22 Prozent mehr Beitrag für eine 0 bis 5 Prozent höhere Pension? – Eine seltsame Empfehlung!

06. Februar 2025

Eine WIFO-Publikation im Auftrag des Fachverbandes der Pensionskassen zeigt angeblich, dass die zweite Säule – also Zusatzpensionen bei eben jenen privaten Pensionskassen – „enormes Potenzial“ zur Sicherung des Lebensstandards im Alter habe und obendrein die Ungleichheit reduziere. Insbesondere Geringverdiener:innen würden profitieren, so die Argumentation. Leider reiht sich dieser WIFO-Beitrag in eine Reihe methodisch tendenziöser „Studien“ ein, die u. a. mit völlig unrealistischen Annahmen die vermeintliche Vorteilhaftigkeit finanzmarktabhängiger Pensionen „belegen“ (wollen). Wieso dies eine völlig falsche Schlussfolgerung ist, erklären wir in diesem Beitrag.

Die Berechnungen des WIFO ergeben, dass ein Beitrag von 2,5 Prozent des Gehalts in eine Pensionskasse die Gesamtpension angeblich um bis zu 19 Prozent erhöhe. Die 2,5 Prozent werden durch die Arbeitnehmer:innen durch Bezugsumwandlung also Reduktion des laufenden Entgelts und dementsprechende Einzahlung – finanziert. „Die betriebliche Zusatzpension bietet (somit) enormes Potenzial, das Alterseinkommen in Österreich langfristig zu sichern und gerechter zu gestalten – gerade Geringverdienerinnen und Geringverdiener würden von einer Pensionskassen-Lösung profitieren“, so WIFO-Direktor Felbermayr bei der Studienpräsentation, die gemeinsam mit dem Obmann des Fachverbandes der Pensions- und Vorsorgekassen erfolgte. Die diesen Aussagen zugrunde liegenden Berechnungen basieren jedoch nicht nur auf abwegigen Annahmen, sie sind auch durch methodische Fehler erheblich verzerrt. Die vermeintlichen Erhöhungseffekte werden so massiv überhöht ausgewiesen. Darüber hinaus lassen sich auf Basis der den Berechnungen zugrunde gelegten Annahmen auch keinerlei seriöse Aussagen über die tatsächlichen Auswirkungen für Niedrigeinkommens- bzw. Niedrigpensionsbezieher:innen treffen.

Weit überhöhte Renditeannahmen

Als jährliche Nettoveranlagungsrenditealso nach Abzug sämtlicher Kosten – wird in der WIFO-Studie für die zukünftigen rund 70 Jahre ein Wert von 4,74 Prozent (!) angenommen. Begründet wird dies damit, dass das geometrische Mittel der Veranlagungsrendite seit der Gründung 1991 laut Pensionskassen einen Wert in dieser Höhe – allerdings ohne Bereinigung um sämtliche Kosten – ergibt. Ab 1998 kann man zwar auch auf gesicherte Daten der OeKB (Österr. Kontrollbank) zurückgreifen (ebenfalls ohne vollständige Kostenerfassung), in den Durchschnittswert ab 1991 gehen aber auch noch die sehr hohen Veranlagungserträge aus den 1990er Jahren (Aktienhausse bis zum Platzen der Dotcom-Blase) ein. Für Pensionskassenberechtigte ist das jedoch kaum relevant, da damals noch sehr wenige Menschen in Pensionskassen einbezogen waren und das veranlagte Kapital dementsprechend sehr gering war. Der Anteil der Anwartschaftsberechtigten an allen unselbstständig Erwerbstätigen liegt aktuell bei rund 23 Prozent, im Schnitt der 90er-Jahre lag er bei 3 Prozent, 1991 gerade einmal bei 0,7 Prozent.

Gleichzeitig wird für den gesamten zukünftigen Berechnungszeitraum eine durchschnittliche jährliche Dynamik der Nominaleinkommen und damit eine Aufwertung der Ansprüche in der Pensionsversicherung in der Höhe von 3,2 Prozent unterstellt. Dem liegt eine Inflationsannahme von 2 Prozent und eine angenommene Reallohnsteigerung von 1,2 Prozent zugrunde.

