Qualifizierung als Hebel zur Erhöhung der Beschäftigungsquote

23. November 2022

Aus demografischen Gründen wird das Arbeitsangebot künftig schwächer wachsen. Um den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken, sind daher Strategien zur Erhöhung der Beschäftigungsquote vonnöten. Die Ansatzpunkte, um mehr Menschen in Beschäftigung zu bekommen, sind vielfältig. Ein zentraler Hebel ist die Qualifizierung; adressiert werden sollten vor allem Geringqualifizierte.

In den kommenden Jahren schrumpft die Bevölkerung im Erwerbsalter

In den kommenden Jahren wird durch den demografischen Wandel die Bevölkerung im Erwerbsalter schrumpfen und weiter altern. Verschiedene Entwicklungen sind dafür verantwortlich:

  • Die geburtenstarken „Babyboomer“-Jahrgänge wechseln in Pension, nachfolgende Kohorten sind deutlich schwächer besetzt.
  • Die Zuwanderung wird in den nächsten Jahren laut der Prognose von Statistik Austria schwächer ausfallen als im letzten Jahrzehnt.
  • Die Altersstruktur der Erwerbsbevölkerung verschiebt sich zugunsten älterer Kohorten, wodurch das Durchschnittsalter steigt.

Schrumpft die Bevölkerung im Erwerbsalter (15 bis 64 Jahre), muss nicht notwendigerweise auch das Arbeitskräfteangebot (die Zahl der Beschäftigten und Arbeitslosen im Alter von 15 bis 64 Jahren) schrumpfen, da das Arbeitskräfteangebot von zwei Faktoren bestimmt wird: der Bevölkerungsgröße und der Erwerbsbeteiligung. Steigt die Erwerbsbeteiligung – also der Anteil der Menschen, die ihre Arbeitskraft am Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen – entsprechend stark an, kann das Arbeitskräfteangebot trotz eines Rückgangs der Bevölkerung im Erwerbsalter zunehmen. Ein zentraler Hebel, um innerhalb der Bevölkerung im Erwerbsalter die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, ist Qualifizierung.

Mit dem Qualifikationsniveau steigt die Erwerbs- und Beschäftigungsquote

Je höher das Qualifikationsniveau, desto höher fällt die Beteiligung am Erwerbsleben aus. Ein hohes Qualifikationsniveau erhöht die Beschäftigungschancen und das Erwerbseinkommen. Gleichzeitig senkt ein hohes Qualifikationsniveau das Arbeitslosigkeitsrisiko, weshalb Qualifizierung nicht nur die Erwerbsquote, sondern auch die Beschäftigungsquote erhöht. Zielgruppe von Qualifizierungsmaßnahmen sollten vor allem Geringqualifizierte sein – hierzu zählen neben Personen mit maximal Pflichtschulabschluss auch formal Höherqualifizierte mit veralteten Qualifikationen, Langzeitarbeitslose und überqualifizierte Personen, die ihr Wissen beruflich nicht verwerten können.

Dass Österreich Aufholpotenzial hat, zeigt der EU-Vergleich der Beschäftigungsquoten: 2021 waren in Österreich 72,4 Prozent der 15- bis 64-jährigen Bevölkerung in Beschäftigung; das waren um 7,7 Prozentpunkte weniger als im EU-Land mit der höchsten Beschäftigungsquote (die Niederlande).

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die Arbeitsmarktchancen Geringqualifizierter schwinden zunehmend

Personen mit einem geringen formalen Bildungsniveau haben typischerweise geringere Beschäftigungschancen, schlechtere Arbeitsbedingungen, niedrigere Löhne und ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko. Diese ungünstigen Aussichten werden sich weiter verschlechtern, da

  • die Nachfrage nach Hilfstätigkeiten sinkt und
  • Geringqualifizierte – angesichts steigender Qualifikationsanforderungen bei einfachen Tätigkeiten – zunehmend in Konkurrenz zu formal höher qualifizierten Arbeitskräften treten.

Höherqualifizierung ist somit ein wichtiger Hebel zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und gleichzeitig eine große Herausforderung, da Geringqualifizierte sich am seltensten weiterbilden. Gefragt sind präventive und kurative Qualifizierungsansätze.

