Mitte August findet wieder der jährliche Aufnahmetest für das Medizinstudium statt. Was in der Berichterstattung darüber meist unbeachtet bleibt: Das Medizinstudium ist weitgehend eine Domäne von „AkademikerInnenkindern“. Die soziale Durchmischung an den Hochschulen hat sich aber auch in anderen Studienfeldern in den vergangenen Jahren leider nicht zum Besseren entwickelt.
Österreichs Bildungsforschung weist regelmäßig nach: Soziale Herkunft und Elternbildung sind nach wie vor die bestimmenden Faktoren für die Bildungslaufbahn der Kinder. Das österreichische Schulsystem verstärkt durch seine starke Gliederung und frühe Selektion (AHS – Hauptschule/NMS) die ungleiche Ausgangslage der Familien. Bei jeder Etappe des Bildungsweges von der Volksschule bis zum Doktortitel öffnet sich die soziale Schere weiter und viele Talente gehen verloren.
Aber auch an der Spitze der formalen Bildungspyramide, dem Hochschulsystem, differiert die soziale Durchmischung stark nach Hochschultyp und Studium. An Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen sowie in den Gesundheitswissenschaften (exklusive Medizin) ist beispielsweise der Anteil der Studierenden mit Eltern ohne Matura am höchsten, an Privatuniversitäten sowie beim Medizinstudium am niedrigsten.
Um der sozialen Schieflage im Hochschulsystem entgegenzuwirken, wurde 2017 vom Wissenschaftsministerium erstmals eine „Nationale Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung“ erarbeitet, die zahlreiche Maßnahmen sowie quantitative Ziele bis 2025 enthält. Erste Schritte der Implementierung wurden bei den Leistungsvereinbarungen 2019–21 mit den Universitäten gesetzt. Allerdings zeigt die neue Studierenden-Sozialerhebung (SOLA 2019), dass man sich tendenziell eher von den Zielgrößen entfernt, als ihnen näherzukommen – d. h. die soziale Spaltung wird größer.
„AkademikerInnenkinder“ nach wie vor überrepräsentiert
Zunächst das Positive: Laut SOLA 2019 sind zwei Drittel der StudienanfängerInnen sogenannte „first generation students“, d. h. die Eltern haben als höchsten Bildungsabschluss eine Matura. Im europäischen Vergleich ist der Anteil von Studierenden mit „Nicht-AkademikerInnen-Eltern“ sogar verhältnismäßig hoch.
Allerdings ist dies kein Beleg für einen sozial ausgewogenen Hochschulzugang. Denn relevant ist der innerösterreichische Vergleich mit der Gesamtbevölkerung, und hier zeigt sich, dass „AkademikerInnenkinder“ mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit ein Studium beginnen als Kinder von Eltern ohne Studium. Erstere haben in der Regel bereits während ihrer Schullaufbahn von der (finanziellen) Unterstützung der Eltern, deren Erfahrungen und Netzwerken profitiert – Ressourcen, die Letzteren nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen.
Generell ist die Wahrscheinlichkeit, ein Universitäts- oder Fachhochschulstudium aufzunehmen, für Personen aus „bildungsnahen“ Schichten 2,5-mal so hoch wie für jene aus Familien, bei denen die Eltern keine Matura oder akademische Bildung haben.
Im Vergleich zu 2015 wurde die Situation nicht besser, im Gegenteil: Der Indikator „Rekrutierungsquote/Wahrscheinlichkeitsfaktor zur Studienaufnahme“ hat sich an öffentlichen Universitäten, die mehr als drei Viertel der Studierenden besuchen, sogar verschlechtert. 2015 lag die Wahrscheinlichkeit, dass StudienanfängerInnen aus „bildungsnahem“ Elternhaus ein Universitätsstudium aufnehmen um 2,68-mal höher als von Studierenden mit Eltern ohne Matura. 2019 ist der Wert sogar noch weiter auf 2,98 gestiegen.