„Kapitalgedeckte“ Pensionen stehen ob der Einbrüche auf den Finanzmärkten und hoher Inflationsraten erheblich unter Druck, resultieren daraus doch massive reale Wertverluste. Dass der Obmann des Fachverbandes Pensions- und Vorsorgekassen vor diesem Hintergrund von „Top-Ergebnissen“ spricht und mit Hinweis auf die (nicht ganz neue) demografische Entwicklung nun den Notstand für die öffentliche Pensionsversicherung ausrufen und als „Lösung“ gleich auch noch die verpflichtende Ausweitung des Systems (betrieblicher und überbetrieblicher) Pensionskassen umgesetzt sehen möchte, wirkt doch etwas deplatziert. Absurd ist es aber, wenn dann noch beiläufig behauptet wird, dass die Abdeckung der Inflation nicht Aufgabe von Pensionssystemen sein kann.
Das österreichische öffentliche Pensionssystem steht nach den umfassenden Reformen der letzten Jahrzehnte trotz deutlicher Alterung tatsächlich sehr gut da, und zwar sowohl was die langfristig erwartbaren Sicherungsniveaus als auch die finanzielle Nachhaltigkeit betrifft. Das wird durch die Langfristberechnungen der Alterssicherungskommission ebenso wie jene der Europäischen Kommission klar belegt. Auch die aktuellen Mittelfristprognosen bestätigen das deutlich und zwar unabhängig davon, was für den Pensionskassenverband vermeintlich „feststeht“.
Das Schwingen der Demografie-Keule als Werbemittel für mehr finanzmarktbasierte – vulgo „kapitalgedeckte“ – Pensionsvorsorge ist ein altes und häufig strapaziertes, aber letztlich sehr oberflächliches und auch falsches Argument. Bereits bei etwas näherer Betrachtung wird schnell klar, dass sich durch die Verlagerung von Finanzierungsverantwortung zu den Finanzmärkten vor dem Hintergrund der Alterung nichts gewinnen lässt. Die Zusammenhänge stellen sich hier zwar weniger offensichtlich dar als in der umlagefinanzierten öffentlichen Pensionsversicherung (PV), sind aber nicht weniger relevant. Der Irrglaube, durch „Kapitaldeckung“ Demografie-Immunität erlangen zu können, lenkt vielmehr von wirklich zielführenden Strategien – mit Fokus auf eine deutlich verbesserte Arbeitsmarktintegration – ab.
Nach diesen beiden kurzen grundsätzlichen Anmerkungen soll hier aber den Fragen nachgegangen werden, ob die Kaufkraftsicherung von Pensionen Aufgabe eines Pensionssystems sein soll und kann.
Kaufkraftsicherung als wesentliches Qualitätskriterium
Die Antwort auf die erste Frage ist eigentlich völlig klar: Natürlich ist es eine wesentliche Aufgabe von Pensionssystemen die Kaufkraft der anfangs ausbezahlten Pensionen auch in weiterer Folge möglichst weitgehend sicherzustellen. Pensionen dienen der Lebensstandardsicherung, die (laufenden) Ausgaben müssen weiterhin gedeckt, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss dauerhaft finanziert werden können. Das setzt selbstredend nicht nur ausreichend hohe Anfangspensionen, sondern eben auch die Sicherung ihrer Kaufkraft voraus. Kaufkraftsicherung ist also evident ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Qualität von Pensionssystemen, das nach Jahrzehnten sehr moderater Preissteigerungen vorübergehend zwar etwas in den Hintergrund gerückt war, sich nun aber wieder als hochrelevant bestätigt. Inwieweit Kaufkraftsicherung in den unterschiedlichen Systemen gelingt, wird im Folgenden anhand von Vergleichsberechnungen überprüft.
Grundsätzliche Anmerkungen zum System der Pensionskassen
Die Pensionskassen bewerben ihre scheinbare Attraktivität mit einer im langjährigen Schnitt angeblich relativ hohen (nominalen) Performance. Diese hat aber eine nur sehr eingeschränkte Aussagekraft für die Entwicklung des Pensionsniveaus. Pensionskassen gibt es in Österreich seit Anfang der 1990er Jahre. Die Pensionskassen geben an, seither langfristig im Schnitt 4,95 Prozent Ertrag erzielt zu haben. In diese Betrachtung gehen die sehr hohen Veranlagungserträge aus den 1990er Jahren ein, als oft um die 10 Prozent (Aktienhausse bis zum Platzen der Dotcom-Blase) erzielt wurden. Diese Werte sind allerdings kaum relevant, da damals noch sehr wenige Menschen in Pensionskassen einbezogen waren und das veranlagte Kapital dementsprechend auch sehr gering war. Während gegenwärtig knapp über eine Million Menschen einbezogen sind, waren es 1999 231.000, bis Mitte der 90er-Jahre weniger als 100.000. Der Anteil der Anwartschaftsberechtigten an allen unselbstständig Erwerbstätigen liegt aktuell bei rund 23 Prozent, im Schnitt der 90er-Jahre lag dieser bei 3 Prozent (von 0,7% 1991 auf 6,5% 1999 steigend) und überschritt erst 2003 knapp die 10-Prozent-Marke.
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass ein Plus bei der nominalen Performance nicht bedeutet, dass es zu Pensionserhöhungen kommt und natürlich schon gar nicht, dass dadurch die Kaufkraft gesichert wäre. Pensionskassen unterstellen bei der Verrentung des Kapitals eine Ertragsentwicklung in Höhe des Rechnungszinssatzes, wodurch die Startpension höher ausfällt. Eine Verzinsung im Ausmaß des Rechenzinssatzes wird also bei der Pensionsberechnung bereits eingepreist, also vorweggenommen. Wird dieser erreicht, so kann die Pension weiter in gleicher Höhe bezahlt werden, wird er verfehlt, muss gekürzt werden, wird er übertroffen, kann erhöht werden. Eine Kaufkraftsicherung setzt darüber hinaus voraus, dass die Erhöhungen zumindest im Ausmaß der Inflation erfolgen.
Bis 2003 waren Rechnungszinsen von über 5 Prozent möglich, dann wurden diese für neue Anwartschaften schrittweise auf 3,5%, 3%, 2,5% und seit 2020 auf 2% gesenkt. Viele Menschen, die derzeit von Pensionskassen Pensionen erhalten oder neu Pensionen antreten, haben noch einen (sehr) hohen Rechnungszins. In den letzten 10 Jahren war die Performance im Schnitt bei 3,2 Prozent und damit für viele unterhalb des Rechnungszinses. Pensionen aus Pensionskassen mussten daher nominal gekürzt werden. Wenn man die Inflation berücksichtigt, ergeben sich erhebliche und drastische Kaufkraftverluste.
Vergleich der Pensionsentwicklung in Pensionskassen und der öffentlichen Pensionsversicherung
Im Folgenden wird die Entwicklung der inflationsbereinigten Pensionen im System der Pensionskassen und in der PV für Pensionsantritte in den Jahren 2000, 2005, 2010, 2015 und 2020 verglichen.
Zugrunde gelegt wurden für die PV der jeweilige Medianwert für Alterspensionen und die folgenden Pensionsanpassungen. Bei den Pensionskassen wurde die jeweilige durchschnittliche Jahresperformance laut Fachverband bzw. Kontrollbank und ein Rechenzins von 3,5 Prozent angenommen. Schließlich wurde mit dem VPI die kaufkraftgewichtete Entwicklung berechnet.