Mit der angenommenen nominalen Netto-Rendite (nach sämtlichen Kosten) für den gesamten Berechnungszeitraum von 4,74 Prozent, also nach Abzug der Inflation real netto rund 2,7 Prozent, wird somit durchgehend eine reale Nettorendite im Ausmaß von 225 Prozent der allgemeinen Reallohnsteigerung (1,2%) unterstellt! Aus unserer Sicht ist das eine völlig abwegige Annahme! Der so konstruierte erhebliche Zins/Lohn-Abstand in der Höhe von 1,5 Prozentpunkten suggeriert eine mit der Dauer der Erwerbstätigkeit in den Modellverläufen zunehmende Vorteilhaftigkeit („Zinseszinseffekt“) der finanzmarktabhängigen gegenüber umlagefinanzierten Systemen. Der Effekt wird durch unplausibel niedrige „typische Einstiegsalter“ und die Annahme der durchgehenden Erwerbstätigkeit ohne jegliche Unterbrechung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zusätzlich verstärkt.

Das Zugrundelegen derart hoher Nettorenditeannahmen bei den WIFO-Berechnungen verwundert auch deshalb, weil der Studienautor als Projektleiter des österreichischen Teils der sehr wichtigen Initiative „Better Finance“ selbst wertvolle Analysen zur empirischen Nettoperformance der betrieblichen Altersvorsorgesysteme in Österreich durchgeführt hat. Die Berechnungen im letztaktuellen Report ergeben dabei für den Beobachtungszeitraum 2002 bis 2023 eine durchschnittliche reale Nettoperformance der Pensionskassen (nach Kosten vor Steuern) von 0,3 Prozent jährlich (statt 2,7%)! Der kumulierte reale Wertzuwachs über den gesamten über zwanzigjährigen Zeitraum betrug gerade einmal 6,5 Prozent. Auf Basis der den WIFO-Berechnungen für den Pensionskassenverband zugrunde gelegten Annahmen ergäbe sich über denselben Zeitraum demgegenüber ein kumulierter realer Wertzuwachs von über 75 Prozent!

Das Ergebnis für den Zeitraum 2002 bis 2023 ist offensichtlich durch den massiven Einbruch im Jahr 2022 deutlich mitgeprägt, aber massive Schwankungen sind eben auch Teil der Realität von finanzmarktbasierten Vorsorgeprodukten und werden auch in Zukunft vorkommen. Und auch vor dem Einbruch 2022 lag der bis dahin kumulierte realisierte reale Wertzuwachs mit rund 30 Prozent nicht einmal halb so hoch, wie auf Basis der WIFO-Annahmen errechnet! Die den Berechnungen zugrunde gelegten Renditeannahmen sind damit evident als deutlich überhöht einzuschätzen!

© A&W Blog


Außerdem muss erwähnt werden, dass in der Studie angenommen wird, dass Arbeitnehmer:innenbeiträge im Gegensatz zur derzeitigen Situation steuerlich wie Arbeitgeberbeiträge behandelt werden. Das bedeutet, dass die Beitragszahlung die Lohnsteuerbemessungsgrundlage reduziert und erst die Pension in der Auszahlungsphase besteuert wird. Die – in weiterer Folge zu überprüfende – ausgewiesene deutliche Erhöhung der Bruttopension würde daher netto jedenfalls geringer ausfallen.

Nicht repräsentative (oder irreale?) Erwerbsverläufe

Den Berechnungen des WIFO wurden darüber hinaus Erwerbsverläufe zugrunde gelegt, durch die realistische Verhältnisse nicht annähernd abgebildet werden, schon gar nicht jene von Niedrigeinkommens- bzw. Niedrigpensionsbezieher:innen. Neben teilweise unplausibel niedrigen „typischen“ Berufseinstiegsaltern wird eine durchgehende Beschäftigung ohne jede Unterbrechung bis zum Pensionsantritt mit 65 Jahren unterstellt. Bei „typischen“ durchschnittlichen Erwerbseintritten mit 15 Jahren (Handwerksberufe), 16 Jahren (Verkauf, Hilfskräfte), 17 Jahren (technische Fachkräfte) und 21 Jahren (akademische Berufe) ergeben sich so durchgehende Erwerbskarrieren und damit auch durchgehende Beitragszahlungen in eine Pensionskasse im Ausmaß von mindestens 44 bis zu 50 Jahren. So wird sichergestellt, dass – wie oben dargelegt – der konstruierte erhebliche Zins/Lohn-Abstand auch möglichst lange wirken kann. Die vor allem für Frauen erhebliche Bedeutung von längeren Teilzeitphasen wird dadurch „abgebildet“, dass bei den Modellfällen „Teilzeit“ einfach das Einkommen über den gesamten Zeitraum halbiert wird.

