Prävention und Anerkennung von Hautkrebs: 400.000 Outdoor-Worker in Österreich betroffen

13. September 2023

Outdoor-Worker:innen geht die Klimakrise im wahrsten Sinn des Wortes unter die Haut. Sie sind neben extremen Temperaturen auch steigender UV-Strahlung ausgesetzt. Das Ergebnis wird bei Betroffenen erst Jahre später als heller Hautkrebs sichtbar. Trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse fehlen in Österreich immer noch klare Vorgaben für die Prävention und die Anerkennung als Berufskrankheit gestaltet sich schwierig.

Schutz gegen Sonne und UV-Strahlung

In den 80er Jahren rückte die Entstehung von Hautkrebs erstmals ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Erkenntnisse über das Ozonloch, der Trend zu ausgeprägter Bräune und der damit einhergehende Anstieg der Hautkrebserkrankungen wurden unübersehbar. Heute sind diese Zusammenhänge wissenschaftlich und medizinisch belegt. Die Gefahren, die von zu viel Sonne bzw. ultravioletter Strahlung (UV-Strahlung) ausgehen, sind heute hinlänglich bekannt. Gleiches gilt für die notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Sonne. In jährlich wiederkehrenden Medienaussendungen und auf ihren Websites weisen Institutionen aus dem Gesundheitsbereich auf den richtigen und sinnvollen Schutz vor UV-Strahlung und das sichere Verhalten in der sommerlichen Freizeit oder im Urlaub hin. Neben geeigneter Sonnencreme gehen die Empfehlungen vor allem in Richtung Mittagssonne meiden, möglichst viel Zeit im Schatten verbringen und in der Sonne entsprechende Kleidung oder Sonnenbrillen tragen.

Kaum Problembewusstsein im beruflichen Kontext

Ultraviolette Strahlung wirkt erbgutverändernd (mutagen) und kann bei häufiger oder überdosierter Exposition hellen Hautkrebs  – Hautkrebs – Plattenepithelkarzinom (Spinaliom) | DKG (krebsgesellschaft.de) – hervorrufen. Die Anzahl der durch UV-Strahlung verursachten Hautkrebserkrankungsfälle ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig angestiegen: BfS – Risiko UV-bedingte Erkrankungen. Die Österreichische Krebshilfe, die AUVA und die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie weisen seit langem auf dieses Problem hin: 35 Jahre “Sonne ohne Reue” – Österreichische Krebshilfe. Während im Freizeitbereich bereits eine Sensibilisierung eingetreten ist, sind im beruflichen Kontext kaum systematische Schutzmaßnahmen erkennbar.  Der Hauptgrund für die fehlende berufliche Prävention liegt eindeutig daran, dass es keine klaren, gesetzlichen Vorgaben gibt. Ein weiteres Problem liegt auch darin, dass heller Hautkrebs in Österreich „nicht“ als Berufskrankheit anerkannt wird und dieser dadurch immer noch  als persönliches Problem von Arbeitnehmer:innen – ohne Bezug zum Arbeitsplatz betrachtet wird. Gleiches gilt für die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen.

Schutz vor UV-Strahlung auch im Betrieb

Dabei wären effektive Schutzmaßnahmen relativ simpel umzusetzen. Einfache Praxis-Hilfen, wie die Schattenregel, ermöglichen es, die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen jederzeit einzuschätzen. Zur genauen Bewertung der gesundheitlichen Belastung eignet sich der UV-Index. Dieser Index wird auf einer Skala mit Werten von 0 bis 11+ angegeben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt ab einem UV-Index-Wert von 3 die Anwendung von Schutzmaßnahmen. Es ist zudem bekannt, dass die Sonnenstrahlung vor allem in den Monaten April bis September und in der Zeit von 11.00 bis 15.00 Uhr besonders aggressiv einzustufen ist.

Bei fehlendem Schutz können UV-induzierte Augenschäden, Sonnenbrände und langfristig Hautkrebs die Folge sein. Auch wenn der Bauarbeiter mit nacktem Oberkörper aus der Arbeitswelt verschwunden ist, so ist dennoch augenscheinlich, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft und Medizin und in weiter Folge die Maßnahmen für die Prävention nicht auf der betrieblichen Ebene angekommen sind. Dabei können die Zeiten von besonders hoher UV-Strahlung einfach eingegrenzt und Schutzmaßnahmen mit einer vorausplanenden Arbeitsorganisation schon vorab für Arbeiten vorgesehen werden. Eine fachgerechte Arbeitsplatzevaluierung in Bezug auf die UV-Belastung fehlt jedoch meist und technische Schutzmaßnahmen, wie die Beschattungen der Arbeitsplätze, werden kaum umgesetzt, obwohl hier enormes Schutzpotenzial liegen würde. Systematische Schutzmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip würden massive Verbesserungen bringen.

