Forschung, Technologie und Innovation in Österreich – der lange Weg zur (neuen) FTI-Strategie

29. März 2021

Die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen am Beginn des 21. Jahrhunderts könnten nicht größer sein – sei es die digitale Revolution oder der Kampf gegen die Klimakrise. Sie sind Boten struktureller Veränderungen für die Art und Weise, wie wir Produktion, Wertschöpfung und Arbeit organisieren. Forschung, Technologie und Innovation stellen im Prozess des Wandels dabei jene Politikfelder dar, welche es erlauben, frühzeitig die Grundlagen für zukünftiges Wirtschaften zu legen. Dazu braucht es aber auch eine Strategie dafür, wie sich die Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik (FTI) in den nächsten Jahren ausrichten soll. Fragen der längerfristigen Ausrichtung sind wichtige gesellschaftliche Entscheidungen. Die Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten breiter Gesellschaftsgruppen ist deshalb unabdingbar.

Die Genese der neuen FTI-Strategie für Österreich

Die Bundesregierung hat im Sommer 2018 die Erarbeitung einer neuen Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI-Strategie) angekündigt. Die neue Strategie soll u. a. auf den Erkenntnissen der „Review of Innovation Policy Austria 2018“ der OECD aufbauen. Gleichzeitig sollen wesentliche Stakeholder sowie die Bundesländer in den Entstehungsprozess miteinbezogen werden. Gegenüber der im März 2011 veröffentlichten „FTI-Strategie 2020“ wurden die Sozialpartner zwar diesmal etwas stärker eingebunden, allerdings fanden die Vorarbeiten zur neuen Strategie jahrelang in mehreren Arbeitsgruppen statt, die weitgehend den Beamten der zuständigen Ressorts vorbehalten waren. Der schließlich für 7. Mai 2019 geplante Forschungsgipfel der Bundesregierung, an welchem die neue FTI-Strategie der Öffentlichkeit präsentiert werden sollte, wurde u. a. wegen fehlender Einigung zwischen den Ressorts auf Herbst verschoben. Der zwischenzeitlich stattgefundene Regierungswechsel von ÖVP-FPÖ auf ÖVP-Grüne vereitelte auch diesen Termin. Die COVID-19-Krise 2020 verlängerte den Stillstand in dieser Angelegenheit um ein weiteres Jahr, und letztlich wurde die „FTI-Strategie 2030“ (inklusive des Pakts für Forschung, Technologie und Innovation – „FTI-Pakt“) in der letzten Ministerratssitzung des Jahres, am 23. Dezember 2020, beschlossen. Förmlich in letzter Minute, da der auf der FTI-Strategie aufbauende FTI-Pakt für die Jahre 2021 bis 2023 rechtzeitig beschlossen werden musste. Durch den FTI-Pakt wurden nun erstmals Maßnahmen vorgesehen, die eine Operationalisierung der FTI-Strategie 2030 für einen Zeitraum von drei Jahren darstellen. Er basiert auf dem im Rahmen der Forschungsfinanzierungsnovelle 2020 verabschiedeten Forschungsfinanzierungsgesetz (FoFinaG).

Das Forschungsfinanzierungsgesetz: eine Odyssee der fehlenden budgetären Perspektive

Das Forschungsfinanzierungsgesetz (FoFinaG), welches 2009 erstmalig angekündigt und bis 2020 von allen FinanzministerInnen abgelehnt wurde, ist im Rahmen des Begutachtungsverfahrens 2019 vor allem wegen des fehlenden budgetären Wachstumspfads für FTI (damals noch Forschungsrahmengesetz) breit kritisiert worden, unter anderem auch von der AK. Daran hat sich nichts geändert, auch wenn im FTI-Pakt das zur Verfügung stehende Budget für die Jahre 2021 bis 2023, welches auf dem Bundesfinanzrahmengesetz (BFRG) 2021–2024 basiert, dargestellt wird. Von einem nachhaltigen Wachstumspfad im Bereich der angewandten Forschung und Innovation kann im BFRG 2021–2024 keine Rede sein: Das dem BMK zuzuordnende Konjunkturpaket fällt ab 2023 wieder weg, und die entsprechenden Mittel für das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) werden ohnehin nur fortgeschrieben. Ab 2024 entfallen auch noch die Mittel für die „Important Projects of Common European Interest (IPCEI)“, ein beihilferechtliches Instrument der Europäischen Union zur zielgerichteten Förderung von strategisch bedeutsamen industriellen Wertschöpfungsketten, sodass im Jahr 2024 vorerst sogar weniger Mittel vorgesehen sind, als noch für 2020 vorgesehen waren.

Achillesfersen der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik in Österreich

Die FTI-Strategie (im Konnex mit dem FTI-Pakt) hat aber noch weitere Schwachpunkte. Zum Beispiel fehlt es an konkreten Meilensteinen und es ist nicht geklärt, welche Maßnahmen bis wann umgesetzt werden sollen. Dies kommt einem Kardinalfehler in jeglicher Form des Managements gleich, denn Projekte oder umfassende Strategien können ohne einen geplanten Zeithorizont im Prozess nicht evaluiert, kontrolliert oder in ihrem Output bewertet werden.

