Das Ziel der EU-Konfliktmineralien-Verordnung ist ambitioniert. Die Finanzierung von bewaffneten Konflikten durch Rohstoffabbau und -handel sowie die damit verbundenen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen sollen reduziert werden. Dazu soll der Handel mit bestimmten Mineralen und Metallen kontrolliert werden. Doch der vorliegende Gesetzesentwurf für die nationale Umsetzung in Österreich ist wenig ambitioniert. Anstatt die Möglichkeiten der EU-Verordnung mit effektiven Kontrollen der Berichtslegung, Transparenz und angemessenen Zwangsstrafen zu nutzen, setzt das Ministerium einzig auf die Mitarbeit der betroffenen Unternehmen.
Die zunehmende Verflechtung der globalen Güterproduktion geht mit immer komplexer werdenden Lieferketten der involvierten Unternehmen einher. Gleichzeitig rückt die Verantwortung dieser Unternehmen für die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten zusehends in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang wurden in den letzten Jahren Standards, Richtlinien und gesetzliche Regelungen formuliert, die auf eine höhere Transparenz von Lieferketten abzielen.
Gerade der Abbau von Rohstoffen ist oft mit besonders schwerwiegenden ökologischen und sozialen Auswirkungen sowie mit Konflikten und Menschenrechtsverletzungen verknüpft. So zieht etwa in Chile der Abbau des für Elektrobatterien wichtigen Lithiums weitreichende Eingriffe in die Umwelt nach sich und trifft auf den Widerstand lokaler Bevölkerungsgruppen. Bereits Anfang der 2000er-Jahre stellte der Abbau von Tantal und Wolfram eine wichtige Einnahmequelle für die Akteure in den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Demokratischen Republik Kongo dar. Diese beiden Rohstoffe sind zentral in der Produktion von elektronischen Geräten, die unseren Alltag seither revolutioniert haben.
Unter dem Schlagwort „Konfliktmineralien“ haben zivilgesellschaftliche Organisationen in den Folgejahren Druck auf politische Entscheidungsträger*innen aufgebaut. Nach langwierigen Debatten wurde schließlich 2017 die EU-Konfliktmineralienverordnung verabschiedet mit dem Ziel, negativen menschenrechtlichen Auswirkungen im Rohstoffsektor entgegenzuwirken. Die Vorgaben der Verordnung müssen ab Anfang 2021 in allen Mitgliedsländern der EU umgesetzt werden.
Die Verordnung betrifft jene Unternehmen, deren Einfuhrmengen an bestimmten Mineralien in die EU einen Schwellenwert überschreiten. Sie müssen bei der Beschaffung ihrer Materialien ab 2021 sogenannte unternehmerische Sorgfaltspflichten erfüllen und darüber jährlich Bericht erstatten. Als Basis für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten dienen von der OECD formulierte Leitsätze. Diese sehen einen fünfstufigen Prozess vor, durch welchen Unternehmen Risiken entlang ihrer Lieferkette identifizieren, um in der Folge entsprechend darauf zu reagieren.
Die Verordnung wurde weithin als erster Schritt in Richtung höherer Rechenschaftspflichten im Rohstoffsektor begrüßt. Sie kann jedoch aus mehreren Gründen tatsächlich nur als ein erster Schritt gesehen werden, dem weitere folgen müssen.
Eingeschränkter Geltungsbereich …
Während sich die EU-Verordnung bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten an den OECD-Leitsätzen orientiert, unterscheidet sie sich in ihrer Reichweite. Die OECD-Leitsätze beziehen sich auf alle Mineralien, die einen Beitrag zur Finanzierung von Konflikten leisten. Die EU-Verordnung beschränkt sich dagegen auf Tantal, Wolfram, Zinn und Gold. Der Import der ersten drei Mineralien betrug 2019 insgesamt 0,05 Prozent des Werts und 0,003 Prozent des Gewichts aller Importe von Metallerzen in die EU. Nur bei Gold betrifft die Verordnung nennenswerte Anteile (6 Prozent des Importwerts). Die Verordnung bezieht sich – ebenfalls im Unterschied zu den OECD-Leitsätzen – lediglich auf den sogenannten Upstream-Bereich, d. h. auf Unternehmen, die unverarbeitete Erze bzw. deren Konzentrate in die EU einführen. Für Unternehmen, die verarbeitete Produkte importieren, die die genannten Rohstoffe enthalten, ist die Verordnung nicht bindend. Des Weiteren betrifft sie nur Unternehmen, deren jährliches Importvolumen bestimmte Schwellenwerte übersteigt. Im aktuellen Verordnungstext betragen etwa die Schwellenwerte für Gold 100 kg pro Jahr, was bedeutet, dass rund 90 Prozent der Goldimporteure von der Verordnung ausgenommen sind.
