Kreativität, Erfindungen und Patente in der Arbeit – ein Gewinn für alle

11. April 2023

Kreativität und Erfindungen spielen im Arbeitsleben eine viel größere Rolle als zumeist wahrgenommen: vom Produktlogo über den Werbespruch bis zur Verpackung und natürlich ganz besonders bei der Entwicklung neuer Produkte selbst. All diese Innovationen sind Ergebnisse intellektueller Leistungen von Menschen. Menschen, die häufig als unselbstständige Arbeitnehmer:innen tätig sind. Diesem Aspekt kommt ganz besondere Bedeutung zu, wenn man bedenkt, dass sich Innovation weitgehend einer Mechanisierung und Automatisierung entzieht und so – zumindest auf absehbare Zeit – eine humane Domäne bleiben wird. Dieser Blogbeitrag versucht, die besondere Stellung der Diensterfindung zu erklären und zu einer bewussten Auseinandersetzung mit Innovationstätigkeit und Innovationsverwertung im Arbeitsleben sowie zur Unterstützung der innerbetrieblichen Erfindungstätigkeit anzuregen.

Menschen sind unentbehrliche Träger:innen der Innovation

Kreativität und Erfindungstätigkeit sind Ergebnis der persönlichen intellektuellen Leistung von Arbeitnehmer:innen und sie sind ganz wesentlich individuell geprägt: Ein Logo zum Beispiel würde anders aussehen, wenn eine andere Person es entworfen hätte. Was ganz augenscheinlich auf Designarbeiten, Textierungen und dergleichen zutrifft, gilt aber noch viel mehr für technische Erfindungen. Bei Kreativleistungen wie Logos, Markennamen und Designs würden nämlich andere Personen zwar zu anderen Ergebnissen kommen, aber sie würden zumindest auch zu Ergebnissen kommen. Diese wären dann vielleicht für den einen oder die andere ansprechender oder weniger ansprechend – jedenfalls aber wäre die gestellte Aufgabe auch gelöst worden.

Die Sonderstellung der Diensterfindung

Das ist im Fall einer patentierbaren Erfindung, wie sie im Arbeitsrecht eine Sonderstellung genießt, anders: Diese muss nicht nur weltweit neu sein, sondern darf auch nicht für eine andere sich mit der Materie beschäftigende Fachperson naheliegend sein. Das heißt, dass durch die Erfindung eine objektiv feststellbare und neue technische Lösung eines technischen Problems realisiert wird, die so selbst für Fachleute nicht vorhersehbar war. Der Unterschied zwischen einer Kreativleistung im Allgemeinen und einer Erfindung im Besonderen liegt also darin, dass bei der Erfindung die unvorhergesehene erfinderische Lösungsidee unbedingte Voraussetzung ist. Ohne diese – wie es im Patentgesetz heißt – „erfinderische Tätigkeit“ kommt die Erfindung nicht etwa in anderer Form zustande, sondern sie kommt gar nicht zustande.

Die Tatsache, dass eine Erfindung also nicht angeordnet oder erwartet werden kann, ist mit ein Grund für die Sonderstellung von Erfindungen von Arbeitnehmer:innen im Arbeitsrecht: Bis auf wenige Ausnahmen muss der Arbeitgeber, wenn eine Diensterfindung von Beschäftigten für das Unternehmen genutzt werden soll, eine besondere Vergütung leisten. Und die Inanspruchnahme an sich ist nur dann möglich, wenn bereits im Vorhinein eine schriftliche Vereinbarung darüber zum Beispiel im Arbeits- oder Kollektivvertrag getroffen wurde. Zusätzlich bleibt dem oder der Diensterfinder:in bei einer Patentanmeldung bzw. -erteilung in jedem Fall der Anspruch auf Nennung als Erfinder:in beispielsweise in der amtlichen Patentschrift und im Patentregister erhalten.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Das Bestehen derart umfangreicher gesetzlicher Regelungen, die zwingendes Recht darstellen, zeigt deutlich, dass einerseits die Diensterfindung als ganz besonders zu würdigende persönliche Leistung angesehen wird und andererseits die innerbetriebliche Erfindungstätigkeit sowohl durch wirtschaftliche wie auch durch ideelle Anreize begünstigt werden soll. Warum aber ist dem Gesetzgeber diese Stimulation der Erfindungstätigkeit ein so großes Anliegen? Die Antwort liegt in der potenziellen Bedeutung von Erfindungen, die ihnen eine Alleinstellung gegenüber den anderen angesprochenen Kreativleistungen verleiht. Erfindungen können bisher unlösbare Probleme lösen. Ein aktuelles Beispiel von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung ist die Entwicklung von Corona-Impfstoffen: Die Impfstoffe waren der effektivste Weg aus dem Leid und der Not, wie sie durch die Pandemie verursacht wurden. Es ist also jedenfalls in gesellschaftlichem und damit staatlichem Interesse, die Erfindungstätigkeit so gut wie möglich zu unterstützen. Und ohne Zweifel ist die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitnehmer:innen, die sich beruflich mit bestimmten Problemstellungen befassen, in diesem Gebiet auch nützliche Erfindungen machen, besonders hoch. Schätzungen gehen davon aus, dass in Industriestaaten zwischen 75 und 90 Prozent aller Patentanmeldungen auf Diensterfindungen zurückgehen.

Unterm Strich sind also eine Unterstützung der innerbetrieblichen Erfindungstätigkeit naheliegend und sinnvoll und gesetzliche Anordnungen zum Umgang mit Diensterfindungen wegen der möglicherweise weit über das Innerbetriebliche hinausgehenden Bedeutung gerechtfertigt und wünschenswert. Damit kann wahr werden, was im Titel des Beitrags steht: (Dienst-)Erfindungen als Gewinn für alle – Arbeitnehmer:innen, Arbeitgeber und Gesellschaft.

Ist also alles perfekt?

Die kurze und ernüchternde Antwort: Nein, leider nicht. Und dieser Zustand sollte in Zeiten des zunehmenden internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe und im Hinblick auf die damit verbundene Perspektive für den Wirtschaftsstandort Österreich nicht leichtfertig in Kauf genommen werden.

Die Praxis zeigt, dass das Bewusstsein für die Wichtigkeit eines gut und transparent funktionierenden, wertschätzenden innerbetrieblichen Meldesystems für Verbesserungsvorschläge und Erfindungen nicht überall ausreichend besteht. Auch haben da und dort Innovator:innen mit der Beharrlichkeit des „Das-haben-wir-noch-nie-so-gemacht!“ zu kämpfen. Hier gibt es durchaus Potenzial für Verbesserungen, das wohl am besten innerbetrieblich und überbetrieblich in sozialpartnerschaftlichem Zusammenwirken gehoben werden kann.

Aber auch auf gesetzlicher Ebene wäre es nach knapp 100-jährigem Bestehen der geltenden Regelungen zu Diensterfindungen an der Zeit, bisherige Erfahrungen in eine Überarbeitung einfließen zu lassen. Immer wieder zeigt sich, dass unterschiedliche Auffassungen von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgebern bei Erfindungsvergütungen zu Streitigkeiten führen, die eine Belastung weit über die unmittelbar Beteiligten darstellen. Vielleicht könnte hier die Errichtung einer niederschwellig zugänglichen Schlichtungsstelle Abhilfe schaffen, bei der Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber durch Expert:innen professionelle und sachkundige Unterstützung bei einer außergerichtlichen Lösung von potenziellen Konflikten erhalten. Auch darüber wäre ein Diskurs auf sozialpartnerschaftlicher Ebene wünschenswert. 

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung