Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Inflationsraten zwischen Männern und Frauen kaum. Das liegt daran, dass häufig Single-Haushalte verglichen werden, da Konsumausgaben nur auf Haushaltsebene erhoben werden. Frauen (insbesondere in Altersarmut und Alleinerziehende) müssen einen größeren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel, Wohnen, Gesundheit und Mobilität ausgeben. Hier waren die Preisanstiege zuletzt enorm. Die Armutsbetroffenheit von Frauen droht zu steigen. Gefragt sind eine zielgerichtete Sozialpolitik, preissenkende Maßnahmen sowie ein ambitioniertes Gender Budgeting.
Probleme bei der Inflationsmessung
Die Teuerung wird anhand des Verbraucherpreisindexes (VPI) gemessen. Der VPI basiert auf einem Warenkorb, bestehend aus 757 Waren und Dienstleistungen, und soll den durchschnittlichen Konsum der österreichischen Haushalte darstellen. Die individuelle Inflationsrate kann davon jedoch stark abweichen – wer z. B. im eigenen Haus wohnt, ist von Mieterhöhungen nicht betroffen, wer täglich mit dem Auto pendeln muss, ist stärker von Benzinpreisschwankungen betroffen.
Für die Beantwortung der Frage, ob bestimmte Personengruppen von der Teuerung besonders belastet sind oder dadurch sogar in Armut abrutschen, ist die allgemeine Inflationsrate über alle Konsumkategorien nur wenig aussagekräftig. Erstens können niedrigere Inflationsraten bei weniger essenziellen Konsumkategorien, wie z. B. Alkohol, die massiven Preissteigerungen bei grundlegenden Gütern, wie etwa Nahrungsmitteln oder Wohnen, im Durchschnitt verdecken. Zweitens zeigen unterschiedliche Haushaltstypen unterschiedliche Konsummuster, die bei einer Analyse des österreichischen Durchschnittshaushalts übersehen werden – insbesondere, wenn es sich um kleinere Bevölkerungsgruppen handelt, wie etwa Alleinerziehende. Drittens verstecken allgemeine als auch persönliche Inflationsraten, wie hoch der Einkommensanteil ist, der für die Deckung (essenzieller) Konsumausgaben aufgewendet werden muss.
… insbesondere nach Geschlecht
Um den Warenkorb zusammenzustellen, führt die Statistik Austria alle fünf Jahre eine Konsumerhebung durch. Da diese Befragung nach Konsumgewohnheiten nur auf Haushaltsebene und nicht auf individueller Ebene durchgeführt wird, können wir keine allgemeinen Aussagen über die Auswirkungen der Inflation auf Männer oder Frauen treffen. Es gibt also blinde Flecken, was die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Teuerung auf Frauen in Paarhaushalten betrifft. Somit kann man auch keinen Blick auf die Dynamiken innerhalb einer Familie werfen und auch keine Aussagen über etwaige Machtungleichgewichte in der Verteilung von Ressourcen zwischen den Geschlechtern treffen. Als Annährung sehen wir uns die Konsummuster unterschiedlicher Haushaltstypen an, mit besonderem Fokus auf alleinstehende Frauen (unter 60 Jahren), alleinstehende Pensionistinnen und Alleinerzieherinnen. Über die Betroffenheit von Frauen in Paar- und Mehrgenerationenhaushalten können wir aufgrund der Datenlage leider keine Aussagen treffen, obwohl hier die geschlechtsspezifischen Einkommensdifferenzen (etwa aufgrund unbezahlter Care-Arbeit) eine gewichtige Rolle spielen könnten.
Viele Frauen massiv von höheren Kosten für Wohnen, Lebensmittel und Gesundheit betroffen
In Zeiten von massiven Preissteigerungen, insbesondere bei Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs (bei denen der Konsum nur schwer reduziert werden kann), muss ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, ob diese Bedürfnisse mit dem zur Verfügung stehenden Einkommen noch gedeckt werden können. Daher werfen wir einen Blick darauf, wie groß der Einkommensanteil ist, den unterschiedliche Haushaltstypen aufwenden müssen, um bestimmte Grundbedürfnisse zu decken. Wir vergleichen besonders oft von Armut betroffene Haushaltstypen (Alleinerzieherinnen, alleinstehende Frauen und alleinstehende Pensionistinnen) mit den Ausgaben eines österreichischen Durchschnittshaushaltes, von denen sich auch die Gewichtung des VPI ableitet.
Ein Blick auf die Mikrodaten der Konsumerhebung 2019/20 zeigt, dass Frauen, die allein oder nur mit ihren Kindern zusammenwohnen (Ein-Erwachsenen-Haushalt), im Vergleich zum Durchschnitt einen signifikant höheren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen, Energie, Nahrungsmittel sowie Gesundheit, Soziale Dienste und Bildung aufwenden müssen. Alleinerzieherinnen und alleinstehende Pensionistinnen geben einen mehr als doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für Wohnen und Energie aus als ein österreichischer Durchschnittshaushalt. Auch für Nahrungsmittel müssen diese beiden Gruppen einen 1,5-mal so hohen Einkommensanteil aufbringen wie der Durchschnitt. Gleichzeitig sind diese Bereiche seit dem Beginn der Teuerungskrise im Mai 2021 von massiven Preissteigerungen betroffen: Die Preise für Wohnen und Energie sind in den letzten 27 Monaten um 27 Prozent gestiegen, jene für Nahrungsmittel um 24 Prozent.