre und 9 Monate ansteigt.

Das effektive Pensionsalter ist bei Männern und Frauen derzeit bei 65 und soll auf 67,8 Jahre ansteigen.

Dänemark:

Das aktuelle Pensionsalter ist mit 67 Jahren geregelt, für Geburtsjahrgänge ab 1970 steigt es auf 70, für Geburtsjahrgänge ab 1978 auf 71 ½, für Jahrgänge ab 1987 auf 73 und für Jahrgänge ab 1996 auf 74 Jahre. Ein vorzeitiger Pensionsantritt ist dann mit 71 Jahren möglich. Dieser Anstieg resultiert aus einem Pensionsautomatismus, der eine Bezugsdauer der Alterspension über die Generationen bei 14,5 Jahren stabil halten soll. Der durchschnittliche Pensionsantritt erfolgt aktuell mit 65,3 Jahren und soll auf 69 Jahre gesteigert werden.

Schweden:

Das Regelpensionsalter liegt derzeit bei 66 Jahren und steigt schrittweise auf 70 an. Der Anstieg orientiert sich an der steigenden Lebenserwartung, wovon zwei Drittel zum Anstieg des Pensionsalters führen. Der frühestmögliche Antritt ist jeweils drei Jahre davor. Derzeit ist ein flexibler Pensionsantritt ab 63 und in Zukunft ab 67 möglich. Ein:e Arbeitnehmer:in ist berechtigt, bis zum 69. Lebensjahr im Erwerbsleben zu stehen. Das effektive Pensionsalter liegt bei Männern und Frauen derzeit bei 64,5 Jahren und soll auf 66,7 ansteigen. Ein flexibler Pensionszugang ermöglicht zum einen ein Weiterarbeiten trotz Pension (ab 63, schrittweise ansteigend auf 67) und den Bezug einer Teilpension im Ausmaß von 25, 50 und 75 Prozent.

Pensionsausgaben und Beiträge

Österreich:

Die Ausgaben für das öffentliche Pensionssystem betragen inkl. Ausgaben für Ausgleichszulage (0,3 Prozent) und Rehabilitationsgeld (0,1 Prozent) 13,7 Prozent des BIP. Die Ausgaben sollen auf 14 Prozent ansteigen. Die Pensionsversicherungsbeiträge belaufen sich auf 9,8 Prozent des BIP – davon 8,8 Prozent Pflichtbeiträge der Dienstnehmer:innen (DN) und Dienstgeber:innen (DG) – und bleiben stabil. Die Bundesmittel betragen aktuell 3,6 Prozent, erreichen 2030 einen Höhepunkt von 4,8 Prozent und sinken dann ab 2050 auf 3,8 Prozent.

Niederlande:

Die Ausgaben für das öffentliche System betragen 7,3 Prozent des BIP und für das kapitalgedeckte System 5,3 Prozent des BIP, in Summe 12,6 Prozent. Die Ausgaben sollen auf 14,4 Prozent ansteigen. In Summe zahlen DN und DG 10,6 Prozent des BIP an Beiträgen für das öffentliche und private Pensionssystem.

Dänemark:

Die Ausgaben für das öffentliche System betragen circa 9 Prozent des BIP und für das kapitalgedeckte System 4 Prozent des BIP, in Summe 13 Prozent. Die Beiträge belaufen sich auf 6 Prozent des BIP für die privaten und 9 Prozent für das öffentliche System, in Summe 15 Prozent des BIP. Die Beiträge sollen bis 2070 auf 12,2 Prozent sinken.

Schweden:

Die Ausgaben für das öffentliche System betragen 7,4 Prozent des BIP und für das kapitalgedeckte System 2,3 Prozent des BIP, in Summe 9,7 Prozent. Die Ausgaben sollen auf 10,3 Prozent ansteigen. Die Beiträge betragen ca. 9 Prozent des BIP. Invaliditätsleistungen werden über die steuerfinanzierte Krankenversicherung abgewickelt. Hinterbliebenenpensionen fallen nicht ins Gewicht. Von Gutverdienenden ist in Schweden ein Beitrag von 30 Prozent der Einkommensteile über der Höchstbeitragsgrundlage zur Finanzierung der Betriebspensionen zu zahlen.

Leistungsniveau

Die OECD vergleicht die Leistungsniveaus der Pensionssysteme mit standardisierten Erwerbsverläufen. Die Annahme ist, dass vom 22. Lebensjahr bis zum Regelpensionsalter des jeweiligen Landes durchgehend ein bestimmtes Erwerbseinkommen erzielt wird. Die Leistungsniveaus untergliedern in Niedrigverdiener:innen (= ½ des Durchschnittseinkommens), Durchschnittsverdiener:innen und Gutverdiener:innen (= doppelte Durchschnittseinkommen). Mit der Einkommensersatzrate wird angegeben, wie hoch die Pension gemessen an dem vor der Pension erzielten Einkommen ist.

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Österreich:

In Österreich erhält eine Standardperson, die vom 22. bis zum 65. Lebensjahr erwerbstätig ist, als Niedrigverdiener:in 74,1 Prozent, als Durchschnittsverdiener:in ebenfalls 74,1 Prozent und als Gutverdiener:in 55,9 Prozent als Bruttoersatzrate.

Niederlande:

Die staatliche Pension („Erste Säule“) erhält jede:r Einwohner:in ab dem Regelpensionsalter. Sie ist abhängig von der Aufenthaltsdauer. Die volle Pension gebührt nach 50 Jahren Aufenthalt in den Niederlanden bzw. Erwerbstätigkeit etc.

80 Prozent der Pensionsbezieher:innen der Ersten Säule erhalten eine Ergänzung zu ihrer Pension aus einem Pensionsfonds („Zweite Säule“), einem auf Sozialpartnerebene verhandelten, verpflichtenden System.

Eine Standardperson, die vom 22. bis zum 70. Lebensjahr 48 Jahre erwerbstätig ist, erhält als Niedrigverdiener:in 87,3 Prozent als Bruttoersatzrate, als Durchschnittsverdiener:in 74,7 Prozent und als Gutverdiener:in 68,4 Prozent.

Dänemark:

Die staatliche Pension erhält jede:r Einwohner:in ab dem Regelpensionsalter. Sie ist abhängig von der Aufenthaltsdauer. Die volle Pension gebührt bei einer Aufenthaltsdauerdeckung von 9/10 der Zeitspanne vom 15. Lebensjahr bis zum Regelpensionsalter. Die Ersatzrate aus dem öffentlichen System beträgt aktuell rund 30 Prozent und soll auf 25 Prozent sinken. Im privaten System sind nur 80 Prozent der Bevölkerung abgedeckt.

Eine Standardperson, die vom 22. bis zum 74. Lebensjahr 52 Jahre erwerbstätig ist, erhält als Niedrigverdiener:in 116,6 Prozent als Bruttoersatzrate, als Durchschnittsverdiener:in 73,1 Prozent und als Gutverdiener:in 53,1 Prozent.

Schweden:

Eine Standardperson, die vom 22. bis zum 70. Lebensjahr 48 Jahre erwerbstätig ist, erhält als Niedrigverdiener:in 62,3 Prozent als Bruttoersatzrate, als Durchschnittsverdiener:in 62,3 Prozent und als Gutverdiener:in 76,4 Prozent.

Ein Pensionsaufschub von 65 auf 67 bedeutet in Schweden z. B. für eine 1958 geborene Person eine Erhöhung der Leistung um 6,9 Prozent (weiters kommen die neuen Beiträge hinzu). In Österreich beträgt der Bonus für einen Aufschub um 2 Jahre 10,2 Prozent.

Das österreichische Pensionssystem ist enkelfit und effizient

Österreich hat sich trotz des hohen nationalen und internationalen Drucks sein umlagefinanziertes öffentliches Pensionssystem bewahrt. Gerade der Vergleich mit Schweden, Dänemark und den Niederlanden zeigt die Vorteile unseres Pensionssystems. Österreich bietet auch für junge Menschen ein gutes Pensionsniveau kombiniert mit einem Regelpensionsalter von 65 Jahren, vorzeitigen Pensionsmöglichkeiten mit klaren Abschlägen für Schwerarbeiter:innen und Langzeitversicherte sowie hohen Anreizen für einen Pensionsaufschub. Österreich besteht den internationalen Vergleich trotz einer großzügigen Hinterbliebenenversorgung. Vor allem ist das österreichische Pensionssystem höchst effizient, fast 100 Prozent der Beiträge fließen direkt in Leistungen. Das ist wohl der größte Strukturvorteil zu den Vergleichsländern Schweden, Niederlande und Dänemark, in denen riesige Pensionsfonds mit enormen Verwaltungs-, Vertriebs- und Managementkosten die Alterssicherung wesentlich mitorganisieren. Zudem müssen – bei Einberechnung der Pensionskassenbeiträge – in diesen Ländern höhere Abgaben als in Österreich geleistet werden. Zusammenfassend bieten die Pensionssysteme in Schweden, den Niederlanden und Dänemark trotz höherer Beiträge nur einen späteren Pensionsantritt ohne bessere Leistungen. Ein solches Konzept kann für Österreich kein Vorbild sein. Die Herausforderung der Zukunft besteht in der Anhebung des faktischen Pensionsalters. Hier hat Österreich über die Hebung der Beschäftigungsquoten der 60- bis 64-Jährigen ein Riesenpotenzial, das nur gemeinsam mit Arbeitgeber:innen gehoben werden kann.


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