Im Bestreben um den Klimaschutz wurdeimmer wieder darauf hingewiesen, dass „zahlreiche rechtliche Hemmnisse“ in denWohnrechtsgesetzen die Steigerung der Sanierungsrate im Gebäudesektorverhindern. Betroffen seien vor allem das Mietrechtsgesetz (MRG) und dasWohnungseigentumsgesetz (WEG).
Verschiedene Vorschläge und häufiggebrauchte Argumente sind jedoch kritisch zu hinterfragen, zumal die zugrunde liegendenAnalysen der rechtlichen Vorschriften öfters unvollständig oder fehlerhaftsind. Überdies sollten weitere finanzielle Belastungen für MieterInnen undWohnungseigentümerInnen vermieden werden.
Kosten der Dekarbonisierung im Wohnungssektor
Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Wohnungssektors sindnicht gratis, sondern müssen von jemandem bezahlt werden. Auffällig ist, dassbei der Diskussion um die Bedeutung des Wohnrechts in der Regel Maßnahmendiskutiert werden, welche vornehmlich MieterInnen und WohnungseigentümerInnenfinanziell belasten. Jedoch ohne ihre Mitsprache- und Kontrollmöglichkeiten bezüglicheiner möglichen Übervorteilung zu stärken.
Verträge über die Durchführung vonSanierungsmaßnahmen werden von VermieterInnen oder VerwalterInnen auf der einenSeite und DienstleisterInnen, BauunternehmerInnen oder HeizungsbetreiberInnenauf der anderen Seite abgeschlossen. Die Kosten sollen jedoch von denMieterInnen und WohnungseigentümerInnen getragen werden. Dass es sich dabei umklassische Verträge zulasten Dritter handelt, liegt auf der Hand.
Klimaschutz und Mietrechtsgesetz
Diskutiert wird im Mietrecht etwa eineklarere Definition von energiesparenden Maßnahmen als Erhaltung und die „Weiterentwicklungder Finanzierungsinstrumente“. Letzteres bedeutet nichts anderes als eineVerschleierung der Forderung nach Mietzinserhöhungen.
Die bestehendenFinanzierungsinstrumente des Mietrechtsgesetzes reichen aber im Prinzip völligaus. Es sind lediglich punktuelle Nachschärfungen notwendig. An den Grundsätzen,dass
- die Aufwendungen für Erhaltungs- undVerbesserungsarbeiten aus der sogenannten Mietzinsreserve (= Mietzins-Einnahmenminus Erhaltungsausgaben im Haus, jeweils der letzten 10 Jahre) zu finanzierensind und
- Mieterhöhungen nur dann – und nur überein gerichtliches Verfahren – erfolgen dürfen, wenn die Kosten vonwirtschaftlich sinnvollen Arbeiten aus der Mietzinsreserve nicht vollständiggedeckt sind,
sollte nicht gerüttelt werden! Dassoll für die Ausgaben für ein neues Dach oder den Einbau eines Aufzuges weiterhingenauso gelten wie für die Kosten von Maßnahmen zur energetischen Optimierungdes Gebäudes.
Blinder Fleck: Einfamilienhäuser
In der Debatte um die Bedeutung des Miet-und Wohnrechts für den Klimaschutz wird ein wesentlicher Punkt übersehen: Mietrechtsgesetzund Wohnungseigentumsgesetz sind grundsätzlich nur auf Mehrgeschoß-Wohnbautenanzuwenden, während doch 70 Prozent der gesamten CO2-Emissionen beiWohngebäuden auf Ein- und Zweifamilienhäuser entfallen.
In einer neueren Untersuchung wird das Potenzial dieses Teils des Gebäudesektors zwar erkannt, jedoch werden Förderanreize und Bewusstseinsbildung allein wohl wenig bringen. An der Notwendigkeit, in erster Linie die jeweiligen Bauordnungen (Zuständigkeit der Bundesländer) in den Fokus zu nehmen und dort und/oder im Umweltrecht umfassende Regeln vorzusehen, führt kein Weg vorbei. Diese müssen generell für Gebäude gelten, unabhängig davon, ob es sich um von EigentümerInnen selbst genutzte Objekte handelt oder um vermietete Wohnungen. Es müssen für alle bestehenden Gebäude Mindeststandards und Sanierungspflichten vorgesehen werden.
Finanziell überforderten EigentümerInnen wird die öffentliche Hand großzügige Förderungen und/oder besonders langfristige Kredite einräumen müssen. Hier rächt sich wohl auch das Scheitern der Wohnbauinvestitionsbank (WBIB), das die ehemalige, türkis-blaue Regierung zu verantworten hat. Dieses Institut hätte sicher auch wesentlich zur Erhöhung der Sanierungsrate beitragen können.
Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Mietrechtsgesetzes
Die derzeit dem Mietrechtsgesetzunterliegenden mehrgeschossigen Gebäude machen nicht einmal zwei Prozent allerWohngebäude aus. Überhaupt ist ja das Mietrechtsgesetz gerade aufBaulichkeiten, die sich in einem schlechten energetischen Zustand befinden, häufiggar nicht oder nur teilweise anwendbar. Das betrifft etwa private mehrgeschossigeWohnbauten, die zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren errichtet wurden, aberauch Ein- und Zweifamilienhäuser.
Das Mietrechtsgesetz sollte daher inseinem Anwendungsbereich jedenfalls auch die genannten Gebäudesektoren umfassen.Der Geltungsbereich dieses Gesetzes sollte erweitert werden, es muss zukünftigfür alle Ein- und Zweifamilienhäuser und auch für die Mehrgeschoßwohnbautengelten, die nach 1945 frei finanziert und gefördert errichtet wurden. Nur so könnenBauten mit einbezogen werden, in denen Maßnahmen zur Senkung desEnergieverbrauchs besonders sinnvoll sind.
Erhaltungsmaßnahmen im Mietrechtsgesetz
VermieterInnen sind grundsätzlich gesetzlichdazu verpflichtet, Erhaltungsmaßnahmen und (eingeschränkt) Verbesserungen in/anihren Gebäuden durchzuführen. Daraus ergibt sich die Chance, dieseVerpflichtung auch für Maßnahmen, die der Dekarbonisierung von Gebäuden dienen,zu nutzen. Dafür müssen allerdings zunächst ein paar gesetzliche Änderungenvorgenommen werden.
Im geltenden Recht sind Maßnahmen zurSenkung des Energieverbrauchs im MRG in der Regel „nur“ Verbesserungs- undkeine Erhaltungsmaßnahmen. Die VermieterInnen sind daher nicht in jedem Fall verpflichtet,diese durchzuführen. Findet sich beispielsweise in einer Wohnhausanlage ein veralteter,aber funktionierender Gasheizkessel, dann wäre die Umstellung auf Fernwärmekeine Maßnahme der Erhaltung, da keine Schadensgeneigtheit des Heizkesselsvorliegt. Wünschenswert wäre hier eine deutlichere Formulierung imMietrechtsgesetz, damit solche Maßnahmen auch dann als Erhaltungsarbeiten durchgeführtwerden können, wenn keine Schadensgeneigtheit vorliegt. So könnten Umstellungenauf eine bessere Qualität im Sinne der Klimaziele leichter durchgeführt werden.
Durchsetzung von energiesparenden Maßnahmen gegen VermieterInnen
Bei Erhaltungsarbeiten, dieVermieterInnen laut Mietrechtsgesetz durchführen müssen, besteht das Rechtjedes einzelnen Mieters, aber auch der Gemeinde, in der das Objekt liegt, einVerfahren gegen untätige VermieterInnen zu führen. Ein Erfolg im Verfahrenführt dann dazu, dass ein gerichtlicher Auftrag zur Durchführung der notwendigenArbeiten vorliegt.
Eine solche Möglichkeit besteht jedochnicht, wenn es sich um Arbeiten zur Senkung des Energieverbrauchs handelt. Indiesen Fällen kann nur die Mehrheit der MieterInnen ein Verfahren beginnen, damitdiese Arbeiten doch durchgeführt werden müssen. Die Mietermehrheit wird aberkaum aktiv werden, dazu gibt es einfach viel zu viele befristete Verträge undauch MieterInnen, die generell Angst vor Konflikten mit ihren VermieterInnenhaben.
Will man also Maßnahmen zur Senkungdes Energieverbrauchs im Geschosswohnbau befördern, dann sollte man unbedingtjedem einzelnen Mieter und auch der Gemeinde ein gesetzliches Antragsrecht beider Schlichtungsstelle bzw. bei Gericht auch bei diesen Erhaltungs- undVerbesserungsarbeiten einräumen.
Erleichterung der Finanzierung bei Mietzinserhöhungen
Nicht immer ist die Mietzinsreserve(Mieteinnahmen der letzten 10 Jahre minus Kosten der im selben Zeitraumdurchgeführten Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten) so üppig dotiert, dassReparaturen und Verbesserungen, also auch Maßnahmen zur Senkung desEnergieverbrauchs, daraus leicht finanziert werden können. Für diese Fällesieht das Mietrechtsgesetz eine Umlage der nicht gedeckten Kosten auf dieMieterInnen vor. Das bedeutet eine befristete Mieterhöhung, die durchaus so erheblichsein kann, dass MieterInnen zur Aufgabe der Wohnung gezwungen werden.
Problematisch ist dabei nämlich, dass(gemäß Mietrechtsgesetz) die Kosten der Maßnahmen fix auf nur 10 Jahremietzinserhöhend verteilt werden, auch wenn etwa die Lebensdauer der neuenWärmeschutzfassade 40 Jahre oder mehr beträgt. Diese gesetzliche Regelung istalso extrem ungerecht, weil sie unsachlich hohe Mietzinssteigerungen zur Folgehat.
Daher sollte im Gesetz der Zeitraumerstreckt werden, während dessen die Mietzinse wegen solcher Erhaltungs- undVerbesserungsarbeiten erhöht werden können; damit würden die Erhöhungen entsprechendgeringer ausfallen und die MieterInnen nicht über Gebühr belastet. So wie es imWohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ja schon geltendes Recht ist, sollte der Zeitraumgrundsätzlich 20 Jahre betragen und flexibel handhabbar sein.
Keine Zwangsanschlüsse an Gemeinschaftsheizungen
Ein weiterer Vorschlag zur Senkung desEnergieverbrauches geht dahin, dass im Zuge von Gebäudesanierungen immehrgeschossigen Wohnbau MieterInnen und WohnungseigentümerInnen gezwungenwerden sollen, von Einzel-Gasetagenheizungen auf eine neu zu errichtendeZentralheizung oder Fernwärmeversorgung umzusteigen.
Diese Pläne sind eher kritisch zubetrachten. Erstens ist nicht gewährleistet, dass damit tatsächlichEnergieeinsparungen erreicht werden können. Das Nutzerverhalten kann beiZentralheizungen sogar zu einer Energieverschwendung gegenüber Einzelheizanlagenführen. Durch ein ungünstiges Zusammenspiel von Erwartungshaltung,Nutzerverhalten und Dimensionierung/Einstellung der zentralen Heizanlage kann derVerbrauch sogar steigen. Zweitens ist bei der Warmwasserversorgung aus einerHeizzentrale zu beobachten, dass das warme Wasser – auch wenn es für einenlängeren Zeitraum gar nicht gebraucht wird – ständig zirkuliert und weite Wegedurch das Haus zurücklegt, wodurch viel Energie verschwendet wird.
Selbst wenn sich beim ZwangsumstiegEnergieeinsparungen ergeben würden, heißt das nicht automatisch, dass darausKosteneinsparungen resultieren. Nach den Erfahrungen aus der wohnrechtlichenBeratung der AK-Mitglieder fallen bei Gemeinschaftsheizungen neben den reinenEnergiekosten durchaus erhebliche Zusatzkosten an, die Heizungsbetreiber und -betreueroder etwa die sogenannten „Wärme-Contractoren“ kassieren. Das kann, anteiligauf die NutzerInnen umgelegt, insgesamt eine höhere Kostenbelastung bedeutenals bei einer Einzelheizung.
Fazit
Um das Potenzial des Gebäudesektors zur Erreichung der Klimaziele auszuschöpfen, bedarf es vor allem der Implementierung von Mindeststandards für bestehende Gebäude, auch für den Ein- und Zweifamilienhaus-Sektor, in den Bauordnungen. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Mietrechtsgesetzes und einzelne Änderungen im Miet- und Wohnrecht können auch zu einer Erhöhung der Sanierungsrate beitragen. Dabei sollten aber die Mitsprache- und Kontrollmöglichkeiten der MieterInnen und WohnungseigentümerInnen gestärkt und zusätzliche finanzielle Belastungen für sie vermieden, jedenfalls aber minimiert werden.