Derart lange Erwerbskarrieren ohne jede Unterbrechung durch Zeiten der Erwerbsarbeitslosigkeit, Krankheit, Kinderbetreuung, Pflege etc. sind (insbesondere für schlechter gestellte Personengruppen) völlig unrealistisch. Laut PVA betrug die durchschnittliche Versicherungsdauer aller im Jahr 2023 neu zuerkannten Alterspensionen bei Männern 41½ Jahre, 9 Prozent davon waren im Schnitt Versicherungszeiten ohne Erwerbstätigkeit. Bei den Frauen betrug die durchschnittliche Versicherungsdauer knapp 37 Jahre, 18 Prozent davon waren Versicherungszeiten ohne Erwerbstätigkeit. Das ist in dem Zusammenhang auch deswegen hoch relevant, weil in der sozialen Pensionsversicherung Kindererziehungszeiten, Zeiten des Präsenzdienstes, der Arbeitslosigkeit, der Pflege naher Angehöriger oder des Bezuges von Krankengeld oder Rehageld – anders als bei privaten Pensionskassen – pensionserhöhend berücksichtigt werden.

Die Ergebnisse überschätzen die Pensionskassenpension und etwaige Erhöhungseffekte also nicht nur wegen der überhöhten Renditeannahmen, sondern auch wegen der völlig durchgehenden und sehr lange angenommenen Erwerbsverläufe. Zentrale Aspekte wie Erwerbsunterbrechungen, verzögerter Erwerbseintritt, lange Teilzeitphasen wegen Betreuungspflichten, Invalidität, (erzwungene) „Frühverrentung“ bleiben so bei den getroffenen Verlaufsannahmen gänzlich ausgeblendet! Nicht einmal das für die Sicherung eines Mindesteinkommens für Pensionist:innen essenzielle System der Ausgleichszulagen wurde bei den Berechnungen mitberücksichtigt! Es ist schleierhaft, wie auf dieser Grundlage irgendwelche validen Aussagen über die Auswirkungen auf Niedrigeinkommens- bzw. Niedrigpensionsbezieher:innen getroffen werden können!

Was wird da vom WIFO konkret gerechnet?

Wir haben zwei Modellfälle („Handwerksberuf Mann Vollzeit“ und „Hilfskraft Frau Teilzeit“) näherungsweise nachgebildet und auch überschlagsmäßig nachgerechnet. Dabei zeigt sich, dass die ausgewiesenen Ergebnisse nicht nur aufgrund abwegiger Rendite- und Verlaufsannahmen, sondern auch wegen methodischer Fehler bei den Berechnungen selbst massiv überhöht ausgewiesen werden.


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Für die beiden Verläufe werden vom WIFO bei unterstellten durchgehenden, zusätzlichen (steuer- und abgabenfreien) Beiträgen in eine Pensionskasse in der Höhe von 2,5 Prozent des Bruttolohns Erhöhungseffekte der Bruttogesamtpension von rund 16 Prozent ausgewiesen. Die in der Presseaussendung zur Studienpräsentation behauptete Erhöhung um bis zu 19 Prozent bei 2,5-prozentiger Beitragszahlung ergibt sich auch in den WIFO-Berechnungen – selbst im Modellfall „weibliche Hilfskraft mit Teilzeit“ – nur, wenn zusätzlich durchgehend eine staatliche Prämie von anfangs 80 Euro jährlich (dann inflationsangepasst steigend) unterstellt wird. Und das auch nur vordergründig, aber dazu später.

Selbst auf Basis der abwegigen Rendite- und Verlaufsannahmen halbiert sich bei einem seriösen Vergleich die ausgewiesene Erhöhung.

