Unternehmen müssen kontrollieren und belegen, dass bei ihren Importen in die EU kein Unrecht geschieht: Was hoffentlich bald für die gesamte Lieferkette gilt, ist bei vier Rohstoffen – den sogenannten Konfliktmineralen – bereits der Fall. Akteur:innen, die sich für ein umfassendes Lieferkettengesetz einsetzen, können aus der erstmaligen Umsetzung der EU-Konfliktminerale-Verordnung viel lernen. Denn eine Analyse zeigt vermeidbare Lücken und Schwachstellen.
Konflikte und Menschenrechtsverletzungen unterbinden
Sie stecken in Smartphones, Notebooks und Fernsehern – ihr Abbau findet oft unter menschenunwürdigen Bedingungen statt und finanziert oder verlängert mitunter bewaffnete Konflikte. Die Rede ist von den Mineralen Tantal, Wolfram, Zinn und Gold, die in großen Mengen auch nach Europa importiert werden. Seit dem 1. Jänner 2021 müssen Unternehmen, die das tun, Sorgfaltspflichten erfüllen. Das sieht die EU-Konfliktminerale-Verordnung (EU 2017/821) vor. Ihr Ziel ist es, die Möglichkeiten für bewaffnete Gruppen zum Handel mit den angeführten Mineralen einzuschränken und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.
Bei der Umsetzung von Sorgfaltspflichten orientiert sich die EU-Verordnung am OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten. Der OECD-Leitfaden sieht einen fünfstufigen Prozess vor. Dieser beginnt mit dem Aufbau eines Managementsystems, das die Umsetzung von Sorgfaltspflichten operativ gewährleistet und die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette ermöglicht. Im Folgenden müssen Unternehmen eine Risikobewertung durchführen und eine Risikostrategie implementieren. Bei der Bewertung können sich Unternehmen dabei auf Prüfberichte (Audits) ihrer Zulieferer in der Lieferkette beziehen. Sind diese nicht vorhanden, muss das Unternehmen die Risiken in der Kette selbst ermitteln und die Ergebnisse von unabhängiger Seite prüfen lassen. In einem vierten Schritt müssen die Unternehmen alle ihre Tätigkeiten, die der Erfüllung der Sorgfaltspflichten dienen, nach den Grundsätzen Unabhängigkeit, Kompetenz und Rechenschaftspflicht auditieren lassen. Den Abschluss des Prozesses stellt die öffentliche Berichtslegung dar. Die Dokumente zum Nachweis der Erfüllung der Sorgfaltspflichten sind für fünf Jahre aufzubewahren.
Vorzüge und Lücken der EU-Verordnung
Einerseits geht die EU-Verordnung weiter als vergleichbare Regelungen: Im Unterschied etwa zum US-amerikanischen Artikel 1502 des Dodd-Frank-Act bezieht sie sich nicht nur auf die Demokratische Republik Kongo und ihre Nachbarstaaten. Stattdessen müssen Unternehmen, die unter die Verordnung fallen, eine Risikobewertung und entsprechendes -management durchführen, egal wo ihre Konfliktmineral-Importe herkommen. Die EU-Kommission unterstützt sie dabei durch eine vierteljährlich zu aktualisierende Liste von Conflict Affected and High Risk Areas. Diese Liste ist unverbindlich und soll den Unternehmen lediglich als Unterstützung dienen.
Andererseits fällt die EU-Verordnung in anderen Bereichen aber hinter die Intention des OECD-Leitfadens und seine Leitlinien und zum Teil auch hinter Artikel 1502 des Dodd-Frank-Act zurück. So umfasst die EU-Verordnung nur die Minerale Tantal, Wolfram, Zinn sowie Gold und bezieht anders als der OECD-Leitfaden keine weiteren mineralischen Rohstoffe mit ein. Außerdem umfasst die Verordnung ausschließlich Unternehmen des Upstream-Bereichs. Das heißt, die EU-Verordnung verpflichtet nur Importeure von Rohprodukten zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten. Als Rohprodukte gelten dabei die mineralischen Rohstoffe an sich sowie ihre Metalle, die in Hütten und Raffinerien hergestellt werden. Unternehmen des Downstream-Bereichs, die Zwischen- oder Endprodukte in die EU importieren, in welchen Tantal, Wolfram, Zinn oder Gold verarbeitet ist, fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung. Das stellt eine bedenkliche Lücke im Vergleich zu den OECD-Leitsätzen und zu Artikel 1502 des Dodd-Frank-Act dar. Beide beziehen sich sowohl auf Unternehmen des Upstream- als auch des Downstream-Bereichs.
Der Anwendungsbereich der EU-Verordnung ist aber noch weiter eingeschränkt: Unternehmen des Upstream-Bereichs sind erst dann zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten verpflichtet, wenn sie bestimmte Schwellenwerte beim Import der entsprechenden Mineralien überschreiten (angeführt im Anhang der Verordnung). Nach der Verabschiedung der Verordnung im Mai 2017 gewährte die EU-Kommission den nationalen Behörden sowie den Unternehmen eine dreieinhalbjährige Übergangsfrist bis zur erstmaligen Umsetzung im Jahr 2021 und entsprechenden Berichtslegung 2022.
Studie: Die Umsetzung in Österreich
Die EU-Verordnung wird in Österreich durch eine Novelle des Mineralrohstoffgesetzes (MinroG) umgesetzt. Seit Juni 2022 ist die Abteilung Mineralrohstoffpolitik im Bundesministerium für Finanzen (BMF) für die Festlegung der Sorgfaltspflichten sowie für nachträgliche Kontrollen zuständig. Im Referenzjahr 2021 haben 15 Unternehmen des Upstream-Bereichs in Österreich die Schwellenwerte der EU-Verordnung überschritten und waren demgemäß verpflichtet, Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Die entsprechenden Berichte darüber mussten bis Ende März 2022 abgelegt und veröffentlicht werden. Zum Stichtag hatten zwölf der 15 Unternehmen einen Bericht auf ihrer Website veröffentlicht. Drei Unternehmen waren auch mit Stand Ende August noch säumig.
Die vorliegenden Berichte wurden kürzlich von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) in einer Studie analysiert. Anleitend für die Analyse waren die Anforderungen der EU-Verordnung. Berichte wurden demgemäß darauf geprüft, inwiefern sie die folgenden Inhalte aufweisen:
- eine Beschreibung der Schritte zur Umsetzung der Pflichten in Bezug auf das Managementsystem;
- eine Darstellung des Risikomanagements;
- einen zusammenfassenden Bericht der von Dritten durchgeführten Prüfungen mit Angabe des Namens der prüfenden Stelle.
Die Studie zeigt dabei ein gemischtes Bild: Ausführliche Berichte, die die Vorgaben im vollen Ausmaß erfüllen, konnten genauso identifiziert werden, wie Berichte, die sich auf das Notwendigste beschränken. Andere Berichte scheinen vor dem Hintergrund der Anforderungen der EU-Verordnung als nur eingeschränkt aussagekräftig bis unzureichend. Gründe für diese Unterschiede findet die Studie in den unterschiedlichen Ausgangssituationen der Unternehmen, aber auch in der jeweiligen Priorität, die das Thema auf Unternehmensebene erhält.
Keine spürbaren Strafen
Dass es sich Unternehmen leisten können, trotz gesetzlicher Vorgaben die Sorgfaltspflichten nicht zu erfüllen, liegt unter anderem daran, dass sie von staatlicher Seite wenig zu befürchten haben: In ihrer Stellungnahme zum Entwurf der Novelle des MinroG stellte die Bundesarbeitskammer bereits fest, dass sich aufgrund einer fehlenden spezifischen Bestimmung die Zwangsstrafen auf die Vorgaben aus dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz beschränken. Das bedeutet, dass die Strafe, die das österreichische Durchführungsgesetz bei Nichteinhaltung von Aufforderungen der zuständigen Behörde vorsieht, maximal 726 Euro beträgt. Zum Vergleich: In Deutschland ist ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro und in Luxemburg von bis zu 100.000 Euro vorgesehen.
Zugute gehalten werden muss dem österreichischen Durchführungsgesetz seine Transparenz. Dadurch, dass das BMF eine Liste der Unternehmen veröffentlicht, die unter die Verordnung fallen, besteht für zivilgesellschaftliche Akteur:innen die Möglichkeit, vermehrt Druck auf säumige Unternehmen auszuüben. Den betreffenden Unternehmen muss die Frage gestellt werden, warum sie die Übergangsfrist nicht besser genutzt haben. Mehr als drei Jahre bieten ausreichend Zeit, um unternehmensinterne Abläufe entsprechend anzupassen. Unterschiedliche Ausgangspositionen können hier eine Erklärung für unterschiedliche Abstufungen bei der Erfüllung sein. Eine Nicht-Erfüllung ist darüber aber nicht zu argumentieren.
Versäumnisse der EU-Kommission
Aber auch die Europäische Kommission muss sich hinsichtlich der Nutzung der Übergangsfrist Fragen gefallen lassen. Zwar unterstreicht die EU-Verordnung, dass die Unternehmen individuell Verantwortung für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten tragen. Sie betont jedoch auch, dass bestehende und zukünftige Industriestandards und Systeme zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten beitragen können.
Aktuell greifen viele Unternehmen auf die Zertifikate der Responsible Minerals Initiative (RMI) zurück. Die EU-Kommission hat es verabsäumt, diesen und andere bestehende Industriestandards zu überprüfen und zu verlautbaren, ob sie zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten herangezogen werden können. Die EU-Verordnung sieht explizit vor, dass die Kommission anerkannte Systeme in einem Register öffentlich zugänglich macht und aufbauend darauf eine Liste verantwortungsvoller Hütten und Raffinerien erstellt. Dies ist bislang nicht geschehen und hat damit zu Verunsicherung auf Seiten der Unternehmen geführt.
Lehren für ein umfassendes EU-Lieferkettengesetz
Die Diskussion um die Einführung eines umfassenden Lieferkettengesetzes auf der EU-Ebene kann aus der Umsetzung der Konfliktminerale-Verordnung wichtige Lehren ziehen. Insbesondere zeigt sich, dass die Frage von Zertifizierungen und ihrer Anerkennung entscheidend sein wird. Standards und Audits müssen in Zukunft einer öffentlichen Qualitätskontrolle unterliegen. Dabei geht es nicht darum, die Unternehmen von ihren Aufgaben oder ihrer Verantwortung zu entbinden. Vielmehr ist es bedeutend, einen Rahmen zu schaffen, der der Gefahr vorbeugt, dass ein unübersichtliches und lukratives Geschäftsfeld für Auditfirmen entsteht, welches wenig an den Beschaffungspraktiken der Unternehmen und der Situation in den Herkunftsländern der Minerale ändert. Die EU-Kommission muss sich darüber klar werden, wie sie bzw. nationale Behörden als „Zertifizierer von Zertifizierungen“ auftreten können und welche Mindestanforderungen Auditor:innen erfüllen müssen.
Je präziser dabei die Verpflichtungen der Unternehmen formuliert sind, desto leichter werden sich solche Mindestanforderungen definieren lassen. Außerdem braucht es Regeln dafür, wie gute und transparente Berichtspraktiken auszusehen haben. Auch hier zeigt die Analyse der Berichtslegungen der österreichischen Unternehmen, wie sehr die Vorstellungen und jeweiligen Praxen auseinandergehen. Die Wirkung eines Lieferkettengesetzes wird aber genauso wie jene der EU-Konfliktminerale-Verordnung von den Sanktionsmöglichkeiten und der Rechenschaftspflicht der Unternehmen im Falle der Nichteinhaltung abhängen. Verwaltungsstrafen in Höhe von 726 Euro scheinen für eine entsprechende Durchsetzung nicht als geeignet. Vielmehr gilt es, über höhere monetäre Strafen, aber auch andere Sanktionsmöglichkeiten, wie den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, nachzudenken. Zu guter Letzt sollten in zukünftigen Gesetzen oder deren Überarbeitung – wie sie etwa für die EU-Konfliktminerale-Verordnung 2023 vorgesehen ist – Unternehmen des Downstream-Bereichs nicht aus ihrer Pflicht entlassen werden, ihre Lieferkette verantwortungsvoll zu gestalten.
Dieser Blog-Artikel beruht auf dem ÖFSE Research Report Umsetzung der EU-Konfliktmineraleverordnung in Österreich und dem ÖFSE Aktueller Kommentar Oktober.