Die Zukunft des Grünen Deals

27. Mai 2024

Zum Ende ihrer Amtszeit schlägt die Europäische Kommission ein neues, sehr ehrgeiziges Klimaziel vor: Bis 2040 sollen die Treibhausgasemissionen in der Union um 90 Prozent niedriger sein als 1990. Damit will die Kommission den Grundpfeiler des Grünen Deals sichern. Ob das gelingt, hängt nicht zuletzt vom Ausgang der kommenden EU-Wahlen ab.

Der schwierige Weg zur Klimaneutralität

Die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent zu senken ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Gleichzeitig ist es aber auch der logische nächste Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050. Diese ist die zentrale Säule des Grünen Deals, des wichtigsten Projekts der EU in den letzten fünf Jahren.

Das Ziel der Klimaneutralität soll 2050 erreicht werden. Es wurde vor knapp drei Jahren im europäischen Klimagesetz verbindlich festgeschrieben und besagt, dass ab 2050 netto keine klimaschädlichen Gase mehr ausgestoßen werden dürfen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass der verbleibende Ausstoß von Treibhausgasen (THG) dadurch ausgeglichen wird, dass der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen wird – also gewissermaßen durch negative Emissionen.

Um auf dem schwierigen Weg zur Klimaneutralität tatsächlich voranzukommen, legte die Union Zwischenziele fest. Ziel der aktuellen Etappe ist es, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent zu reduzieren (ebenfalls im Vergleich zu 1990). Diese Zahl gab dem großen Gesetzespaket, mit dem dieses Ziel erreicht werden soll, den Namen „Fit for 55“.

Wie weiter nach dem „Fit for 55“-Paket?

Die meisten Rechtsvorschriften des „Fit for 55“-Pakets traten im vergangenen Jahr in Kraft. Sie waren zum Teil heftig umstritten, etwa die schrittweise Abschaffung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten im Emissionshandelssystem der EU (EU ETS) oder die Einbeziehung von Heiz- und Kraftstoffen in ein eigenes Emissionshandelssystem ab 2027.

Nun ist es an der Zeit, über das Jahr 2030 hinauszublicken und die Ziele für die Zeit danach festzulegen. Das EU-Klimaschutzgesetz sieht vor, dass die Kommission einen Gesetzesvorschlag für ein Klimaziel 2040 vorlegt. Als ersten Schritt veröffentlichte sie eine Empfehlung für das Klimaziel 2040 in Form einer Mitteilung. Die Aufgabe, sich auf ein Gesetz zu einigen, mit dem das Klimaziel rechtlich verbindlich gemacht wird, müssen Rat und Parlament in der kommenden Legislaturperiode bewältigen.

Wegmarken für die nächste Kommission

Mit der Mitteilung und der begleitenden Folgenabschätzung will die jetzige Kommission der nächsten Kommission, die nach den Wahlen zum Europäischen Parlament eingesetzt wird, sowie Rat und Parlament die weitere Richtung der Klimapolitik vorzeichnen.

Denn verschiedene politische und ökonomische Entwicklungen lassen es fraglich erscheinen, ob die nächste Kommission den ambitionierten klimapolitischen Kurs der scheidenden Kommission fortsetzen wird. Diese Entwicklungen reichen von der Energiekrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine und der dadurch ausgelösten Inflation über die Erosion der internationalen Wirtschaftsordnung und den zunehmenden Unilateralismus, der sich in Schritten wie dem Inflation Reduction Act (IRA) der USA, aber auch im Brexit manifestiert, bis hin zu der Lücke, die der Abgang eines politischen Mentors auf diesem Gebiet, des ehemaligen Klimakommissars Frans Timmermans, hinterlässt.

In einigen Einzelfragen zeigten sich zuletzt Risse im Konsens, der die Umsetzung des Grünen Deals über weite Strecken geprägt hatte. So wurde auf Druck Deutschlands das generelle Verbot der Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotor zu einem ungewöhnlich späten Zeitpunkt verwässert. Das Ziel des Grünen Deals, den Einsatz von Pestiziden zu halbieren, wurde nach Bauernprotesten aufgegeben. Das Renaturierungsgesetz droht an einigen Mitgliedstaaten zu scheitern.

EU-Wahl entscheidend für die Zukunft des Grünen Deals

Damit ist eine Polarisierung der politischen Ziele zu beobachten, die in Zeiten des Wahlkampfes zum Europäischen Parlament durchaus verständlich ist. Statt der mühsamen Arbeit an Kompromissen werden die Botschaften und Versprechen auf die jeweiligen Gruppen ausgerichtet, die die zur Europawahl antretenden Parteien im Visier haben. Und so ist es auch verständlich, dass die scheidende Kommission nicht sicher sein kann, dass die nächste Kommission ihren Kurs im Wesentlichen fortsetzen wird. Noch ist das Bild uneinheitlich, ob die konservativen Parteien sich für eine ambitionierte oder eher eine verwässerte Klimapolitik einsetzen.

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Als Ursula von der Leyen sich 2019 um das Amt der Kommissionspräsidentin bewarb, war sie in der Klimapolitik weitgehend frei von parteipolitischen Zwängen. Sie musste die Mehrheit der Stimmen im Europäischen Parlament auf sich vereinen. Das Versprechen eines Grünen Deals, der ambitionierte Klimapolitik mit einem grünen Wachstumsprogramm verbinden sollte, sicherte ihr damals eine knappe Mehrheit mit Stimmen aus der sozialdemokratischen und der liberalen Fraktion.

Fünf Jahre später haben sich die Herausforderungen verändert. Aktuelle Prognosen gehen von einem Rechtsruck im EU-Parlament aus. Auf der rechten Seite des politischen Spektrums ist eine Wirtschaftspolitik zu erwarten, die stärker auf Wachstum, Abschottung und Marktideologie setzt. Verteilungsfragen und der soziale Ausgleich zwischen Arm und Reich spielen eine untergeordnete Rolle. Wenn Ursula von der Leyen diesmal die Mehrheit für ihre Wiederwahl im rechten Lager sucht, wird dies mit einer Aufweichung einiger Ziele des Grünen Deals einhergehen.

Der Ausgang der Wahlen zum Europäischen Parlament am 9. Juni hat daher auch weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft des Grünen Deals im Allgemeinen und auf das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent zu reduzieren.

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