EU-weit werden geschätzt 600 bis 1.000 Unternehmen unter die Verordnung fallen. In Österreich geht die zuständige Behörde davon aus, dass 15 Unternehmen betroffen sind.
… mit Nachbesserungspotenzial
Der Geltungsbereich der EU-Verordnung ist derzeit als eingeschränkt einzustufen. Ab Anfang des Jahres 2023 ist jedoch eine Evaluierung vorgesehen, in deren Rahmen Gesetzgebungsvorschläge mit weiteren verbindlichen Maßnahmen ergänzt werden können. Die ersten beiden Jahre der nationalen Umsetzung der EU-Verordnung sind somit zentral, um Erfahrungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu sammeln, auf deren Basis die Bestimmungen in der Folge nachjustiert werden können.
Für eine effektive Umsetzung der EU-Verordnung – in ihrem aktuell ohnehin sehr eingeschränkten Geltungsbereich – spielt es eine wichtige Rolle, wie ambitioniert die Umsetzungsbestimmungen in den Mitgliedsländern ausfallen, und insbesondere, ob diese regelmäßig überprüft und durchgesetzt werden.
Nationale Umsetzungsbestimmungen als Chance …
Österreich konkretisiert die Umsetzung der Verordnung durch eine Änderung des Mineralrohstoffgesetzes. Der Entwurf dafür wurde Ende September 2020 veröffentlicht. Als zuständige Behörde wird das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus bestimmt. Die zentrale Aufgabe der zuständigen Behörde ist die Kontrolle der von der EU-Konfliktmineralienverordnung umfassten Unternehmen. Der Entwurf legt fest, dass die betroffenen Unternehmen jährlich jeweils bis zum 31. März bekannt zu geben haben, dass sie die Schwellenwerte überschritten haben. Das Ministerium wird dazu befugt (laut Entwurf jedoch nicht verpflichtet), die Namen der betroffenen Unternehmen und deren Importmenge zu veröffentlichen. Zudem wird festgehalten, dass, falls Berichte von Unternehmen fehlen oder mangelhaft ausfallen, die Behörde die korrekte Berichtslegung mittels Bescheid durchsetzen kann.
Angesichts der Tatsache, dass es auch im Hinblick auf die Überarbeitung der Verordnung im Jahr 2023 wichtig ist, möglichst viele Informationen über die Umsetzung der Sorgfaltspflichten zu sammeln, ist es sinnvoll, die Listen der betroffenen Unternehmen und die Importmengen zu publizieren. Die EU-Verordnung legt ohnehin fest, dass Unternehmen über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten öffentlich Bericht zu legen haben. Des Weiteren erscheint eine EU-weite Harmonisierung des Vollzuges durch die nationalen Behörden empfehlenswert, damit die Unternehmen die Vorschriften nicht, z. B. durch den Import über Tochterunternehmen in anderen Ländern – umgehen können. Die Behörden müssen notfalls ein wirksames Zwangsgeld verhängen können, um die Mitwirkung der Unternehmen zu erzwingen. Während die Zwangsstrafe in Österreich laut Entwurf maximal 726 Euro beträgt, wurde im deutschen Durchführungsgesetz ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 50.000 Euro festgelegt.
… für eine ambitionierte Überarbeitung der EU-Verordnung ab 2023
Die Konfliktmineralienverordnung in ihrer derzeitigen Form ist unzureichend. Ihre Umsetzung in den kommenden zwei Jahren sollte als Testlauf gesehen werden. Um dem Ziel der höheren Unternehmensverantwortung gerecht zu werden, braucht es nach 2023 eine Ausweitung des Geltungsbereichs auf Importeure von Halbfertig- und Fertigprodukten sowie auf eine höhere Anzahl von Rohstoffen. Sorgfaltspflichten sollten sich nicht auf den Aspekt der Konfliktfinanzierung reduzieren, sondern stärker auch soziale und ökologische Auswirkungen des Rohstoffabbaus in den Blick nehmen. Mit diesen Maßnahmen und einer entsprechenden Umsetzung auf nationaler Ebene könnte die Transparenz in diesem Sektor substanziell erhöht und dazu beigetragen werden, die negativen Auswirkungen des Rohstoffabbaus zu verringern.