Investitionskontrollen als Schutz in Krisenzeiten – und darüber hinaus

21. April 2020

Vor wenigen Tagen kündigte Wirtschaftsministerin Schramböck an, bei der außenwirtschaftlichen Kontrolle von Übernahmen heimischer Unternehmen durch ausländische Investoren rasch nachschärfen zu wollen. Dies sei gerade in dieser Phase wirtschaftlicher Verwundbarkeit „sehr, sehr wichtig“. Ein „Ausverkauf“ österreichischer Unternehmen müsse verhindert werden können. Damit reagierte die Bundesministerin auf eine von allen Parteien unterstützte Entschließung des Nationalrats von Anfang April: Darin wird gefordert, dass so rasch wie möglich ein Gesetzesentwurf vorgelegt wird, um Übernahmen von standortrelevanten bzw. kritischen Schlüsselunternehmen durch Investoren außerhalb der EU „einer verbesserten Investitionskontrolle zu unterziehen“.

EU-weiter Ansatz

Das Thema ist freilich nicht neu. Die Bedeutung von Investitionskontrollen ist nicht auf Krisenzeiten beschränkt und die Diskussion darüber ist auch kein österreichisches Spezifikum. Etwa die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten verfügen – so wie auch Österreich – schon jetzt über Mechanismen, die unter gewissen Voraussetzungen eine Kontrolle ausländischer Investitionen ermöglichen. Und auch auf EU-Ebene gibt es erste Ansätze für eine europäische Investitionskontrolle. Nachdem die Europäische Kommission dem Thema Investitionskontrollen lange Zeit kritisch gegenüberstand, ist mit Jänner 2020 eine EU-Verordnung in Kraft getreten, die eine unionsweite Koordinierung und Zusammenarbeit bei der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (FDI) vorsieht (im Folgenden auch FDI-Screening-Verordnung genannt). Zudem hat die Europäische Kommission im Zuge der Covid-19-Pandemie Richtlinien zum Schutz kritischer europäischer Unternehmen und Technologien veröffentlicht. Sie ermuntert die Mitgliedstaaten angesichts der Covid-19-Krise, bestehende Kontrollmechanismen im vollen Umfang zum Schutz auszuschöpfen und – so noch nicht geschehen – Investitionskontrollmechanismen einzuführen. Zusätzlich mehren sich die Stimmen für mehr Kapitalbeteiligungen der öffentlichen Hand.

Reformbedarf

Trotz der gebotenen Eile sollten bei der Überarbeitung des österreichischen Kontrollmechanismus langfristige Überlegungen im Vordergrund stehen. Dazu zählen der Schutz wichtiger Infrastrukturen und strategischer Schlüsselunternehmen, die Sicherstellung von Leistungen der Krisen- und Daseinsvorsorge, aber auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes. Die langfristige Qualität und Effektivität des Schutzmechanismus müssen jedenfalls gewährleistet sein – sei es im Rahmen einer Novellierung des bestehenden Außenwirtschaftsgesetzes oder im Fall der Erlassung eines neuen Investitionskontrollgesetzes. Während unionsrechtliche und völkerrechtliche Rahmenbedingungen selbstverständlich zu beachten sind (ausführlich dazu in unserer Studie zum Thema der Investitionskontrollen in Österreich), können Erfahrungen in anderen Mitgliedstaaten helfen, die Stärken der österreichischen Regelung ebenso wie weitere Verbesserungspotenziale zu identifizieren.

Ausgangssituation

In Österreich ist die Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen derzeit in § 25a des Außenwirtschaftsgesetzes (AußWG) geregelt. Diese auch als „Lex OMV“ bekannte Bestimmung sollte im Licht der neuen europäischen FDI-Screening-Verordnung bereits 2019 novelliert werden. Nachdem die damalige Regierung über die Ibiza-Affäre stürzte, kam diese Novelle jedoch nicht zustande. Das aktuelle Regierungsprogramm betont im Kapitel „Wirtschaft und Finanzen“, dass „die Politik dafür sorgen [muss], dass es nicht zu einem Ausverkauf kritischer Technologie und Infrastruktur kommt“.

Um besser zu verstehen, wie eine solche Stärkung aussehen könnte, ist es sinnvoll, zunächst die geltende Regelung zu skizzieren (eine detailliertere Analyse des bestehenden Mechanismus im Außenwirtschaftsgesetz findet sich in unserer Studie).

Die bestehende Regelung im Außenwirtschaftsgesetz

Die Investitionskontrolle nach dem österreichischen Außenwirtschaftsgesetz ist in Form einer Ex ante-Genehmigungspflicht ausgestaltet. Das heißt, potenzielle Erwerber müssen gegebenenfalls bereits vor Abschluss der geplanten Transaktion einen Genehmigungsantrag stellen.