Arbeitnehmer:innen sind der Sonne schutzlos ausgeliefert

Konträr zur Freizeit stellt sich die Situation in der Arbeitswelt dar, denn der eigene Handlungsspielraum des/der Einzelnen ist am Arbeitsplatz stark eingeschränkt. Einerseits sind Arbeitnehmer:innen bei ihrer Arbeitsbekleidung und Schutzausrüstung im Regelfall auf die Arbeitgeber:innen angewiesen und anderseits können sie den Arbeitsplatz, die Tätigkeit und die Arbeitszeiten in den meisten Fällen nicht beeinflussen. Konkret kann das bedeuten, dass an den heißesten Tageszeiten und in der heißesten Jahreszeit besonders lange gearbeitet wird. Oftmals wird Arbeitsbekleidung getragen, die kaum einen Schutz vor UV-Strahlung bietet, weil der Stoff nicht ausreichend schützt oder weil die Bekleidung viele Körperteile nicht bedeckt. Besonders exponierte Körperteile, wie etwa der Nacken, bleiben zudem ungeschützt, obwohl hier entsprechende Nackenschutz-Produkte am Markt erhältlich sind.  Zum Schutz vor einer gesundheitlichen Auswirkung müsste auch persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Verfügung gestellt werden. Zur persönlichen Schutzausrüstung gegen UV-Strahlung zählen UV-Schutzbrillen, Sonnencreme (LSF >30) oder geprüfte Arbeitsbekleidung mit einer UPF-Kennzeichnung (Ultraviolet Protection Fac­tor). Auch diese kommen vielfach nicht zur Anwendung.

Outdoor-Worker:innen sind besonders gefährdet

Menschen, die viel im Freien arbeiten müssen, werden unter dem Begriff „Outdoor-Worker:innen“ zusammengefasst. In Österreich handelt es sich dabei um ca. 400.000 Menschen, die unter diesen Begriff fallen. Aufgrund ihrer Tätigkeit haben Outdoor-Worker:innen ein höheres Risiko an Hautkrebs zu erkranken als die Durchschnittsbevölkerung. Da sie jahrelang im Freien ihrer Arbeit nachgehen, ist die Wahrscheinlichkeit höher von Spätfolgen der UV-Exposition betroffen zu sein. Mehrere Untersuchungen und Studien von Unfallversicherungsträgern zeigen, dass die Jahresexposition durch solare UV-Strahlung für ständig im Freien beschäftigte Arbeitnehmer:innen um ein Vielfaches höher liegt als bei Arbeitnehmer:innen in Innenräumen.

Höheres Krebsrisiko durch steigende UV-Strahlung am Arbeitsplatz

Die Klimakrise bringt immer mehr Tage mit strahlendem Sonnenschein und erhöht damit schrittweise das Risiko für Outdoor-Worker:innen an hellem Hautkrebs zu erkranken. Denn mehr Sonnentage führen unweigerlich zu mehr Tagen mit hohen UV-Werten und damit zu einer höheren Belastung. (siehe Grafik).

Zunahme der Sommer-, und Hitzetage am Beispiel Wien

Hitzetage in Wien © A&W Blog
© A&W Blog

Bewusstseinsbildung und Beratung ist zu wenig

Wissenschaftlich bestätigt ist zudem, dass mit steigender kumulativer UV-Lebensdosis auch das Erkrankungsrisiko für den weißen Hautkrebs steigt. Vor diesem Hintergrund bekommen effektive UV-Schutzmaßnahmen an Arbeitsplätzen im Freien für Arbeitnehmer:innen besonders hohe Priorität. Bisherige Kampagnen und Informationsmaterialen zur Hautkrebsprävention am Arbeitsplatz zeigen nicht die gewünschte Wirkung. Wohl auch deshalb, da sie vor allem auf Bewusstseinsbildung setzten. Effektive Schutzmaßnahmen, wie Beschattungen, werden bisher kaum genutzt. Auf betrieblicher Ebene wird das Thema Schutz vor zu viel Sonne und Hautkrebs bislang kaum als Verpflichtung des Arbeitnehmer:innenschutzes wahrgenommen. Vor allem die fehlende gesetzliche Grundlage in der Verordnung optische Strahlung (VOPST) verhindert klare Vorgaben. Hier wird in Bezug auf die natürliche optische Strahlung (§ 10) nur auf die allgemeinen Regelungen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (z.B. Arbeitsplatz-Evaluierungsverpflichtung) hingewiesen anstelle klar festzulegen, ab welchem UV-Index Schutzmaßnahmen anzuwenden sind. Das führt dazu, dass die Kontrollbehörde der Arbeitnehmer:innneschutzvorschriften (Arbeitsinspektion) nur auf Beratungsebene tätig werden kann.

