Gewalt an Frauen und Kindern in Österreich ist ein gesellschaftspolitisch hochrelevantes Problem, das zeigen die Zahlen der Gewaltschutzzentren, Interventionsstellen, Studien und polizeilichen Statistiken. Gewalt an Frauen und Kindern geht überwiegend von Männern aus und ist ein Ausdruck von ungleichen Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen. Die Politik muss endlich handeln, um Gewalt, die letztlich zu Femiziden führen kann, zu bekämpfen!
Gewalt an Frauen: ein Mittel zur Machtausübung
Die soziologische Definition von Gewalt bringt es auf den Punkt: Gewalt ist eine Quelle der Macht. Max Weber verbindet Macht mit der Möglichkeit, den eigenen Willen innerhalb einer sozialen Beziehung durchzusetzen. Deshalb ist Macht nicht nur eine öffentliche, sondern gleichermaßen auch eine Erscheinung des privaten Bereichs.
Anders gesagt: Gewalt ist eine Ausdrucksform, um Macht auszuüben und Überlegenheit zu demonstrieren. Es sind gesellschaftliche patriarchale Machtstrukturen und Rollenbilder, die männliche Gewalt an Frauen unterstützen. Das kann am Arbeitsplatz oder auch im privaten Bereich sein. Grundsätzlich gilt: Je größer die Abhängigkeit und damit das Machtungleichgewicht, desto häufiger bleibt die Gewalttat im Dunkeln. Gewalt ist kein individuelles Problem der Frauen! Gewalt macht krank und hinterlässt oft über Jahre oder über ein ganzes Leben Spuren. Alle Formen von Gewalt schränken die Leben der Frauen ein und bringen gravierende psychische Folgen mit sich.
Gewalt an Frauen: Zahlen sprechen Bände
Gewalt an Frauen ist in Österreich allgegenwertig und zeigt sich in verschiedenen Formen: Zunehmend zeigen sich auch Gewaltformen, die auf wirtschaftlicher (wie Geldentzug), sozialer und psychischer Ebene (wie kein Zugang zu Informationen, Einschüchterung, Demütigung in der Öffentlichkeit, Drohungen, z. B. die Kinder wegzunehmen, Nacktfotos zu veröffentlichen usw.) erfolgen.
Die aktuellen Ergebnisse der Prävalenzstudie „Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Österreich“, durchgeführt von Statistik Austria, bilden traurige Realitäten ab. In Österreich ist jede dritte Frau (rund 35 Prozent) von körperlicher und/oder sexueller Gewalt in Beziehungen (erlebt ab dem Alter von 15 Jahren) betroffen. Mehr als jede vierte Frau (26 Prozent) zwischen 18 und 74 Jahren, die erwerbstätig ist oder war, hat sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren. Mehr als jede fünfte Frau (rund 28 Prozent) ist von Stalking betroffen. Die Dunkelziffer ist in allen Bereichen zudem hoch.
Die Zahlen der rat- und schutzsuchenden Frauen steigen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Bereitschaft zu Gewalt an Frauen gestiegen ist. Denn die Gesellschaft insgesamt ist sensibler geworden und Frauen können durch die Öffentlichkeitsarbeit besser einschätzen, ob das, was ihnen angetan wird, auch Gewalt ist.
Dabei sollte der Einfluss von Politik und Medien nicht unterschätzt werden. Vor allem rechtsideologische Politiker vermitteln häufig hierarchische und dominierende Männerbilder, die Gewalt bewusst herausfordern. Es sind auch Ideologien, die transportiert werden und in Gewalt münden. Damit wird nicht nur gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen aufgehetzt, sondern Gewalt befeuert und legitimiert.
Sexuelle und sexualisierte Gewalt ist öffentlicher geworden
Frauen und Mädchen sind besonders häufig von sexualisierter Gewalt betroffen – im Privaten wie auch am Arbeitsplatz. Das zeigen nationale und internationale Prävalenzstudien. Gleichzeitig trauen sich betroffene Frauen und Mädchen heute häufiger, diese Form der Gewalt öffentlich zu machen und sich dagegen zu wehren.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft verzeichnete 2020/21 einen starken Anstieg an Anfragen. In diesem Zeitraum waren es 4.962 Anfragen und damit fast 1.000 mehr als 2018/19. Am häufigsten (1.975) betrafen die Anfragen Geschlechterdiskriminierung in der Arbeitswelt, ein Drittel davon sexuelle Belästigung.
Femizide: Frauenmorde aufgrund des Frau-Seins
Ökonomische und emotionale Abhängigkeiten, fehlendes Wissen über das Sozial- und Rechtssystem und wenig Vertrauen in Justiz und Behörden machen es schwer, dass Frauen aus der Gewaltspirale entkommen. Das Nichtherauskommen aus der Gewaltspirale bedeutet auch oft, dass die Gefahr, Opfer eines Frauenmordes zu werden, steigt. Besonders gefährlich für Frauen ist dabei die Trennungsphase, denn Femizide erfolgen meist dann, wenn sich Frauen schon trennen. Wenn Männer die Trennung nicht akzeptieren, sind Frauen und Kinder gefährdet, Opfer von Gewalt und Tötungsdelikten zu werden. Der Weg zur Arbeit (beispielsweise bei Reinigungskräften häufig ganz zeitig in der Früh) oder auch die Anwesenheit allein am Arbeitsplatz (z. B. in einem Friseursalon) kann oftmals zum Verhängnis werden.