Alles unter einem Hut? Herausforderung Vereinbarkeit

28. März 2024

Die Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem ist jungen Oberösterreicherinnen besonders wichtig, erhebt eine Studie im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich. Leider ist gute Vereinbarkeit bei Weitem nicht für alle Realität: Insbesondere, wenn Kinder da sind und die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und der eigenen Berufstätigkeit als Belastung empfunden wird, sind Frauen mit der Vereinbarkeit eindeutig unzufriedener. Zusätzlich zeigt sich eine enorme Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit bei der Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern.

Eine von fünf ist mit der Vereinbarkeit unzufrieden

Für fast alle in der Online-Erhebung des Instituts für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung (IBE) zu unterschiedlichen Lebensbereichen im ersten Quartal 2023 befragten jungen Frauen (3.576 junge Oberösterreicherinnen zwischen 18 und 35 Jahren) hat die Vereinbarkeit einen hohen Stellenwert: 99 Prozent haben angegeben, dass die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie für sie sehr bzw. eher wichtig ist. Leider ist diese in der Realität für viele junge Frauen nicht gegeben: Rund eine von fünf Frauen ist sehr bzw. eher unzufrieden mit der Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem. Viele müssen aufgrund der vielfältigen Anforderungen an sie privat zurückstecken: Knapp jede Dritte (30 Prozent) findet (eher) keine Zeit für soziale Kontakte. 41 Prozent haben (eher) nicht genügend Zeit für eigene Interessen und Hobbys. Besonders unzufrieden mit der Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem sind Mütter, die die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und eigener Berufstätigkeit als belastend wahrnehmen. Das geben zwei Drittel der berufstätigen jungen Frauen mit Kind an!

Eine Ursache des Problems: fehlende Kinderbetreuung

Häufige Ursache für die beschriebene Lebenssituation bzw. die Unzufriedenheit ist ein unzureichendes Kinderbildungs- und -betreuungsangebot, das nicht zeitgemäß ist und sich nicht an den Realitäten von Arbeitnehmer:innen orientiert. Oberösterreich belegt im Bundesländer-Ranking bei den unter Dreijährigen weit abgeschlagen den letzten Platz: Nur 5 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe waren 2022/23 „vollzeittauglich“ betreut. Nicht sehr viel besser zeigt sich die Situation bei den Drei- bis Sechsjährigen: Hier belegte Oberösterreich im Kindergartenjahr 2022/23 den vorletzten Platz. Jungen Oberösterreicherinnen mit Kind(ern) bekommen das deutlich zu spüren, wenn sie einen Betreuungsplatz suchen: Mit den verfügbaren Plätzen in den Krabbelstuben sind 34 Prozent (eher) unzufrieden, mit den Kosten der Kinderbetreuung sind 42 Prozent (eher) unzufrieden. Ein unzureichendes, kostenintensives und unflexibles Angebot an Kinderbildung und -betreuung erschwert eine gute Vereinbarkeit. Das Problem bleibt dann in den allermeisten Fällen an den Frauen hängen, die sich im Spannungsfeld der Vereinbarkeit aufreiben. Besonders in ländlichen Regionen widerspricht das Angebot den Bedürfnissen junger berufstätiger Mütter stark. Eine Befragungsteilnehmerin schildert:

„Am Land hat der Kindergarten von 8 bis 12 geöffnet und die Volkschule von 7.30 bis 12.30. Wie soll man bei diesen Zeiten arbeiten gehen?!

Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig überraschend, dass viele junge Frauen, besonders wenn sie Mütter sind, in Teilzeit arbeiten (müssen), um selbst Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit zu schaffen.

Teilzeit, um Vereinbarkeit sicherzustellen

90 Prozent der in der Studie befragten Berufstätigen mit Kind arbeiten in Teilzeit. Bei jenen ohne Kind sind es „nur“ 23 Prozent. Junge Frauen mit Kind arbeiten nicht nur häufiger in Teilzeit als Frauen ohne Kind – auch ihre Motive unterscheiden sich weitgehend: Für Frauen ohne Kind(er) sind Zeit für persönliche Interessen (49 Prozent) und Aus- und Weiterbildung (46 Prozent) häufig der Grund ihrer Teilzeitbeschäftigung. Zeitdruck und Stress drängen rund ein Viertel der Befragten ohne Kinder (23 Prozent) in Teilzeit. Erschreckend ist, dass fast ein Fünftel (19 Prozent) aufgrund gesundheitlicher Gründe keiner Vollzeitstelle nachgehen kann. 13 Prozent sind in Teilzeit gezwungen, weil sie keine passende Vollzeitstelle gefunden haben. Bei Befragten mit Kind stellt Teilzeit für 90 Prozent eine Möglichkeit dar, um Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren. Trotzdem ist das nicht immer freiwillig – denn ein Viertel der Frauen mit Kind gibt an, dass sie kein passendes Kinderbetreuungsangebot gefunden haben und deshalb zu Teilzeit gezwungen sind.

© A&W Blog


Partnerschaftliche Aufgabenverteilung: zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Dass sich die jungen Oberösterreicherinnen insgesamt eine partnerschaftliche Aufgabenaufteilung wünschen und gleichermaßen für Haushalt und Einkommen verantwortlich sein möchten, zeigen die Ergebnisse der Studie klar. Doch die Realität der jungen Frauen holt sie ein: Zwar wollen zwei Drittel der befragten Frauen, die mit Kind und Partner:in in einem gemeinsamen Haushalt leben, dass Kinderbetreuung zwischen Eltern 50:50 aufgeteilt wird, in Wirklichkeit ist das aber nur bei 21 Prozent auch tatsächlich der Fall. 59 Prozent der befragten Mütter haben den Wunsch, gleichberechtigt zum Familieneinkommen beizutragen. Nur 29 Prozent schaffen das auch. Am eklatantesten ist die Diskrepanz beim Haushalt: 73 Prozent wollen hier „halbe-halbe“. Die Realität: Nur 21 Prozent teilen die Arbeiten im Haushalt zu gleichen Teilen auf.

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„Backlash“ kommt mit Kind

Zwar sprechen sich tendenziell alle befragten Frauen für eine innerfamiliäre Aufgabenaufteilung der Care-Arbeit auf Augenhöhe aus, die Ergebnisse zeigen aber klar, dass junge Frauen ohne Kind signifikant häufiger eine gleichberechtigte Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern einfordern als Frauen mit Kind: Während rund neun von zehn befragten Frauen ohne Kind sich 50:50 bei der Kinderbetreuung wünschen, sind es bei den Frauen mit Kindern nur noch rund sieben von zehn. Am weitesten klaffen die Meinungen auseinander, wenn es um die Elternkarenz geht – nur drei von zehn der Befragten mit Kind wünschen sich eine gleichberechtigte Karenzaufteilung, jedoch sechs von zehn Frauen ohne Kind. Auffällig war außerdem, dass acht von zehn Frauen ohne Kind der Meinung sind, Mutter und Vater sollten beide fürs Geldverdienen verantwortlich sein, bei den Frauen mit Kindern waren es nur mehr sechs von zehn. Dass es mit der Geburt eines Kindes zu einer Art „Backlash“ kommt, dürfte an den vielfältigen Benachteiligungen liegen, die durch eine Mutterschaft für die Frauen greifbarer und offensichtlicher werden. Ohnmächtig gegenüber den diskriminierenden Strukturen, die junge Frauen vorfinden – angefangen von mangelndem Kinderbildungs- und -betreuungsangebot bis hin zu den niedrigeren Einkommen, die Fraueneinkommen letztlich für Familien leichter entbehrlich machen als die durchschnittlich deutlich höheren Männereinkommen –, kommt es zu Resignation und einem Arrangieren mit dem Status quo als vermeintlich leichtere Lösung.

Niedrige Fraueneinkommen betonieren Geschlechterrollen ein

Dass vor allem Frauen nach der Geburt eines Kindes in die unbezahlte Care-Arbeit gedrängt werden und maximal als Zuverdienerinnen fungieren, ist in den allermeisten Fällen eine Folge finanzieller Abwägungen: Noch immer verdienen Frauen bundesweit trotz ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung um durchschnittlich 16,6 Prozent weniger (2022). In OÖ sogar um 20,7 Prozent. Auf die Frage: „Welchen Handlungsbedarf sehen Sie in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern?“ haben viele Befragungsteilnehmerinnen auf die zentrale Rolle des geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiedes verwiesen. So stellt beispielsweise eine junge Frau fest:

Vielmals sind Männer deshalb die Hauptverdiener einer Familie, da es aus finanzieller Sicht am sinnvollsten ist.“

Die direkten Kosten langer Teilzeitphasen beim Einkommen und die indirekten später bei niedrigeren Pensionsansprüchen sowie ein erhöhtes Altersarmutsrisiko tragen Frauen allein. Viele sind sich dessen in jungen Jahren nicht bewusst.

Es ist Zeit, die Spirale zu durchbrechen!

Um tatsächliche Gleichstellung Realität werden zu lassen, müssen diese Strukturen aufgebrochen werden. Dazu braucht es vor allem den Ausbau sozialer Dienstleistungen sowie endlich gleichen Lohn für gleich(wertig)e Arbeit. Im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit muss Vereinbarkeit auch verstärkt Männer bzw. Väter in die Verantwortung nehmen und die Betriebe müssen familienfreundlicher werden. Dafür braucht es allem voran:

Massiven Ausbau sozialer Dienstleistungen:

  • Flächendeckenden Ausbau qualitätsvoller, kostenloser und vollzeittauglicher Kinderbildungs- und -betreuungsplätze,
  • Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag,
  • Ausbau der professionellen mobilen und stationären Pflege und Betreuung.

Gleichen Lohn für gleich(wertig)e Arbeit

  • Umfassende gesellschaftliche und finanzielle Aufwertung sogenannter Frauenbranchen,
  • kollektivvertraglichen Bruttomonatslohn von mind. 2.000 Euro pro Monat,
  • transparente Einkommen durch rasche und effiziente Umsetzung der EU-Lohntransparenzrichtlinie.

UmFAIRTeilung bezahlter und unbezahlter Arbeit:

  • Reform des Kinderbetreuungsgeldes, sodass attraktive Rahmenbedingungen und mehr Anreize für mehr Väterkarenz geschaffen werden,
  • Betriebe müssen familienfreundliche Arbeitsbedingungen anbieten, bspw. durch Betriebskindergärten, auf die Betreuungspflichten abstellende flexible Arbeitszeitregelungen, Sitzungen und Dienstbesprechungen in der Kernarbeitszeit, …
  • generelle Arbeitszeitverkürzung als Chance für mehr Geschlechtergerechtigkeit. 
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