Wann eine Genehmigungspflicht vorliegt, ist im Außenwirtschaftsgesetz nicht abschließend geregelt. Das Gesetz zählt beispielhaft Bereiche auf, in denen eine Genehmigungspflicht (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) besteht. Grob gesagt können dabei folgende Bereiche unterschieden werden: der Bereich innere und äußere Sicherheit sowie Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der Daseins- und Krisenvorsorge. Letztere umfassen (nach dem Wortlaut des Gesetzes) etwa die Energie- und Wasserversorgung, Telekommunikation, Verkehr und Infrastruktureinrichtungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung und des Gesundheitswesens. Der sachliche Anwendungsbereich für die Genehmigungspflicht ist also weit gefasst und ermöglicht der Wirtschaftsministerin grundsätzlich eine flexible Anwendung. Für einen Investor ist dagegen vorab nicht immer eindeutig erkennbar, ob ein geplanter Erwerb der Genehmigungspflicht unterliegt oder nicht, was eine gewisse Rechtsunsicherheit zur Folge haben kann.

Eine wesentliche Einschränkung der Genehmigungspflicht ergibt sich aus der „Safe harbour“-Bestimmung (§ 25a Abs 4 AußWG): Beträgt der Stimmrechtsanteil eines Drittstaatsinvestors nach dem Erwerb der fraglichen Beteiligung weniger als 25 Prozent, unterliegt dieser Vorgang nicht der Genehmigungspflicht.

Außerdem greift die Genehmigungspflicht in Österreich nur, wenn der Beteiligungserwerb durch einen Investor erfolgt, der außerhalb der EU sowie des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) oder der Schweiz angesiedelt ist. Praktisch können solche Drittstaatsinvestoren eine Genehmigungspflicht daher relativ einfach vermeiden, indem sie Beteiligungen indirekt über zwischengeschaltete EU-Gesellschaften erwerben (so z. B. im Fall der Übernahme einer entsprechenden Beteiligung an der Telekom Austria durch die mexikanische América Móvil von Carlos Slim). Ob in einem solchen Fall eine tatbestandsmäßige Umgehung vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Besteht ein begründeter Umgehungsverdacht, hat die Wirtschaftsministerin eine Genehmigungspflicht amtswegig vorzuschreiben.

Hohe Erwartungen waren zudem mit der Verankerung einer Transparenzbestimmung im Zuge einer Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes im Jahr 2013 verbunden. Der Gesetzgeber wollte durch die Verankerung einer Transparenzbestimmung (§ 25a Abs 14 AußWG) dem in einer demokratischen Gesellschaft bestehenden Informationsbedürfnis Genüge tun. Aus Sicht der Transaktionspraxis bestand außerdem die Hoffnung, dass damit schrittweise Transparenz hinsichtlich der Vollzugspraxis zu § 25a AußWG geschaffen würde. Allerdings ist die Transparenzbestimmung diesen Erwartungen bislang nicht gerecht geworden.

Ansatzpunkte für eine Stärkung der Investitionskontrolle im öffentlichen Interesse

Weiten Anwendungsbereich stärken

Im Interesse der Rechtssicherheit sollte die beispielhafte und nicht abschließende Aufzählung jener Bereiche, die grundsätzlich der Genehmigungspflicht unterliegen, detaillierter gefasst werden. Damit könnte die Vorhersehbarkeit erhöht werden, ohne dass zugleich auf eine gewisse Flexibilität im Vollzug verzichtet werden müsste. Anleihen könnten beispielsweise bei der FDI-Screening-VO bzw. der deutschen Außenwirtschaftsverordnung genommen werden.

Explizit erwähnt werden sollten unter anderem kritische Infrastrukturen physischer und virtueller Art, kritische Technologien sowie die Versorgung mit kritischen Ressourcen. Auch die Funktionsfähigkeit und Sicherheit von IT-Strukturen sollten explizit angeführt werden. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung aller Lebensbereiche stellt das ein vitales Grundinteresse der Gesellschaft dar. Dies betrifft insbesondere auch öffentliche Dienstleistungen sowie Leistungen der Daseinsvorsorge, die vielfach ohne funktionsfähige und sichere IT-Strukturen nicht mehr erbracht werden können.

Mehr prüfen: Senkung der Prüfschwelle

Um in Zukunft eine effektivere Investitionskontrolle gewährleisten zu können, sollte der Schwellenwert von 25 Prozent sektorübergreifend gesenkt werden, also durchgängig für Übernahmen in sämtlichen der erfassten Bereiche (von der kritischen Technologie über die Daseinsvorsorge bis hin zu kritischer wirtschaftlicher Infrastruktur). Gerade in Österreich ist dies wichtig, da (Drittstaats-)Investoren häufig schon bei einer Beteiligung um die 20 Prozent de facto die Kontrolle über das Zielunternehmen erlangen können. Eine Senkung der Schwellenwerte ist auch in anderen Staaten zu beobachten, so etwa in Deutschland oder den USA. Die Genehmigungspflicht könnte demnach bereits durch einen Beteiligungserwerb von 10 Prozent der Stimmrechtsanteile ausgelöst werden.