Investitionen in frühkindliche Bildung vorantreiben

Trotz einer Reihe von Initiativen und Maßnahmen zur Vermeidung früher Bildungsabbrüche ist der Anteil der 18- bis 24-Jährigen mit maximal Pflichtschulabschluss relativ stabil in Österreich (2021: 8 Prozent). Am effektivsten sind, internationalen Befunden zufolge, qualitativ hochwertige Aktivitäten im Kleinkindalter, da in jungen Jahren das Fundament der kognitiven und sozialen Fähigkeiten gelegt wird – und damit die Grundlage für die nachfolgende Bildungs- und Arbeitsmarktintegration.

Längerfristige berufliche Qualifizierung Arbeitsloser forcieren

Ein wichtiges Element der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist die Qualifizierungsförderung. Einerseits sollen mittels Qualifizierung die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arbeitslosen verbessert und so ihre Beschäftigungschancen erhöht werden, andererseits tragen Qualifizierungsmaßnahmen zur besseren Versorgung der Wirtschaft mit qualifizierten Arbeitskräften bei. Eine aktuelle und differenzierte Analyse der AMS-Qualifizierungsmaßnahmen von Eppel et al. (2022) zeigt, dass intensivere Maßnahmen eine höhere Wirkung erzielen als kurze bzw. weniger intensive Kurse, weshalb innerhalb der aktiven Arbeitsmarktpolitik längerfristige berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose forciert werden sollten.

Weiterbildungsbarrieren abbauen

In der Arbeitswelt sind Qualifikationsanforderungen einem permanenten Wandel unterworfen. Die Qualifikationen der bereits auf dem Arbeitsmarkt befindlichen Arbeitskräfte können nur über Weiterbildung angepasst werden. Dafür notwendig ist ein leistungsfähiges System der Aus- und Weiterbildung für Erwachsene, einschließlich einer adäquaten Existenzsicherung während der Weiterbildung. Die dafür vorhandenen Instrumente der Existenzsicherung (Bildungskarenz, -teilzeit, Fachkräfte-, Selbsterhalterstipendium) bieten jedoch nur unzureichend Unterstützung für Personen mit geringer und mittlerer formaler Qualifikation. Für diese Zielgruppe ist eine Weiterentwicklung der bestehenden Instrumente wichtig.

Finanzielle Restriktionen sind nicht die einzigen Weiterbildungshürden für Geringqualifizierte. Die Weiterbildungsbarrieren differieren nach soziodemografischen Merkmalen, Problemlagen, Arbeitsmarktintegration und Kompetenzniveau, weshalb verschiedene maßgeschneiderte Instrumente zum Einsatz kommen müssen. Die Maßnahmenempfehlungen in der Literatur reichen von aufsuchender Bildungsberatung über Bildungscoaching, finanzielle Unterstützung bis hin zu arbeitsplatznaher Qualifizierung, modularen Weiterbildungsangeboten und der Zertifizierung von informell erworbenen Kompetenzen.

Wichtige organisatorische und finanzielle Hürden können auch Betriebe beseitigen, wenn sie betriebliche Weiterbildungsangebote für geringqualifiziertes Personal bereitstellen. Für Betriebe stellt betriebliche Weiterbildung eine Möglichkeit zur Beseitigung von Fachkräfteengpässen am Arbeitsmarkt dar. Empirische Analysen zeigen jedoch, dass gerade Geringqualifizierte seltener an betrieblicher Weiterbildung teilnehmen.

Zusammenfassung

Aus demografischen Gründen wird das Arbeitskräfteangebot in den kommenden Jahren schwächer wachsen als in der Vergangenheit. Um die Wirtschaft dennoch mit qualifizierten Arbeitskräften versorgen zu können, sind Strategien zur Hebung der Beschäftigungsquote vonnöten. Dafür gibt es mehrere Hebel; ein zentraler ist Qualifizierung – mit folgenden Qualifizierungsansätzen:

  • Das Vorantreiben von Investitionen in die frühkindliche Bildung zur Vermeidung von frühen Ausbildungsabbrüchen,
  • die Forcierung der längerfristigen Aus- und Weiterbildung von Arbeitslosen zur Stärkung des Humankapitals und
  • der Abbau von Weiterbildungsbarrieren anhand unterschiedlicher Ansätze, die von aufsuchender Bildungsberatung über Bildungscoaching mit psychologischer und sozialarbeiterischer Begleitung, finanzieller Unterstützung bis hin zu arbeitsplatznaher Qualifizierung, modularen Weiterbildungsangeboten und der Zertifizierung von informell erworbenen Kompetenzen reichen.
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