Mit dem Fokus auf aggregierte Statistiken droht zunehmend der Bezug zu den „Menschen hinter den Zahlen“ verloren zu gehen. Dabei sind es ihre Erfahrungen, die wesentlich sind. Was bedeutet das, wenn es heißt: „368.000 Kinder und Jugendliche sind armuts- und ausgrenzungsgefährdet“? Dank sozialer Hilfen, Kollektivverträgen oder des freien Zugangs zu Bildung geht es doch selbst jenen halbwegs gut, die wenig haben? Eine Analyse von Interviews mit neun Aufsteiger:innen zeigt, wie sehr Armut mit Leid und der Weg aus der Armut mit sozialen Begegnungen verknüpft ist. Armutsbekämpfung braucht höchste Priorität!
Armut schafft eine parallele Realität
Chloe wohnt mit drei ihrer sechs Geschwister am Dachboden. Auch Alena schläft (und spielt) zu dritt, manchmal gar zu viert in einem 12-Quadratmeter-Zimmer. An Privatsphäre ist bei beiden kaum zu denken. Konstis Mutter versucht mit zwei Kindern als Alleinerzieherin über die Runden zu kommen. Wenn sie keine Anstellung als Hilfsarbeiterin bekommt, ist sie auf Sozialleistungen angewiesen. Zu dritt wohnen sie in einer 2-Zimmer-Substandardwohnung der Stadt Wien. Neben dem Schimmelbefall macht ihnen das fehlende Warmwasser zu schaffen. Konsti kann seiner Körperhygiene nicht angemessen nachkommen, neue Kleidung kann sich die alleinerziehende Mutter nicht leisten. Auch Sophies Mutter ist alleinerziehend. Aufgrund psychischer Probleme fällt es ihr schwer, eine Arbeit zu halten, Hilfen zu beantragen oder Sophie altersadäquat zu versorgen. Sophie hat Angst, denn Essen oder Medikamente sind nicht immer leistbar. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr ist Sophie 13-mal umgezogen. Fast immer müssen Mutter und Tochter ihr Hab und Gut zurücklassen. Urlaube oder die Förderung von Interessen sind, wenn sie nicht als „Sozialprojekt“ angeboten werden, fernab jeglicher Realität der Familien.