Eine überschlagsmäßige Berechnung des „Erhöhungseffektes“ im Ausmaß von 16 Prozent lässt sich etwa in der Konstellation „Handwerksberuf Mann Vollzeit“ selbst auf Basis der getroffenen Annahmen nur darstellen, wenn der Dämpfungseffekt der Bezugsumwandlung auf die Pension aus der sozialen Pensionsversicherung gänzlich ausgeblendet bleibt und sogar in der Verrentungsphase die weit überhöhte Renditeannahme – und das ohne jeden Abzug für eine (Inflations-)Anpassung der ersten Zahlung – angewendet wird. Darüber hinaus darf auch sonst keine Risikoabsicherung (Berufsunfähigkeit, Hinterbliebenenabsicherung, biometrische Risiken) berücksichtigt werden, weil dies den tatsächlichen Erhöhungseffekt noch weiter nach unten drückt.

Die soziale Pensionsversicherung bietet einen verlässlichen Kaufkraftschutz, die Pensionen werden jährlich mit der Inflationsrate angepasst. Dass Pensionskassen hiermit erhebliche Probleme haben, ist bekannt. Die Entwertung der Pensionskassenpensionen durch Nicht- oder Minderanpassungen an die Inflation haben wir in einem eigenen Beitrag dargestellt.

Für einen seriösen Vergleich von Pensionsansprüchen bzw. daraus ableitbaren Erhöhungseffekten muss also der zentrale Aspekt der Inflationsanpassung selbstverständlich mitberücksichtigt werden, sonst würde man einer wertgesicherten Pension einen Betrag gegenüberstellen, der – selbst wenn die überzogenen Renditeannahmen eintreffen würden und keine versicherungstechnischen Verluste zu berücksichtigen wären – vorprogrammiert laufend im Ausmaß der Inflationsrate entwertet würde!

Berechnungstechnisch muss daher bei der Verrentung von der unterstellten zukünftigen Nettorendite (zumindest) ein der voraussichtlichen Inflationsrate entsprechender Prozentsatz abgezogen werden. Dann wäre – allerdings nur, wenn die unterstellte Nettorendite auch tatsächlich erreicht würde und keine Abzüge für versicherungstechnische Verluste vorgenommen werden müssten – im Schnitt eine laufende Anpassung in diesem Ausmaß auch darstellbar. Ein seriöser Vergleich von Pensionsleistungen kann das selbstverständlich nicht ausblenden.

Bei der Berechnung der Pensionskassenleistung müssen für einen aussagekräftigen Vergleich auch zentrale Bestandteile wie Berufsunfähigkeitsschutz und Hinterbliebenenabsicherung berücksichtigt werden. Das ist nicht nur deshalb notwendig, weil sonst Äpfel mit Birnen verglichen werden, sondern auch, weil Pensionskassen gesetzlich verpflichtet sind, neben Alterspensionen auch einen Hinterbliebenenschutz – also Witwen- und Waisenrenten – anzubieten. Es kann also seitens der Pensionskasse gar nicht das ganze Kapital verrentet werden, weil ein Teil des Deckungskapitals für den Hinterbliebenenschutz und gegebenenfalls für den Berufsunfähigkeitsschutz gebunden ist.

Es ist evident, dass eine aussagekräftige und seriöse Vergleichsberechnung so nicht erfolgen kann:

Bereits das erforderliche Einpreisen der angenommenen Inflationsrate bei der Verrentung – noch auf Basis der ohnehin überhöhten Renditeannahme – für die Berücksichtigung einer erforderlichen Anpassung der laufenden Leistungen reduziert die ausgewiesene Erhöhung von 16,1 Prozent auf 13,5 Prozent.

Die Entgeltreduktion von 2,5 Prozent reduziert die Beitragszahlung zur Sozialversicherung. Daher werden auch dementsprechend geringere Pensionsansprüche in der sozialen Pensionsversicherung erworben, die dem Anspruch aus den privaten Pensionskassen gegengerechnet werden müssen. Die Berücksichtigung dieser Verminderung der Gesamtpension reduziert den Erhöhungseffekt weiter auf 11 Prozent. Die Einrechnung eines Invaliditäts- und Hinterbliebenenschutzes bedeutet eine zusätzliche Reduktion auf 8,8 Prozent.

Tatsächlich ergeben sich also auf Basis einer seriösen Vergleichsberechnung selbst unter den getroffenen abwegigen Rendite- und Verlaufsannahmen Erhöhungseffekte im Ausmaß von nur 8,8 Prozent, also um rund 45 Prozent geringere Erhöhungseffekte!

