Um die Klimaziele in Österreich und Europa zu erreichen, kommt der Dekarbonisierung des Gebäudebestandes ohne Zweifel erhebliche Bedeutung zu. Diesem Zweck soll das „Bundesgesetz zum Ausstieg aus der fossil betriebenen Wärmebereitstellung“ (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWG) dienen, zu dem ein Begutachtungsentwurf samt umfangreichen Stellungnahmen schon seit Monaten vorliegt. Der politische Entscheidungsprozess (das Gesetz soll mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden) kam jedoch ins Stocken, dazu gibt es verschiedene öffentliche Schuldzuweisungen. Die Verzögerung liegt nach meinem Dafürhalten primär daran, dass der Gesetzesentwurf in wesentlichen Punkten erhebliche Schwächen aufweist. Der nachfolgende Beitrag versucht diese näher auszuleuchten.
Grundsätzliches Ziel des Vorhabens
Bis zum Jahr 2035 bzw. 2040 soll es zu einem Vollausstieg aus fossilen Heizsystemen (Öl, Gas) im gesamten österreichischen Gebäudebestand kommen:
- Einerseits sollen Verpflichtungen zur Stilllegung aller fossilen zentralen Heizungskessel im mehrgeschoßigen Wohnbaubestand und in Einfamilienhäusern gelten.
- Andererseits müssen dann auch fossile dezentrale Heizanlagen (damit sind vor allem die in den Geschoßwohnbauten in Städten und Ballungsgebieten vorhandenen Einzel-Gasetagenheizungen gemeint) umgestellt werden; Heizsysteme sollen mit erneuerbarer Energie betrieben und nach Möglichkeit „zentralisiert“ werden.
All diese Verpflichtungen richten sich dezidiert oder implizit an die jeweiligen Gebäudeeigentümer:innen.
Kein Ziel des EWG ist es, bestehende (teilweise) fossil betriebene Fernwärmeversorgungsanlagen auf erneuerbare Energien umzurüsten. Ein Neuanschluss an die Fernwärme darf aber nur erfolgen, wenn diese bis 2035 weitgehend umweltfreundlich hergestellt wird.
Kritikpunkt: Verträge zu Lasten Dritter
Zentralisierung bedeutet, dass die jeweiligen Nutzer:innen der Wohnungen, die ja mit den Gebäudeeigentümer:innen in der Regel nicht ident sind, dann keine Möglichkeit mehr haben werden, die Art ihrer Wärmeversorgung und die diesbezüglichen Konditionen selbst zu bestimmen. Eine zentralisierte Wärmeversorgung erfolgt dann – aus Sicht der Nutzer:innen – zu ihren finanziellen Lasten, jedoch ohne die Vertragspartner:innen selbst wählen zu können und ohne eigene Mitwirkungsmöglichkeit an der Vertragsgestaltung. Solche Verträge zu Lasten Dritter können sich (wie auch bei anderen BK-Positionen) als massive Kostenfalle erweisen, wie man etwa schon derzeit an verschiedenen Formen des Contracting in der Praxis beobachten kann.
Sinkende Strompreise (etwa durch einen Anbieterwechsel) für den monopolistischen Betreiber einer Wärmepumpe führen dann zwar zwangsläufig zu sinkenden Produktionskosten für die im Haus verbrauchte Wärme, gleichzeitig können sich aber die Wärmepreise für die Mieter:innen und Wohnungseigentümer:innen durch die nicht unüblichen Vertragsgestaltungen (auch empfindlich) verteuern, Profitmaximierung par excellence.
Gefahr von Ablese- und Abrechnungskartellen
Besondere Vorteile aus einer massenhaften Zentralisierung der Wärmeversorgung ziehen sogenannte Submetering-Unternehmen, welche sich darauf spezialisiert haben, die verbrauchsabhängigen Abrechnungen bei zentralen Wärmeversorgungsanlagen zu erstellen. Je mehr solcher Anlagen es gibt, desto lukrativer ihr Geschäft. Wie sich dieser Markt entwickelt, bereitet nicht nur in Deutschland große Sorgen. In Österreich ist man schon einen Schritt weiter, ein Kartell der drei „großen“ Profiteure im Submetering-Bereich ist bewiesen und durch das Kartellgericht entschieden. Die Liste der wettbewerbswidrigen Handlungen von ista, techem & Co zu Lasten ihrer Kund:innen ist lang: Preis- bzw. Konditionenabsprachen mit Wettbewerber:innen durch wechselseitige Abgabe von Deckangeboten, die Abstimmung von Preisen und Preiserhöhungen, wie insbesondere über Kund:innendienstleistungen, Entsorgungs-, Montage-, Nachtermin- und Austauschkosten sowie systematischer Austausch von wettbewerblich sensiblen Informationen, etwa über Preise, (potenzielle) Kund:innen, Geschäftsbedingungen sowie vereinzelt Ausschreibungen.
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu fahrlässig, wenn man im EWG-Entwurf keinerlei Schutzmaßnahmen trifft, damit Mieter:innen und Wohnungseigentümer:innen nicht über den Tisch gezogen und nicht mehr systematisch finanziell übervorteilt werden, obwohl solche Regelungen in diesem Gesetz jedenfalls in den Grundsätzen einfach möglich wären.
Im Gegenteil: Laut Gesetzesentwurf sichert sogar jede beliebige, vertraglich festgelegte Vereinbarung des Monopolisten zur Preisänderung, etwa auch jährliche (vertraglich diktierte) Verdoppelungen der Preise für die Mieter:innen und Wohnungseigentümer:innen, einer Fernwärmeversorgung das Prädikat „qualitätsgesichert“, auch wenn die Verteuerungen sachlich nicht gerechtfertigt und völlig unangemessen sind.
Grober Mangel in der Senkung des Energieverbrauchs
Das Gesetz soll (auch) das Ziel haben, den Endenergieverbrauch zu senken. Tatsächlich sieht der Entwurf aber weder eine Verpflichtung zu einem effizienten Heizungsbetrieb noch zur Einsparung von Energie vor. Im Rahmen sogenannter Contracting-Verträge profitiert der Wärmeversorger sogar von einem hohen Energieverbrauch des Gebäudes.
Die Erläuterungen zum Entwurf halten sogar fest, dass sich eine völlige Zentralisierung von derzeit dezentralen Wärmeversorgungen (Heizwärme und Warmwasser) im Hinblick auf die Warmwasserversorgung nachteilig auf den Energieverbrauch auswirken wird; schließlich ist das dauernde Bereithalten von warmem Wasser für das gesamte Gebäude aufgrund hoher Wärmeverluste kaum energieeffizient.
Obwohl dieses Problem direkt erkannt wurde, fehlt im Entwurf im Rahmen des „Umstellungsgebotes“ eine einfache Möglichkeit für die betroffenen Nutzer:innen, zumindest in eine dezentrale nicht fossile Warmwasserversorgung zu optieren, sodass dann lediglich die Versorgung mit Raumwärme zu zentralisieren wäre.
Verbesserungsvorschläge für das EWG
Soll die Klimawende gelingen, muss man die betroffenen Mieter:innen, Eigentümer:innen und andere Nutzer:innen zu den geplanten Dekarbonisierungsmaßnahmen „ins Boot holen“. Schon derzeit liegt ein Schwerpunkt der Beschwerden bei der telefonischen Wohnrechtsberatung der Arbeiterkammern in Österreich in den Themenbereichen zentrale Wärmeversorgungsanlagen/ Fernwärme/Contracting. Unter anderem werden überteuerte Kosten und völlig intransparente und falsche Abrechnungen, überhöhte Vorschreibungen, unklare Vertragsgestaltungen und unzulässige Vertragsbestimmungen sowie ineffiziente Betriebsführungen beklagt.
Das in seinen klimapolitischen Zielsetzungen grundsätzlich wichtige EWG wäre (über alle Wohnrechtsmaterien) hinweg als Grundsatzgesetz zur Wärmeversorgung von Wohngebäuden genau der richtige Ort, nicht nur die öffentlich-rechtlichen Pflichten im Zusammenhang mit der Stilllegung/Umstellung von Heizanlegen zu regeln, sondern auch zivilrechtliche Grundsätze für die Bewohner:innen.
Klare Pflichten zur Schonung und Wahrung der Interessen der Bewohner:innen, verbunden mit der Pflicht zur Entschädigung für wesentliche Beeinträchtigungen sind im EWG zu verankern. Weiters wären Regelungen erforderlich, wonach Umstellungen auf nicht fossile Anlagen nur aufgrund eines Kosten-Nutzen-Vergleichs erfolgen sollten.
Dem Vernehmen nach wurde in der Immobilienbranche und von Contractoren vereinzelt das Ansinnen geäußert, dass man etwa bei der Umstellung auf eine Luft-Wärme-Pumpe nicht nur die für den Betrieb erforderlichen Stromkosten verrechnen wolle, sondern die Nutzer:innen „natürlich“ auch für „die verbrauchte Luft“ zu zahlen hätten. Solchen und ähnlichen unangemessenen Profitüberlegungen muss im EWG jedenfalls entgegengetreten werden. Ganz wichtig sind also auch Bestimmungen, die sicherstellen, dass im Zusammenhang mit der Heizungsumstellung von den Nutzer:innen nachfolgend als Betriebskosten nur angemessene Kosten des eingesetzten Energieträgers zu übernehmen sind.
Und: Es muss verhindert werden, dass Monopolisten an der schlechten Energieeffizienz von Gebäuden verdienen!