Berufskrankheit heller Hautkrebs – Situation in Deutschland

In Deutschland findet sich der sogenannten „weißen Hautkrebs“ seit 1.1.2015 auf der Berufskrankheitenliste unter der Nr 5103. Die Anerkennung als Berufskrankheit ist somit möglich. Nach der wissenschaftlichen Begründung des deutschen Sachverständigenbeirats sind Personen durch Tätigkeiten im Freien mindestens einer zwei- bis dreimal höheren UV-Belastung ausgesetzt als der Rest der Bevölkerung. Derzeit läuft eine Vorprüfung, ob die Berufskrankheit Nr 5103 um Baselzellkarzinome erweitert werden soll. Anschaulich zeigt sich hier die laufende Evaluierung der deutschen Berufskrankheitenliste anhand wissenschaftlicher Grundlagen.

Weißer Hautkrebs als Breitenphänomen

Damit eine Berufskrankheit zu einer Leistung führen kann, muss an den zuständigen Unfallversicherungsträger gemeldet bzw angezeigt und von diesen anerkannt werden. Besonders gravierende gesundheitliche Einschränkungen oder Todesfälle aufgrund einer Berufskrankheit können zu Geldleistungen (sog. Renten) führen. Seit der Einführung 2015 wurden bis inklusive dem Jahr 2021 46.745 Verdachtsanzeigen erstattet, davon wurden 24.641 als Berufskrankheit anerkannt. Bei rund 52 % der Anzeigen konnte somit von den Versicherten der Nachweis zwischen Berufstätigkeit und Krebserkrankung bewiesen werden. In 3.636 Fällen wurde eine Geldleistung aufgrund des berufsbedingten weißen Hautkrebses zugesprochen. 91 Todesfälle sind auf die Berufskrankheit zurückzuführen. Damit ist der weiße Hautkrebs seit seiner Einführung die zweithäufigste anerkannte Berufskrankheit in Deutschland. Es treten nur noch mehr berufsbedingte Schädigungen durch Lärm auf. Dies gilt abgesehen von den Pandemiejahren, hier lagen die Infektionskrankheiten aufgrund COVID-19 weit an der Spitze.

Aufwandprognose für Österreich

Werden die deutschen Zahlen auf Österreich umgelegt (mit dem Faktor 10), so würde dies jährlich rund 670 Verdachtsanzeigen, 350 Anerkennungen, 52 Geldleistungen und einen berufskrankheitsbedingten Todesfall bedeuten. Von einer organisatorischen oder finanziellen Überlastung der österreichischen Unfallversicherungsträger könnte damit keine Rede sein.

Berufskrankheiten: Situation in Österreich

In der österreichischen Berufskrankheitenliste finden sich derzeit 53 Berufskrankheiten. Die letzte inhaltliche Erweiterung fand im Jahr 2006 (!) statt. Die Berufskrankheitenliste ist daher dringend reformbedürftig und auf den letzten wissenschaftlichen Stand zu bringen. Ist eine Krankheit nicht in der Liste aufgeführt, kann diese nur im Wege der sogenannten Generalklausel anerkannt werden. Die Hürden hierfür sind denkbar hoch: Erstens muss die Krankheit aufgrund schädigender Stoffe oder Strahlen eintreten, zweitens für die berufliche Ursächlichkeit müssen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, drittens wird die Zustimmung des Sozialministers benötigt. Diese Voraussetzungen sind nicht ausgelegt für eine Vielzahl an Verfahren. Der weiße Hautkrebs wurde bisher bloß einmal über die Generalklausel anerkannt.

Reformen?

Im aktuellen Regierungsprogramm findet sich unter der Überschrift „Arbeitnehmerschutz“ das Ziel der „Modernisierung der Berufskrankheitenliste“. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Sozialministerium im Jahr 2022 eine Arbeitsgruppe aus Arbeitsmediziner:innen, den Unfallversicherungsträgern, der österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und fit2work eingerichtet. Ergebnis dieser Gruppe: Neben dem weißen Hautkrebs (Plattenepithelkarzinom und aktinische Keratosen) sollten drei weitere Krankheiten in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden (Fokale Dystonien bei Instrumentalmusiker:innen, Ovarialkarzinom nach Asbest-Exposition und Hypothenar/Thenar-Hammersyndrom). Weiters sollte nach deutschem Vorbild ein beratendes Gremium eingerichtet werden.