Die im Vergleich zur FTI-Strategie 2020 stärkere Output-Orientierung ist hingegen positiv zu sehen, denn eine Erhöhung der Forschungsausgaben allein kann eine wirtschaftlich positive Entwicklung – mit Vergrößerung von Wohlstand und Chancen für alle – nicht garantieren. Trotz hoher Steigerungsraten bei den F&E-Ausgaben in den letzten Jahren und trotz Erreichens einer Spitzenposition auf EU-Ebene (zweithöchste F&E-Quote im Ländervergleich) zählt Österreich nicht zu den führenden Innovationsländern in der EU. Dies spricht sicher nicht für eine ausreichende Innovationseffizienz und -effektivität.

Es ist daher nicht allein die Höhe der Ausgaben entscheidend dafür, ob ein Staat zu den führenden Innovationsländern gezählt werden kann. Entscheidend ist eher, in welchen Bereichen Potenziale liegen bzw. wie effizient oder effektiv das nationale FTI-System seine finanziellen Mittel in Forschungsleistungen und verwertbare Ergebnisse umsetzt. In diesem Sinne bedarf es einer Umorientierung von reinen Inputzielen, wie beispielsweise die Erreichung eines möglichst hohen Anteils der F&E-Ausgaben am BIP (F&E-Quote), hin zu einer stärkeren Berücksichtigung des Outcomes, des Impacts und deren Qualität.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die in der FTI-Strategie angeführten zentralen Ziele sind großteils Output-orientiert und gehen damit in die richtige Richtung. Nichtsdestotrotz scheinen die in der FTI-Strategie konkret angestrebten Ziele, wie beispielsweise eine Rangverbesserung Österreichs beim European Innovation Scoreboard (EIS) von Platz 8 auf 5 oder die Steigerung der Anzahl der F&E-betreibenden Unternehmen um 20 Prozent, etwas willkürlich ausgewählt zu sein. Vom langjährigen Ziel, eine F&E-Quote von 3,76 Prozent zu erreichen, ist in der FTI-Strategie 2030 keine Rede mehr. Dies ist insofern eine gute Entscheidung, als es für den Zusammenhang zwischen einer Festlegung eines F&E-Quotenziels und dessen Wirksamkeit keinerlei wissenschaftliche Belege gibt. Allerdings ist dann wiederum das (inputmäßig) angeführte Ziel einer Steigerung der F&E-Quote von derzeit Top 7 im OECD-Ranking auf Top 5 auch nicht nachvollziehbar. Bei so manchen Zielsetzungen und Maßnahmen handelt es sich um eine Bestandsaufnahme bereits praktizierter FTI-Politik oder auch geplanter Vorhaben – zum Teil vorgegeben durch das Regierungsprogramm bzw. einen Ministerratsbeschluss.

Vom Inputfokus zur Missionsorientierung

Bisher war die FTI-Politik oft von einem Schielen auf die F&E-Quoten – und damit auf die Ausgabenhöhen – geprägt. Fragen der Effektivität oder einer bestimmten Entwicklungsrichtung wurden dabei kaum gestellt. Die FTI-Strategie und vor allem der FTI-Pakt sollen demgegenüber eine verstärkte Output-Orientierung verankern, die es auch noch in Zukunft weiter zu verstärken gilt. Außerdem muss ein verstärkter Fokus auf die Erhöhung sowohl der Effizienz als auch Effektivität der eingesetzten Mittel gelegt werden. Dies entspräche dann auch der Leseart einer modernen und zukunftsgerichteten FTI-Politik, denn Dekarbonisierung und Digitalisierung stellen die europäischen Volkswirtschaften vor große Herausforderungen oder „Missionen“, die es zu bewältigen gilt. Der FTI-Pakt stellt genau diesen Bedarf an einer FTI-orientierten und missionsgetriebenen Industriepolitik grundsätzlich fest, ist aber in der Umsetzung nicht konsequent genug. Ein tatsächlich zielführender Ansatz sollte österreichische Unternehmen entlang von strategischen Wertschöpfungsketten unterstützen und gleichzeitig in den zukunftsträchtigsten Feldern positionieren. Missionsgetriebene FTI-Programme sollen einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen leisten.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Das Bekenntnis zu einer verstärkten Missions- und Ergebnisorientierung ist notwendig und als längst überfällig anzusehen, jedoch reicht dies allein noch nicht aus, um den Strukturwandel entsprechend zu begleiten. Vielmehr braucht es zusätzlich zur Missionsorientierung einen stärkeren Fokus auf die Wirkung der FTI-politischen Maßnahmen auf Beschäftigung im Allgemeinen und auf die ArbeitnehmerInnen im Konkreten. Gerade in gesellschaftlichen Transformationsprozessen ist der Fokus auf die betroffenen Menschen besonders bedeutend, denn sie sind es, die im Endeffekt ihr Know-how, ihre Fähigkeiten und ihre Arbeitsleistung in den Prozess einbringen. Der Wandel hin zu einer digitalen und nachhaltigen Wirtschaft wird daher nur dann gelingen, wenn die FTI-Politik die Beschäftigten stärker in den Mittelpunkt stellt, Mitbestimmungsmöglichkeiten verbessert sowie Qualifizierung und Weiterbildung forciert. Die FTI-Strategie und der FTI-Pakt müssen daher entsprechend dringend nachgebessert werden, damit auch für Österreich gilt: „Mission accomplished!“

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