Die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen am Beginn des 21. Jahrhunderts könnten nicht größer sein – sei es die digitale Revolution oder der Kampf gegen die Klimakrise. Sie sind Boten struktureller Veränderungen für die Art und Weise, wie wir Produktion, Wertschöpfung und Arbeit organisieren. Forschung, Technologie und Innovation stellen im Prozess des Wandels dabei jene Politikfelder dar, welche es erlauben, frühzeitig die Grundlagen für zukünftiges Wirtschaften zu legen. Dazu braucht es aber auch eine Strategie dafür, wie sich die Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik (FTI) in den nächsten Jahren ausrichten soll. Fragen der längerfristigen Ausrichtung sind wichtige gesellschaftliche Entscheidungen. Die Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten breiter Gesellschaftsgruppen ist deshalb unabdingbar.
Die Genese der neuen FTI-Strategie für Österreich
Die Bundesregierung hat im Sommer 2018 die Erarbeitung einer neuen Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI-Strategie) angekündigt. Die neue Strategie soll u. a. auf den Erkenntnissen der „Review of Innovation Policy Austria 2018“ der OECD aufbauen. Gleichzeitig sollen wesentliche Stakeholder sowie die Bundesländer in den Entstehungsprozess miteinbezogen werden. Gegenüber der im März 2011 veröffentlichten „FTI-Strategie 2020“ wurden die Sozialpartner zwar diesmal etwas stärker eingebunden, allerdings fanden die Vorarbeiten zur neuen Strategie jahrelang in mehreren Arbeitsgruppen statt, die weitgehend den Beamten der zuständigen Ressorts vorbehalten waren. Der schließlich für 7. Mai 2019 geplante Forschungsgipfel der Bundesregierung, an welchem die neue FTI-Strategie der Öffentlichkeit präsentiert werden sollte, wurde u. a. wegen fehlender Einigung zwischen den Ressorts auf Herbst verschoben. Der zwischenzeitlich stattgefundene Regierungswechsel von ÖVP-FPÖ auf ÖVP-Grüne vereitelte auch diesen Termin. Die COVID-19-Krise 2020 verlängerte den Stillstand in dieser Angelegenheit um ein weiteres Jahr, und letztlich wurde die „FTI-Strategie 2030“ (inklusive des Pakts für Forschung, Technologie und Innovation – „FTI-Pakt“) in der letzten Ministerratssitzung des Jahres, am 23. Dezember 2020, beschlossen. Förmlich in letzter Minute, da der auf der FTI-Strategie aufbauende FTI-Pakt für die Jahre 2021 bis 2023 rechtzeitig beschlossen werden musste. Durch den FTI-Pakt wurden nun erstmals Maßnahmen vorgesehen, die eine Operationalisierung der FTI-Strategie 2030 für einen Zeitraum von drei Jahren darstellen. Er basiert auf dem im Rahmen der Forschungsfinanzierungsnovelle 2020 verabschiedeten Forschungsfinanzierungsgesetz (FoFinaG).
Das Forschungsfinanzierungsgesetz: eine Odyssee der fehlenden budgetären Perspektive
Das Forschungsfinanzierungsgesetz (FoFinaG), welches 2009 erstmalig angekündigt und bis 2020 von allen FinanzministerInnen abgelehnt wurde, ist im Rahmen des Begutachtungsverfahrens 2019 vor allem wegen des fehlenden budgetären Wachstumspfads für FTI (damals noch Forschungsrahmengesetz) breit kritisiert worden, unter anderem auch von der AK. Daran hat sich nichts geändert, auch wenn im FTI-Pakt das zur Verfügung stehende Budget für die Jahre 2021 bis 2023, welches auf dem Bundesfinanzrahmengesetz (BFRG) 2021–2024 basiert, dargestellt wird. Von einem nachhaltigen Wachstumspfad im Bereich der angewandten Forschung und Innovation kann im BFRG 2021–2024 keine Rede sein: Das dem BMK zuzuordnende Konjunkturpaket fällt ab 2023 wieder weg, und die entsprechenden Mittel für das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) werden ohnehin nur fortgeschrieben. Ab 2024 entfallen auch noch die Mittel für die „Important Projects of Common European Interest (IPCEI)“, ein beihilferechtliches Instrument der Europäischen Union zur zielgerichteten Förderung von strategisch bedeutsamen industriellen Wertschöpfungsketten, sodass im Jahr 2024 vorerst sogar weniger Mittel vorgesehen sind, als noch für 2020 vorgesehen waren.
Achillesfersen der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik in Österreich
Die FTI-Strategie (im Konnex mit dem FTI-Pakt) hat aber noch weitere Schwachpunkte. Zum Beispiel fehlt es an konkreten Meilensteinen und es ist nicht geklärt, welche Maßnahmen bis wann umgesetzt werden sollen. Dies kommt einem Kardinalfehler in jeglicher Form des Managements gleich, denn Projekte oder umfassende Strategien können ohne einen geplanten Zeithorizont im Prozess nicht evaluiert, kontrolliert oder in ihrem Output bewertet werden.
Die im Vergleich zur FTI-Strategie 2020 stärkere Output-Orientierung ist hingegen positiv zu sehen, denn eine Erhöhung der Forschungsausgaben allein kann eine wirtschaftlich positive Entwicklung – mit Vergrößerung von Wohlstand und Chancen für alle – nicht garantieren. Trotz hoher Steigerungsraten bei den F&E-Ausgaben in den letzten Jahren und trotz Erreichens einer Spitzenposition auf EU-Ebene (zweithöchste F&E-Quote im Ländervergleich) zählt Österreich nicht zu den führenden Innovationsländern in der EU. Dies spricht sicher nicht für eine ausreichende Innovationseffizienz und -effektivität.
Es ist daher nicht allein die Höhe der Ausgaben entscheidend dafür, ob ein Staat zu den führenden Innovationsländern gezählt werden kann. Entscheidend ist eher, in welchen Bereichen Potenziale liegen bzw. wie effizient oder effektiv das nationale FTI-System seine finanziellen Mittel in Forschungsleistungen und verwertbare Ergebnisse umsetzt. In diesem Sinne bedarf es einer Umorientierung von reinen Inputzielen, wie beispielsweise die Erreichung eines möglichst hohen Anteils der F&E-Ausgaben am BIP (F&E-Quote), hin zu einer stärkeren Berücksichtigung des Outcomes, des Impacts und deren Qualität.