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Zum einen hat die Covid-19-Krise daher den bereits vor der Pandemie erkennbaren Trend, Investitionskontrollen vorausschauend zum „Schutz in Krisenzeiten – und darüber hinaus“ einzusetzen, weiter verstärkt. In diesem Zusammenhang macht die Covid-19-Krise auch deutlich, dass der vielfach anzutreffende, enge Fokus auf Investitionsvorhaben chinesischer Investor:innen die weitaus umfangreicheren öffentlichen Schutzinteressen nicht adäquat abbildet. Zum anderen ist wohl auf absehbare Zeit davon auszugehen, dass die kriegsbedingt nochmals verschärfte „Polykrise“ gekommen ist, um zu bleiben. Neben einer Zunahme geoökonomischer Rivalitäten mit Blick auf kritische Technologien, Ressourcen und Infrastrukturen gehen damit aber nicht zuletzt auch verstärkte Debatten über die Neubegründung öffentlichen Eigentums einher.
Aufstieg eines neuen „Resilienz“-Paradigmas
Bemerkenswert ist, dass mittlerweile nicht nur weitaus offener über den Ausbau außenwirtschaftlicher Schutzmechanismen, sondern auch über gezielte Schritte in Richtung einer Deglobalisierung diskutiert wird. Das zeigt sich z. B. in aktuellen wirtschaftspolitischen Diskussionen zum krisenbedingten Aufstieg eines neuen Resilienz-Paradigmas: Während die vorrangige Orientierung auf Marktliberalisierung zunehmend für ihren Beitrag zu erhöhter Krisenanfälligkeit kritisiert wird, rücken Motive wie die Stärkung gesellschaftlicher Widerstandsfähigkeit und ein alternatives Wohlstandsverständnis in den Vordergrund. Und in einem Beitrag auf der liberalen Medienplattform „Project Syndicate“ war unlängst zu lesen, dass „die turbulente Welt von heute nach einem Wohlstand verlangt, der Schocks standhalten kann und die Grundlagen unserer Gesellschaften nicht beschädigt“ (eigene Übersetzung). Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass in den letzten Jahren in einer Reihe von wirtschafts- und handelspolitischen Bereichen verstärkt Reformdiskussionen Fahrt aufgenommen haben, die sich ganz im Sinne dieses neuen Resilienz-Paradigmas rund um Stichwörter wie „Versorgungssicherheit“, „Verwundbarkeit“, „Systemrelevanz“ oder auch „strategische Autonomie“ drehen.
Investitionskontrolle: alte Probleme, neue Herausforderungen
In Österreich geht die Genehmigungspflicht für bestimmte Beteiligungen an Unternehmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf das Jahr 2011 zurück. Eine entsprechende Regelung war damals im Eiltempo angesichts der geplanten Erhöhung der Anteile des Staatsfonds IPIC aus Abu Dhabi an der OMV AGgeschaffen worden. Das brachte der neuen Bestimmung im damaligen Außenwirtschaftsgesetz auch den Beinamen „Lex OMV“ ein. Nachdem eine geplante Novelle mit Platzen des Ibiza-Skandals ein jähes Ende fand, wurde im zweiten Anlauf 2021 ein neues Investitionskontrollgesetz geschaffen. Dieses sollte zum einen die Vorgaben der europäischen FDI-Screening-Verordnung umsetzen, die vor allem auch eine bessere Abstimmung der Mitgliedstaaten bei der Überprüfung von Investitionen aus sogenannten EU-Drittstaaten vorsieht (darunter fallen z. B. China, Russland, USA). Zum anderen betonte das neue Regierungsprogramm zur „Investitionskontrolle neu“, dass es nicht zu einem „Ausverkauf kritischer Technologie und Infrastruktur“ kommen dürfe. Im Sinne der „langfristigen Versorgungssicherheit Österreichs“ forderte zudem ein Allparteien-Beschluss im Zuge der Covid-19-Krise das Wirtschaftsministerium dazu auf, eine verbesserte Investitionskontrolle zügig umzusetzen. Aber welche Regelungen sieht die „Investitionskontrolle neu“ nun eigentlich vor? Und bieten diese gerade auch in außenwirtschaftlich bewegteren Zeiten wirksamen Schutz?
Wichtige Regelungen im Überblick
Anwendungsbereich und Prüfschwelle
Das Investitionskontrollgesetz kann im Ernstfall dazu führen, dass bestimmte Erwerbsvorgänge (insbesondere Übernahmen von Unternehmen bzw. der Erwerb gewisser Mindestanteile) erst vom Wirtschaftsministerium genehmigt werden müssen.
Vorgesehen ist, dass ausländische Direktinvestitionen in österreichische Zielunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einer Genehmigungspflicht unterliegen. Dafür ist zunächst maßgeblich, ob das Zielunternehmen in einem der im Gesetz näher aufgelisteten Bereiche tätig ist. Dabei unterscheidet das Investitionskontrollgesetz zwischen „besonders sensiblen Bereichen“ und „anderen Bereichen, in denen es zu einer Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung einschließlich der Krisen- und Daseinsvorsorge (…) kommen kann“. Die besonders sensiblen Bereiche werden im Investitionskontrollgesetz abschließend genannt. Neben Verteidigungsgütern und -technologien zählen dazu das Betreiben kritischer Energieinfrastruktur sowie kritischer digitaler Infrastruktur, Wasser, das Betreiben von Systemen, die die Datensouveränität Österreichs gewährleisten und – derzeit noch – die Forschung und Entwicklung in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung. Der zuletzt genannte Bereich könnte jedoch den Status als „besonders sensibel“ bald verlieren, da eine Klausel im Investitionskontrollgesetz ein Auslaufen mit Ende 2022 vorsieht. Die praktische Bedeutung der Einordnung als „besonders sensibler Bereich“ hängt mit den Schwellenwerten zusammen, die eine Genehmigungspflicht auslösen. Entscheidend ist nämlich nicht nur, ob das Unternehmen in einem bestimmten Bereich tätig ist, sondern auch ob der/die Investor:in durch die Investition einen gewissen Mindestanteil am Unternehmen erwerben oder sonst einen beherrschenden Einfluss auf dieses erlangen würde. Während in diesen sogenannten „besonders sensiblen“ Bereichen eine Genehmigungspflicht bereits beim Erwerb eines Mindeststimmrechtsanteils von 10 Prozent greift, besteht diese in anderen kritischen Bereichen erst, wenn ein Schwellenwert von 25 Prozent bzw. 50 Prozent erreicht bzw. überschritten wird. Der sehr enge Anwendungsbereich der 10-Prozent-Schwelle steht dabei in einem Spannungsverhältnis zur Zielsetzung, die Investitionskontrolle effektiver zu gestalten. Zudem ist zu betonen, dass die Regelung im Investitionskontrollgesetz deutlich hinter vergleichbaren Bestimmungen in anderen EU-Staaten zurückbleibt. So sieht etwa das deutsche Pendant eine weitgehende Senkung der Prüfeintrittsschwelle auf 10 Prozent vor.
Genehmigungsverfahren und Vermeidung von Umgehungen
Das Investitionskontrollgesetz sieht ein zweistufiges Prüfverfahren vor, das grundsätzlich auf Antrag der Investor:innen eingeleitet wird. Darüber hinaus kann ein Genehmigungsverfahren aber auch amtswegig eingeleitet werden, wenn das Wirtschaftsministerium von einer genehmigungspflichtigen Investition Kenntnis erlangt, für die kein entsprechender Genehmigungsantrag gestellt wurde. Hier unterscheidet sich das Investitionskontrollgesetz deutlich von der Vorgängerregelung im Außenwirtschaftsgesetz. Letztere ermöglichte dem Wirtschaftsministerium, vereinfacht gesagt, auch bei zwischengeschalteten Erwerber:innen genauer zu prüfen: Im Fall eines Beteiligungserwerbs durch Drittstaatsinvestor:innen mittels eines EU-Investmentvehikels konnte daher von Amts wegen eine Genehmigungspflicht vorgeschrieben werden. Dies setzte einen „begründeten Verdacht“ voraus, dass durch den Vorgang die Genehmigungspflicht gezielt umgangen werden sollte. Angesichts der strengen Anforderungen blieb die Bestimmung im Außenwirtschaftsgesetz aber weitgehend zahnlos. So wurde etwa der Beteiligungserwerb des mexikanischen Mobilfunkanbieters América Móvil an der Telekom Austria über eine niederländische Tochtergesellschaft mangels eines „begründeten Verdachts“ keiner Investitionskontrolle unterzogen. Im Rahmen des Investitionskontrollgesetzes spielt eine allfällige Umgehungsabsicht hingegen keine Rolle. Potenzielle Umgehungen werden vielmehr dadurch unterbunden, dass auch der mittelbare Erwerb eines österreichischen Unternehmens durch Drittstaatsinvestor:innen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einer Genehmigungspflicht unterliegt. Ein mittelbarer Erwerb liegt nach den Erläuterungen zum Investitionskontrollgesetz vor, „wenn der unmittelbare Vorgang von einer anderen Person getätigt wird als von jener, der dadurch der tatsächliche Einfluss auf das Zielunternehmen zukommt“.
