Die konsequente Dekarbonisierung des Gebäudebestands in Österreich ist nicht nur eine planerische, sondern auch eine sozialpolitische Herkulesaufgabe. Daher braucht es eine Just Transition am Wohnungsmarkt dringender denn je: Das bedeutet, den Gebäudebestand schnellstmöglich zu dekarbonisieren, ohne dabei Mieter:innen zusätzlich zu belasten. Um dies zu erreichen, muss die Devise beim Wohnen sein: Mehr öffentlich, weniger privat. Gerade für energiearme und einkommensschwache Haushalte ist eine Just Transition dabei unerlässlich, da sonst die Gefahr besteht, diese Gruppe auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft auf der Strecke zu lassen.
Klimaschutz und Wohnen: zentral für die strukturelle Bekämpfung von Energiearmut
Im Wohnungswesen liegen große Stellschrauben für den Klimaschutz. Mehr als ein Viertel des österreichischen Energieverbrauchs ging im Jahr 2021 auf private Haushalte zurück und kann damit überwiegend dem Bereich Wohnen zugeordnet werden. Das ist fast so hoch wie der Energieverbrauch des gesamten Industrie- und Produktionssektors. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, ist eine drastische Senkung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor alternativlos. Als zentrale Maßnahmen dafür gelten für bestehende Gebäude die Umstellung der Heizungssysteme auf erneuerbare Energien und eine Wärmedämmung der Häuser.
Thermisch-energetische Sanierungen sind aber nicht nur aus Klimaschutzperspektive zentral. Sie gelten auch als Schlüsselmaßnahme, um Energiearmut strukturell zu bekämpfen: Armutsgefährdete Menschen wohnen häufiger in Wohnungen, die schlecht isoliert sind, und besitzen ältere und ineffiziente Elektrogeräte. Diese Menschen werden von explodierenden Energiepreisen besonders hart getroffen. Solange Mietkosten im Zusammenhang mit thermisch-energetischen Sanierungen jedoch nicht verlässlich gedeckelt sind, sind sie als Antwort auf Energiearmut ambivalent. Es besteht die Gefahr, dass es durch Sanierungen zu weiteren Mieterhöhungen kommt, die nicht durch sinkende Energiekosten ausgeglichen werden können. Das kann zu einer Verdrängung der Bewohner:innen in Wohnungen führen, die energetisch in noch schlechterem Zustand sind. Damit thermisch-energetische Sanierungen also auch im Sinne der Armutsbekämpfung wirken, braucht es effektiven Mieter:innenschutz. Dieser muss sicherstellen, dass Sanierungen nicht zu einer „energetischen Gentrifizierung“ führen.
Gewinnorientierung verhindert sozial-ökologische Lösungen am privaten Mietmarkt
Den Mieter:innen ist die Durchsetzung von energiesparenden Maßnahmen gegen Vermieter:innen gesetzlich erschwert. Andererseits fehlen – wenn Eigentümer:innen die Mieten nach einer Sanierung nicht anheben dürfen – Anreize, diese aus ökologischer Sicht notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Dieses sozial-ökologische Dilemma ist vor allem ein strukturelles Problem des privaten Mietmarkts. Dort hängt die Durchführung umfassender Sanierungen im Sinne des Klimaschutzes vom guten Willen der Eigentümer:innen ab. Gemeinnützige oder kommunale Wohnungseigentümer:innen sind dagegen verpflichtet, Einnahmen durch Mieterträge zu reinvestieren, zum Beispiel in die bauliche Verbesserung des bestehenden Gebäudebestands. Das spiegelt sich auch in den Sanierungszahlen wider: Während die allgemeine Sanierungsrate in Österreich seit Jahren nicht über die 1,5-Prozent-Marke hinauskommt, wurde der Gebäudebestand, der von gemeinnützigen Bauvereinigungen errichtet wurde, nach Eigenauskunft fast vollständig thermisch saniert.
Es scheint also nicht verwunderlich, dass mehr als zwei Drittel der von Energiearmut betroffenen Haushalte in privat vermieteten Wohnungen leben. Das liegt zum einen an der geringen Sanierungsrate in diesem Segment. Zum anderen werden armutsgefährdete Gruppen oftmals auf den privaten Mietmarkt gedrängt. Dieser birgt geringere formale bzw. finanzielle Eintrittsbarrieren als Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen (siehe Grafik), bietet aber auch weniger Schutz vor prekären Mietverhältnissen. Im Altbau am privaten Mietmarkt gibt es zwar klare mietrechtliche Regelungen zur erlaubten Höhe der Miete, diese werden aber systematisch missachtet. Solange also mietrechtliche Regelungen zum Schutz der Mieter:innen nicht effektiv durchgesetzt werden, fehlen die sozialpolitischen Voraussetzungen für Klimaschutz im Mietwohnungsbestand.