Den Sozialpartnern wurde dieses Ergebnis im März 2023 als „Minimalkonsens“ der Arbeitsgruppe vorgestellt. Einen offiziellen Gesetzesentwurf gibt es bis dato noch nicht. Der vorgestellte Vorschlag liegt nicht nur quantitativ weit hinter den Forderungen der AK und Gewerkschaft zurück. Muskel- und Skeletterkrankungen, psychische Erkrankungen und gendermedizinische Gesichtspunkte bleiben weiterhin unberücksichtigt. Da Erweiterungen der Berufskrankheitenliste von der Politik nur äußerst selten angegangen werden, wäre die geplante Minimalerweiterung eine vertane Chance, auch wenn die Aufnahme des weißen Hautkrebses zu begrüßen ist.

Abwälzung der Kosten auf die Allgemeinheit…

Die Unfallversicherung wird durch den Unfallversicherungsbeitrag der Dienstgeber finanziert. Dieser wird sukzessive verringert, von 1,4 % im Jahr 2013 schrittweise auf 1,1 % im Jahr 2023, und schränkt natürlich so auch den finanziellen Handlungsspielraum der Unfallversicherungsträger ein. Vertreter der Dienstgeber sehen keinen Handlungsbedarf hinsichtlich einer Aktualisierung einer Berufskrankheitenliste. Gesundheitsschädigungen und Krankheiten, die nicht von der Unfallversicherung umfasst sind, bleiben natürlich nicht unbehandelt. Die gesetzliche Krankenversicherung, welche durch Dienstnehmer- und Dienstgeberbeiträge finanziert wird, muss die Kosten für die Behandlung stemmen. Somit werden die Behandlungskosten auf die Allgemeinheit abgewälzt. Für die einzelnen Betroffenen bedeutet die fehlende Einbeziehung in die Unfallversicherung eine schlechtere medizinische Behandlung (das Maß des Notwendigen nicht überschreitend) und eine geringere finanzielle Absicherung bei Verringerung der Arbeitsfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeit.

Handlungsbedarf zeitgemäße Berufskrankheitenliste

Die Berufskrankheitenliste muss dringend aktualisiert werden. Zumindest das deutsche Niveau sollte erreicht werden. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb dafür die vorhandenen Daten und wissenschaftlichen Grundlagen aus Deutschland ungenutzt bleiben und ein von Grund auf eigenständiger Prozess in Österreich geführt wird. Dies verursacht einerseits Kosten in der Entwicklung und Legistik, andererseits weitere Verzögerungen im Ausbau des notwendigen Versicherungsschutz der betroffenen Arbeitnehmer:innen. Die Einsetzung eines Expert:innengremiums ist jedenfalls zu begrüßen, da ein wissenschaftlich objektiver Zugang hoffentlich den politischen Stillstand durchbrechen kann.

Fazit: Effektive Präventionsmaßnahmen lassen weiter auf sich warten

Während sich im Bereich der Berufskrankheitenliste einzelne Schritte vorwärts erkennen lassen, scheint es im zuständigen Ministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) für die Prävention von arbeitsbedingtem Hautkrebs keinen Plan zu geben. In Hinblick auf den zu erwartenden Anstieg von Erkrankungen wäre es jedoch dringend an der Zeit, gesetzliche Rahmendbedingungen für eine zeitgemäße und effektive Prävention zu schaffen. Neben dem Verhindern von menschlichem Leid wären die finanziellen Mittel in Präventionsmaßnahmen (ROI – Return on Prevention) nachweislich besser investiert als in kurativen Maßnahmen. Für einen effektiven Schutz von Arbeitnehmer:innen vor UV-Strahlung braucht es daher dringend Maßnahmen in vier Bereichen:

Schutz von Outdoor-Arbeitnehmer:innen vor hellem Hautkrebs:

  • Hier ist konkret festzulegen, ab welchem UV-Index entsprechende Schutzmaßnahmen zu setzen sind.
  • Heller Hautkrebs muss als Berufskrankheit anerkannt werden.
  • Es braucht eine  jährliche verpflichtende Hautuntersuchung (VGÜ) für gefährdete Arbeitnehmer:innen
  • Die Behörde soll während der heißen Monate verstärkt überprüfen, ob Schutzmaßnahmen gesetzt werden.
Dekoratives Bild © A&W Blog
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