Durchsetzung bei „Umgehungen“ gewährleisten

Für die Effektivität des Investitionskontrollmechanismus ist darüber hinaus die wirksame Vermeidung von Umgehungen maßgeblich. Unter welchen Voraussetzungen von einem begründeten Umgehungsverdacht auszugehen ist, ist derzeit nicht detailliert geregelt; diesbezüglich kommt der Vollzugspraxis erhebliche Bedeutung zu. Dass die Vollziehung dabei keineswegs mit einem Generalverdacht operiert, verdeutlicht das oben erwähnte Beispiel des Beteiligungserwerbs des mexikanischen Mobilfunkanbieters América Móvil an der Telekom Austria. Dieser erfolgteüber ein niederländisches Erwerbsvehikel, wurde jedoch keiner Genehmigungspflicht gemäß § 25a Abs 11 AußWG unterworfen.

Im Rahmen der deutschen Außenwirtschaftsverordnung wird in diesem Zusammenhang z. B. explizit darauf abgestellt, ob es Anzeichen dafür gibt, „dass eine missbräuchliche Gestaltung oder ein Umgehungsgeschäft zumindest auch vorgenommen wurde, um eine Prüfung … zu unterlaufen“. Eine entsprechende Klarstellung wäre auch im Kontext des österreichischen Kontrollmechanismus sinnvoll; denn derzeit kann eine Umgehungsabsicht relativ leicht – z. B. durch den Verweis auf die steueroptimierenden Effekte der gewählten Gestaltung – abgetan werden kann. Die Wirksamkeit des Umgehungstatbestands würde gesteigert, wenn klargestellt wird, dass es für die amtswegige Vorschreibung einer Genehmigungspflicht genügt, dass die Gestaltung auch dazu dient, die Anwendung der Investitionskontrolle zu unterlaufen.

Transparenz sicherstellen

Dem in einer demokratischen Gesellschaft bestehenden Informationsbedürfnis könnte unseres Erachtens wirksamer entsprochen werden, wenn der Hauptausschuss des Nationalrats bereits frühzeitig in den Prozess der Investitionskontrolle eingebunden wird. Die von Art 6 bzw. Art 7 der europäischen FDI-Screening-VO erfassten Informationen sollten dementsprechend nicht nur an die Kommission bzw. an die übrigen Mitgliedstaaten, sondern eben auch an den Hauptausschuss des NR übermittelt werden.

Dies wäre eine geeignete Ergänzung zur bisherigen Transparenzbestimmung. Durch die Einbindung des Parlaments im laufenden Prozess der Investitionskontrolle wird die Exekutivlastigkeit dieses sensiblen Bereichs etwas zurückgenommen. Dies ist demokratiepolitisch nicht zuletzt auch deshalb von Bedeutung, weil die klassischen parlamentarischen Kontrollinstrumente aufgrund der rasch abgeführten Verfahren in diesem Bereich in der Regel keine wirksame Kontrolle ermöglichen. Wichtig ist dabei freilich, dass die Vertraulichkeit der bereitgestellten Informationen sichergestellt wird; in diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Vorgaben des Informationsordnungsgesetzes zu verweisen.

Einbindung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft

In Erwägungsgrund 14 zur FDI-Screening-VO ist vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten bzw. die Kommission „gegebenenfalls einschlägige Informationen berücksichtigen [können], die sie von Wirtschaftsteilnehmern, Organisationen der Zivilgesellschaft oder Sozialpartnern wie zum Beispiel Gewerkschaften im Zusammenhang mit einer ausländischen Direktinvestition erhalten haben, die voraussichtlich die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung beeinträchtigt“.

Doch in welcher Form können solche Informationen zweckmäßig in den Prozess der Investitionskontrolle eingebracht werden? Eine Möglichkeit wäre z. B. die Errichtung eines Beirats für außenwirtschaftliche Fragen. Das Außenwirtschaftsgesetz bietet dafür in § 78 AußWG eine gesetzliche Grundlage. Im Fall der Erlassung eines neuen Investitionskontrollgesetzes sollte eine entsprechende Bestimmung aufgenommen werden, um die Errichtung eines solchen Beirates für außenwirtschaftliche Fragen zu ermöglichen. Mit der Einbindung der Sozialpartner im Rahmen dieses Beirats besteht somit ein zusätzlicher Ansatzpunkt, um die Transparenz in Fragen der Investitionskontrolle zu stärken.

Fazit

Die Corona-Krise hat mit den Investitionskontrollen erneut ein Thema auf die parlamentarische Agenda gebracht, das langfristig für die Sicherung kritischer Infrastrukturen und Technologien von großer Bedeutung ist: die Kontrolle über Auslandsinvestitionen. Eine Stärkung der Effektivität der Investitionskontrollen ist zu begrüßen. Dabei sollten die Genehmigungsschwelle gesenkt und der Umgehungstatbestand nachgeschärft werden. Die aktuelle Ausnahmesituation unterstreicht zugleich die essenzielle Bedeutung von demokratischer Legitimität und einer starken parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns. Ein neuer Investitionskontrollmechanismus sollte diese zentralen demokratiepolitischen Überlegungen berücksichtigen, trotz – oder gerade wegen – der wirtschaftspolitischen Sensibilität solcher Kontrollen.

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