Flughafen Wien als „Stresstest“?
Ein aktuelles Beispiel bietet der Wiener Flughafen. War zunächst die Rede von einem australischen Pensionsfonds, stellte sich nun heraus, dass hinter dem unmittelbaren Investor eine wenig transparente Investmentgesellschaft mit Sitz auf den Cayman Islands steht.
Diese hatte bereits im Jahr 2014 über die in Luxemburg ansässige Airports Group Europe einen Anteil am Flughafen Wien erworben. Da damals offenbar kein Umgehungsverdacht festgestellt wurde, spielte auch keine Rolle, dass hinter dem Unternehmen letztlich ein Fonds auf den Cayman Islands stand. Für die nun geplante Aufstockung des Anteils gelten aber andere Regeln. Da es sich unabhängig von der Zwischenschaltung eines in der EU ansässigen Unternehmens wohl um einen mittelbaren Erwerb durch eine:n Drittstaatsinvestor:in handelt, konnte das Wirtschaftsministerium unabhängig von einer allfälligen Umgehungsabsicht ein entsprechendes Genehmigungsverfahren einleiten. Während die Vermeidung von Umgehungen im Investitionskontrollgesetz daher vergleichsweise effektiver geregelt wurde, bleibt das Gesetz in puncto Transparenz weit hinter den Erwartungen zurück.
„Blackbox“ statt Transparenz
Investitionskontrollen finden weitgehend in einer „Blackbox“ statt. Zwar sieht das Investitionskontrollgesetz die Veröffentlichung eines jährlichen Tätigkeitsberichts vor. Dieser weist allerdings lediglich wenig aussagekräftige, anonymisierte Daten aus. In puncto Transparenz brachte das Investitionskontrollgesetz im Vergleich zur Vorgängerregelung im Außenwirtschaftsgesetz zum Teil sogar Rückschritte und wird dem in einer demokratischen Gesellschaft bestehenden Informationsbedürfnis nicht gerecht. Die fehlende Transparenz führt zunehmend zur Kritik, dass es sich bei der Investitionskontrolle um eine Blackbox handelt, so auch ganz aktuell im Fall des Wiener Flughafens. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch: Im Rahmen des EU-weiten Kooperationsmechanismus, der im Investitionskontrollgesetz vorgesehen ist, werden regelmäßig umfangreiche Informationen zu laufenden Verfahren an die EK und andere Mitgliedstaaten weitergegeben. Wäre es daher nicht zumindest angebracht, beispielsweise den Hauptausschuss des Nationalrats in das Genehmigungsverfahren einzubinden? Informationen zu konkreten Prüfvorgängen und die Möglichkeit zur Stellungnahme bleiben diesem jedenfalls bislang verwehrt. Darüber hinaus sollte angesichts der betroffenen öffentlichen Schutzinteressen auch nicht weiter auf die Einbindung – wie es auch in der FDI-Screening-Verordnung der EU heißt – von „Wirtschaftsteilnehmern, Organisationen der Zivilgesellschaft oder Sozialpartnern wie zum Beispiel Gewerkschaften“ verzichtet werden.
Fazit
Im Ergebnis lässt sich festhalten: Das neue Resilienz-Paradigma verstärkt den Ruf nach der langfristigen Sicherung kritischer Infrastrukturen und Technologien. Investitionskontrollen sollen dabei einen vorausschauenden Schutz öffentlicher Interessen ermöglichen. Das neue Investitionskontrollgesetz beseitigt zwar einige Schwächen der in die Jahre gekommenen „Lex OMV“. Offene Baustellen bestehen jedoch weiter, etwa mit Blick auf die beschränkte Anwendbarkeit und die mangelnde Transparenz.
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