Reduziert man die (nominale) Nettorenditeannahme (also nach Abzug sämtlicher Kosten) von 4,74 Prozent auf immer noch optimistische, aber eher erreichbare 3,5 Prozent, dann verbleibt ein Erhöhungseffekt von gerade einmal 5,1 Prozent, wie in der Grafik dargestellt. Das ist nicht einmal ein Drittel des Wertes, der vom WIFO für den Pensionskassenverband errechnet wurde!

Der Erhöhung der Bruttogesamtpension um rund 5 Prozent steht dabei eine Erhöhung des AN-Beitrages für Pensionen (unter Berücksichtigung der Dämpfung des PV-Beitrages durch die Entgeltumwandlung) in der Höhe von 22 Prozent gegenüber. Statt 10,25 Prozent Pensionsversicherungsbeitrag vom Bruttoeinkommen wären aufgrund der Bezugsumwandlung 10,25 Prozent von (nur mehr) 97,5 Prozent des Bruttoeinkommens (also 10% des Bruttoeinkommens), aber zusätzlich noch 2,5 Prozent für die Pensionskassen, in Summe also 12,5 Prozent des Einkommens von den Arbeitnehmer:innen an Pensionsbeiträgen zu bezahlen (+21,9%). Dieser Vorschlag impliziert auch eine Streichung der gesetzlichen Regelung, dass Betriebe zumindest 50 Prozent des Pensionskassen-Gesamtbeitrags beisteuern müssen, da 100 Prozent der in den Raum gestellten Beiträge über „Entgeltumwandlung“ von den Arbeitnehmer:innen selbst bezahlt werden sollen, mit entsprechender Lohnkürzung. Die Bezeichnung „Betriebspension“ verliert damit offensichtlich ihren Sinn!

Niedrigeinkommensbezieher:innen besonders begünstigt?

Besonders grotesk wird es, wenn auf Grundlage derartiger Annahmen und Berechnungen behauptet wird, dass hierdurch ein wichtiger Beitrag für ein gerechteres System geleistet würde und Niedrigeinkommensbezieher:innen davon besonders profitieren würden. Wie oben erwähnt bleiben in den abgebildeten Verläufen für Niedrigeinkommensbezieher:innen ganz zentrale Aspekte wie Arbeitslosigkeit, längere Krankheitsphasen, Unterbrechungen, verzögerter Erwerbseintritt, Teilzeitphasen wegen Betreuungspflichten, Invalidität, (erzwungene) „Frühverrentung“ ebenso gänzlich ausgeblendet wie die in der sozialen Pensionsversicherung dafür vorgesehenen Absicherungs- bzw. Abmilderungsmechanismen. Nicht einmal das für die Sicherung eines Mindesteinkommens für Pensionist:innen essenzielle System der Ausgleichszulagen wurde bei den Berechnungen mitberücksichtigt. Seriöse Aussagen über die Effekte für Niedrigeinkommensbezieher:innen lassen sich so offensichtlich grundsätzlich nicht treffen.

Als „wissenschaftliche Fundierung“ der Behauptung, Niedrigeinkommensbezieher:innen würden besonders profitieren, reicht offensichtlich schon der banale Zusammenhang, dass eine für alle einheitliche staatliche Prämie in der Höhe von 80 Euro, relativ betrachtet, bei niedrigen Einkommen eben mehr bringt als bei höheren Einkommen. Und nicht einmal das ist im konkreten Zusammenhang korrekt, aber dazu kommen wir gleich.

Dieser Zugang ist gleichbedeutend mit der Behauptung, eine einheitliche Auszahlung von z. B. 80 Euro an alle Erwerbstätigen wäre ein wichtiger (auch ein effektiver und effizienter?) Beitrag zur Armutsminderung oder zumindest zur Reduktion der Einkommensungleichheit. Das ist selbstverständlich sozialpolitisch betrachtet unsinnig. Was ließe sich anstelle der bei einer solchen Gießkannenförderung erforderlichen Hunderten Millionen Euro an staatlichen Prämien durch gezielte Maßnahmen alles an effektiver Armutsminderung erreichen?

Aber schauen wir uns jetzt die konkreten „Erhöhungseffekte“ im Modellfall „Frau Hilfskraft Teilzeit“ an. Vom WIFO wird hier unter zusätzlicher Einrechnung einer durchgehenden staatlichen Prämie in der Höhe von 80 Euro jährlich (inflationsangepasst) die maximale – auch in der Presseaussendung angeführte – Erhöhung von (knapp über) 19 Prozent ausgewiesen. Auf Basis der oben dargelegten und scharf kritisierten Vorgangsweise ergibt sich in dieser Konstellation vorerst auch ein „Erhöhungseffekt“ von knapp 19,5 Prozent. Durch Abzug von 2 Prozentpunkten bei der Verrentung verbleiben 16,3 Prozent, nach Einrechnung der Verminderung der ASVG-Pension 13,8 Prozent und nach Berücksichtigung eines Invaliditäts- und Hinterbliebenenschutzes 11,2 Prozent. Korrigiert man dann noch um die überzogenen Renditeannahmen, dann bleibt vorerst vordergründig ein „Erhöhungseffekt“ von knapp 6,5 Prozent über. Der tatsächliche „Erhöhungseffekt“ bei diesen Verlaufsannahmen unter selbstverständlich notwendiger Mitberücksichtigung des Ausgleichszulagensystems ist allerdings schlichtweg null (siehe Grafik)!

Anders als eine Prämie für alle garantiert das System der Ausgleichszulagen tatsächlich gerade Personen mit sehr niedrigen Pensionsansprüchen sehr effektiv und effizient ein Mindesteinkommen. Und zwar ein Mindesteinkommen, das beim konkret betrachteten Verlauf deutlich über der Pension liegt, die sich ausschließlich aus dem sehr niedrigen Einkommen auch nach Berücksichtigung der vermeintlichen Erhöhung ergibt! Das heißt, nicht nur die gesamte staatliche Prämie verpufft, auch die um 22 Prozent deutlich höheren Pensionsbeiträge, die bei derart niedrigen Einkommen schmerzhafte Einschnitte bedeuten, führen zu keinerlei Erhöhung des Alterseinkommens.

Budgetäre Auswirkungen

Laut WIFO-Berechnungen wäre, wenn alle steuerpflichtigen unselbständig Erwerbstätigen 2,5 Prozent ihrer Lohnsumme in einen Beitrag zur betrieblichen Altersvorsorge umwandeln würden, mit einem Steuerausfall von 1,6 Mrd. Euro zu rechnen. Nicht angeführt wird der Beitragsentfall in der Sozialversicherung, der bei Anlehnung an Deutschland als Vorbild auch die AG-Beiträge umfassen würde. Bei 2,5 Prozent der ASVG-Beitragsgrundlagensumme dürfte es sich dann um einen ähnlich hohen zusätzlichen jährlichen Betrag handeln. Zusätzlich wären für eine Förderung von 80 Euro jährlich weitere Kosten von rund 320 Mio. Euro zu veranschlagen, abzüglich allfällig entfallender, aktuell bestehender Steuerbegünstigungen. Die effektiven Kosten der Prämie reduzieren sich auch etwas über den geringeren Aufwand für die Ausgleichszulagen. Das heißt: Die Zielgruppe der Niedrigverdiener:innen profitiert meist nicht und die Nettoausgaben entfallen auf die anderen Einkommensgruppen.

Die Umsetzung dieses Vorschlages würde jedenfalls horrende Summen an Einnahmenausfällen und zusätzlichen Ausgaben bedeuten. Und das in der aktuellen Situation mit ohnehin erheblichem Konsolidierungsbedarf, der absehbar mit schmerzlichen sozialen und wirtschaftlichen Einschnitten einhergehen wird. Was ließe sich mit einem Bruchteil dieser Kosten durch sinnvolle Maßnahmen innerhalb der Pensionsversicherung (z. B. Anhebung des Ausgleichszulagen-Richtsatzes auf die Armutsgefährdungsschwelle, verbesserte auch rückwirkende Anhebung der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten etc.) von einer substanziellen Reduktion der Altersarmut bis zu einer sofortigen deutlichen Minderung des Gender Pension Gaps alles erreichen?

Profiteure dieses Vorschlages wären jedenfalls die Pensionskassen selbst und ihre Eigentümer:innen, nicht die Arbeitnehmer:innen, die sich mittels 22-prozentiger Beitragssteigerung bei fundierter Betrachtung eine Pensionserhöhung um 0 bis 5 Prozent erkaufen und in der sich die vermeintliche besondere Begünstigung von Geringverdiener:innen schlichtweg als Trugschluss erweist! Eine kompetente und sachlich fundierte Politikberatung schaut offensichtlich anders aus.

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