Die Verfügbarkeit, Qualität und Kosten von elementaren Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sind zentral für das mögliche Erwerbsausmaß von berufstätigen Müttern. In Niederösterreich kam es 2023 und 2024 im Zuge der NÖ Kinderbetreuungsoffensive zu einigen Verbesserungen beim Angebot, das belegt jetzt auch die neue Statistik zur elementaren Bildung. In der Praxis kommen die Verbesserungen aber (noch) nicht bei allen Familien an. Ein Rechtsanspruch auf einen Bildungs- und Betreuungsplatz gibt es weiterhin nicht.
Erwerbsausmaß von Müttern: Teilzeit ist nicht gleich Teilzeit
In Österreich sind die meisten Mütter von Kindergartenkindern Teilzeit beschäftigt, das Stundenausmaß (ILO) unterscheidet sich aber stark nach Bundesland: Frauen aus Wien mit Kindern zwischen 3 und 5 Jahren arbeiteten 2023 am häufigsten in höherer Teilzeit (25 bis 35 Stunden pro Woche), während Frauen in Niederösterreich am häufigsten in geringerer Teilzeit beschäftigt waren (12 bis 24 Stunden pro Woche).
Ein höheres Stundenausmaß macht einen großen Unterschied für die finanzielle Absicherung und die beruflichen Chancen von Personen mit Kinderbetreuungspflichten.
Ein Grund für das höhere Erwerbsausmaß in der Bundeshauptstadt liegt darin, dass dort auch der Anteil der Kinder (3 bis 5 Jahre) in vollzeittauglichen Einrichtungen seit Jahren am höchsten ist (90 Prozent). Im Gegensatz zu Niederösterreich gibt es in den Wiener Kindergärten auch nachmittags kostenfreie Bildung und Betreuung.
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Auch innerhalb eines Bundeslandes hängt das Erwerbsausmaß von Frauen mit dem Betreuungsangebot zusammen, wie aus einer 2020 veröffentlichten Studie zu Teilzeitbeschäftigung in Niederösterreich hervorgeht: Frauen im Industrieviertel weisen doppelt so häufig (43,8 Prozent) eine hohe Teilzeit (über 30 Stunden) auf als im Mostviertel (21,5 Prozent), wo der Anteil an vollzeittauglichen Einrichtungen deutlich geringer ist.
Die neue Statistik zeigt für Niederösterreich große Verbesserungen
Niederösterreich war in Bezug auf die Öffnungszeiten der Kindergärten in der Statistik für 2022/23 noch Schlusslicht im Bundesländervergleich. Der Anteil der drei- bis fünfjährigen Kinder in vollzeittauglichen Einrichtungen (laut VIF-Vereinbarkeitsindikator ) lag damals bei 26,4 Prozent. Im aktuellen Analysezeitraum 2023/24 hat sich dieser Wert auf 52,9 Prozent verdoppelt. Nun liegt Niederösterreich im Mittelfeld, allerdings noch immer weit hinter Wien und dem Burgenland.
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Zu erklären ist der enorme Anstieg durch einige neue Förderungen und gesetzliche Änderungen im Zuge der 2022 beschlossenen NÖ Kinderbetreuungsoffensive:
Der Kindergarten in Niederösterreich bleibt seit den Sommerferien 2023 bei Bedarf der Eltern nur noch eine Woche (statt drei) geschlossen , was insgesamt zu einer deutlichen Reduktion der jährlichen Schließtage geführt hat.Städte/Gemeinden sind seit Herbst 2023 gesetzlich dazu angehalten , selbst oder in Kooperation mit anderen, „bedarfsorientiert VIF-konforme Öffnungszeiten“ im Zeitrahmen von 6 bis 18 Uhr anzubieten . Viele Gemeinden haben daher zumindest in einer Gruppe die Öffnungszeiten an vier Tagen auf 9,5 Stunden (VIF-konform) erhöht.Durch eine neue Trägerförderung wurde mit Herbst 2023 auch ein beitragsfreier Vormittag für 0- bis 3-Jährige in Tagesbetreuungseinrichtungen (TBEs) ermöglicht. Bisher war der Besuch am Vormittag nur in den öffentlichen Landeskindergärten kostenlos. Die bessere Leistbarkeit und Nutzung dieses Einrichtungstyps (TBE) hat neben einer Erhöhung der Betreuungsquote auch zu einem höheren Anteil an Kindern in VIF-konformen Einrichtungen geführt, da auch die Öffnungszeiten hier im Durchschnitt besser sind.
