Seit den 1990er Jahren versucht die EU, mehr Wettbewerb in die Energiemärkte zu bringen. Die erwarteten Vorteile seien Effizienzgewinne und niedrigere Preise für die Verbraucher:innen bei gleichzeitiger Gewährleistung der Versorgungssicherheit in allen Bereichen, Förderung der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Es entsteht aber der Eindruck, dass die Liberalisierung den Begehrlichkeiten der Energielobbys zugutekam, die sich einer gemeinwohlorientierten öffentlichen Kontrolle zu entziehen versuchen. Profitiert haben Verbraucher:innen bis dato kaum.
In anderen Branchen, wie zum Beispiel in der Telekommunikationsbranche, hat die Liberalisierung zu erheblichen Preisrückgängen geführt. Nicht so auf den Energiemärkten. Die Liberalisierung der EU-Energiemärkte erscheint im Lichte wissenschaftlicher Studien und der empirischen Evidenz als nicht geglückt.
Die Versprechen der EU, eine Liberalisierung würde aus staatlichen Monopolen und Oligopolen einen Wettbewerbsmarkt mit vielen Anbietern machen und dadurch zu sinkenden Preisen führen, können als gescheitert angesehen werden. Die Strompreise in Europa sind nach der Reform eher gestiegen, vielleicht gerade, weil die ehemals staatlichen Oligopole sich an keine soziale Verantwortung in ihren Preispolitiken mehr gebunden fühlten. Auch wurden vormals unter einem Unternehmensdach vereinigte „Teilmärkte“ wie Energieproduktion, Energievertrieb und Netznutzung unternehmensrechtlich seziert; es entstanden neue vermarktbare Endabrechnungsposten wie Netznutzungsgebühren. Daher sind auch Endkonsumentenpreise vor und nach der Liberalisierung schwierig zu vergleichen. Staatliche Steuern auf Strom wurden erhöht, neue Abgaben, etwa für Ökostrom, wurden den Konsument:innen zusätzlich aufgebürdet. Das „Merit-Order-System“ hat den Großteil der Strompreisbestimmung von den Produktionskosten (Gestehungskosten) abgekoppelt, insbesondere in Ländern wie Österreich, in denen Wasserkraftwerke vorherrschen.
Preisentwicklung in Österreich
In Österreich wurde der Markt für Haushaltsenergie 2001 vollständig geöffnet. Seitdem gab es zwar einige Preisausschläge nach unten, ein kausaler Zusammenhang mit der Liberalisierung ist jedoch unwahrscheinlich. Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 sowie die Corona-Pandemie hatten gewichtige Einbrüche der effektiven Nachfrage zur Folge, wodurch auch die Energiepreise sanken. Insgesamt war die Entwicklung der Energiepreise volatiler als die Gesamtinflation (HVPI). Im Teilindex „Wohnen, Wasser, Energie“ gab es – auch durch die stetigen Steigerungen bei den Wohnkosten – keinen nach unten gerichteten Trend. Eine generelle Verbilligung bei Energiepreisen seit dem Liberalisierungsjahr 2001 ist jedenfalls nicht evident: Der Index für Energie steigt stärker als das allgemeine Preisniveau, seit 1996 etwa doppelt so stark wie der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI).