Um den zusätzlichen Fachkräftebedarf für die Energiewende in Zukunft decken zu können, wurde in Sigmundsherberg, im Waldviertel, mit dem Bau des europaweit ersten Klimaschutz-Ausbildungszentrums begonnen. Ins Leben gerufen wurde das Projekt vom AMS Niederösterreich in Kooperation mit dem bfi NÖ. Das Klimaschutz-Ausbildungszentrum soll zum Ausbildungs-Vorreiter in den Bereichen erneuerbare Energie, umweltbezogener Gebäudetechnik und moderner, energieeffizienter Haustechnologie werden.
Fachkräfte für die Energiewende
Die Klimakrise, das Programm zum Ausbau der erneuerbaren Energien und letztendlich der Krieg in der Ukraine haben mehr als deutlich gemacht, dass es höchst an der Zeit ist, in die Ausbildung von Arbeitskräften zu investieren, die im Bereich der Energiewende tätig sein werden. Derzeit sind in Österreich 30.000 Personen im Bereich erneuerbarer Energie beschäftigt. Wenn der erneuerbaren Energien Ausbauplan umgesetzt wird, werden netto 66.000 zusätzliche, dauerhafte Arbeitsplätze entstehen, wobei mehr als die Hälfte der zusätzlichen Arbeitsplätze eine technische Ausbildung erfordern werden.
Stellengebote im Bereich Elektroenergietechnik steigen sprunghaft an
So haben sich die Stellenmeldungen beim AMS NÖ für Kälteanlagentechniker*innen und Elektroenergietechniker*innen im Vergleich zum Vorkrisenniveau von August 2019 mehr als verdoppelt. Das AMS geht davon aus, dass dieser Trend anhalten und sich weiter verschärfen wird, wenn Österreich die Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umstellt. Gesucht werden Hilfs- und Fachkräfte aus den Bereichen Elektronik, Elektrotechnik, Elektroinstallationen, Elektroanlagenbau oder Maschinenbau. Diese Umstellung auf klimafitte Energiegewinnung wird neue Arbeitsplätze schaffen und positive Impulse auf viele Wirtschaftsbereiche und die Volkswirtschaft mit sich bringen.
1975 hat die damalige Arbeitsmarktverwaltung (jetzt AMS) in Sigmundsherberg (Bezirk Horn) ein Ausbildungszentrum in den Bereichen Metall und Elektro für Jobsuchende errichtet. Seither haben hier tausende AMS-Kund*innen ihren Lehrabschluss absolviert oder zusätzliche Kompetenzen in der Metallbearbeitung wie CNC- oder Schweiß-Technik erworben.
Nun wird an diesem Standort das erste Klimaschutz-Ausbildungszentrum in Europa errichtet. Die Investitionskosten betragen 6,4 Millionen Euro und werden vom AMS Niederösterreich getragen. Beauftragt mit der Umsetzung des Vorhabens ist der bisherige Betreiber des Berufsbildungszentrum – das bfi NÖ. Mitte September erfolgte der Spatenstich, die Fertigstellung ist für Herbst 2023 geplant. Die Bauweise erfolgt nach modernsten ökologischen Standards. Dabei entstehen 250 Ausbildungsplätze rund um das Thema Klimaschutz und Energiewirtschaft. Bei Vollauslastung erwartet das AMS bis zu 400 Personen pro Jahr, die einen Lehrabschluss in den Bereichen Metall, Elektro, Gas- und Sanitärtechnik sowie Lüftungstechnik oder Schwerpunktausbildungen in der Photovoltaik, Elektromobilität, Befestigungs- und Gebäudetechnik absolvieren.
Hochwertige Ausbildung bringt gute Jobchancen
Das neue Angebot in Sigmundsherberg wird sich vor allem an Jobsuchende in Niederösterreich richten, die keine abgeschlossene Ausbildung haben oder mit ihren aktuellen Kenntnissen nur schwer am Arbeitsmarkt unterkommen. Ganz besonders wird das AMS Frauen und Mädchen ansprechen. So soll mindestens die Hälfte der Teilnehmenden weiblich sind. In den AMS-BerufsInfoZentren werden Mädchen über die Klima- und Energieberufe gezielt informiert und ihnen die Möglichkeit gegeben, ihren handwerklich-technischen Talenten auf den Grund zu gehen und die Freude an diesem Beruf zu entdecken.
Ein besonderer Höhepunkt ist der sogenannte „Klima-Infopoint“, ein spezieller Schauraum, in dem Hersteller die Möglichkeit haben, die neuesten Technologien für Schulungen zur Verfügung zu stellen. Damit sind die Ausbildungen stets am aktuellen Stand der Technik. Dieser „Klima-Infopoint“ steht Unternehmen, Schulen und Privatpersonen offen und wird für Exkursionen, Veranstaltungen, Vorträge, etc. zur Verfügung stehen.
Das AMS wird aber auch österreichweit mit Unternehmen kooperieren, die ihre Beschäftigten ausbilden möchten und das aus verschiedenen Gründen innerbetrieblich nicht stemmen können. Die Qualität der Ausbildung im bisherigen Berufsbildungszentrum in Sigmundsherberg ist sehr hochwertig: Die Mehrheit der Absolvent*innen hat bereits jetzt zu Ausbildungsende einen festen Arbeitsplatz.
Standort Sigmundsherberg: „Think global, act local!“
Der Standort Sigmundsherberg wurde bei der Planung des Vorhabens bewusst ausgewählt, denn wenn der Wirtschaftsstandort Niederösterreich gestärkt werden soll, müssen gezielt Innovationen in den ländlichen Regionen gesetzt werden. Darüber hinaus ist Sigmundsherberg an das öffentliche Bahnnetz gut angeschlossen.
Um die Ausbildung für die Auszubildenden attraktiv zu gestalten, werden nicht nur die Anreisekosten mit der Bahn vom AMS übernommen, sondern es wird auch ein eigenes Seminarhotel errichtet, in dem die Auszubildenden kostenlos wohnen können. Außerdem wird eine kostenlose Kinderbetreuung und eine kostenlose Verpflegung mit regionalen und biologischen Mahlzeiten angeboten und durch das AMS Niederösterreich finanziert. Um den Innovationscharakter des Projektes weiter zu unterstreichen, werden alle Ausbildungen in einer 4-Tage-Woche angeboten.
Zur Meisterung der komplexen Herausforderungen in Zusammenhang mit der Energiewende wird eine Vielzahl an weiteren politischen Maßnahmen und auch weiteren Klimaschutz-Ausbildungszentren notwendig sein. Darüber hinaus müsste es weitere bundesweite Anstrengungen (wie z.B. die Umweltstiftung) geben, um Menschen hinsichtlich Fachkräfteausbildung im Zuge von Berufsausbildungen bzw. Fach- und Hochschulabschlüssen in diesen zukunftsträchtigen Bereichen zu motivieren. Und auch Unternehmen sollten verstärkt ihren Mitarbeiter*innen Möglichkeiten zur Weiterbildung in nachhaltigen Technologien ermöglichen.
Dieser Text ist vorab in der aktuellen Ausgabe (04/2022) der Wirtschaft und Umwelt: Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit erschienen.