Bei der Interpretation der im Monitoring-Bericht über die elementare Bildung verwendeten Begriffe ist dennoch Vorsicht geboten. So werden die Kinder in VIF-konformen Einrichtungen nicht alle automatisch auch VIF-konform betreut. Zudem wird als ganztägig bereits eine Anwesenheitsdauer von mindestens 6 Stunden gewertet. In Niederösterreich entsprechen 6 Stunden (7 bis 13 Uhr) genau der beitragsfreien Zeit am Vormittag, weshalb der Anteil „ganztägig“ betreuter Kinder im Vergleich mit den anderen Bundesländern immer schon überdurchschnittlich hoch ist.
Chancen und Grenzen der NÖ Kinderbetreuungsoffensive
Mit September 2024 sind die letzten gesetzlichen Änderungen der NÖ Kinderbetreuungsoffensive in Kraft getreten: Reduktion des möglichen Eintrittsalters in den Kindergarten auf 2 Jahre (statt 2,5) sowie Reduktion der Gruppengrößen bzw. des Betreuungsschlüssels. Diese Verbesserungen sind, gemeinsam mit den beschriebenen Änderungen von 2023, ohne Zweifel ein großer Schritt in Richtung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In der Praxis können nicht alle Familien davon profitieren:
Durch den weiterhin fehlenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz hilft die Öffnung des Kindergartens für Zweijährige nur bedingt: In vielen Städten und Gemeinden übersteigt die Nachfrage das Platzangebot und nicht alle Kinder können aufgenommen werden. Auch Plätze in TBEs gibt es nicht ausreichend. Das kostenlose Angebot am Vormittag in Tagesbetreuungseinrichtungen ist gesetzlich nicht verpflichtend, sondern resultiert aus einer Trägerförderung des Landes mit bestimmten Auflagen. Es ist also nicht gesichert, dass alle Einrichtungen in Niederösterreich die Förderung auch beantragen. Für die Nachmittagsbetreuung und das Mittagessen müssen Eltern auch weiterhin bezahlen , das gilt sowohl für Kindergärten als auch für TBEs. Die Leistbarkeit ganztägiger Betreuung im Kindergarten ist nicht für alle Familien gegeben. Die neuen Ansprüche der Eltern gegenüber den Gemeinden , wie die Bereitstellung bedarfsgerechter Öffnungszeiten oder die Leistung von Zuzahlungen an andere Gemeinden bei dort verfügbaren Plätzen müssen proaktiv eingefordert werden . Viele Familien wissen aber (noch) nichts von den neuen Möglichkeiten, scheuen sich vor möglichen Widerständen oder wollen aus Angst vor sozialer Stigmatisierung (einziges Kind, das bis 17 Uhr bleibt) keine zusätzlichen Ressourcen für sich einfordern. Auch die Ferienschließzeiten sind – anders als im Ganzjahreskindergarten im Burgenland – abhängig von einer Bedarfserhebung.Es ist zu befürchten, dass es trotz der Verbesserungen im Bereich der Betreuungsqualität (Gruppengröße, Betreuungsschlüssel) zu Qualitätseinbußen kommt, da ausreichend qualifiziertes Personal fehlt . Um den gesteigerten Personalbedarf zu meistern, dürfen laut neuem NÖ Kindergartengesetz auch Personen mit (noch) nicht abgeschlossener pädagogischer Ausbildung eingesetzt werden. In TBEs ist der Einsatz von Elementarpädagog:innen erst gar nicht erforderlich. Für Eltern spielt die Bildungs- und Betreuungsqualität eine entscheidende Rolle für die Inanspruchnahme der Angebote, wie auch aus der ÖIF-Studie zur Kleinkindbetreuung in Niederösterreich hervorgeht. Kleinkindgruppen (TBEs) wird im Vergleich zu Kindergärten deutlich weniger Vertrauen entgegengebracht.
Was braucht es, damit alle Familien profitieren können?
Damit alle Eltern auch tatsächlich frei wählen können, wann und in welchem Ausmaß sie (wieder) erwerbstätig sein wollen, braucht es:
einen Rechtsanspruch auf einen leistbaren und wohnortnahen Kinderbildungs- und -betreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag, eine Personaloffensive , die auch bessere Arbeitsbedingungen und Höherqualifizierung beinhaltet, weitere Investitionen in Qualität und Ausbau von elementaren Bildungseinrichtungen.
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