Eine qualitativ hochwertige Aus- und Weiterbildung sowie eine hohe Innovationsbereitschaft der Beschäftigten sind die Voraussetzungen für erfolgreiche Innovationen österreichischer Unternehmen. Hinzu kommen noch neuere, zum Teil sogar disruptive Entwicklungen, die erhebliche Herausforderungen für die Beschäftigten und das gesamte Qualifikationssystem darstellen. Eine Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) muss daher Mitbestimmung ermöglichen und die Beschäftigten stärker in den Mittelpunkt stellen.
Der für den 7. Mai 2019 angekündigte FTI-Gipfel der Bundesregierung galt als offizieller Kick-off für die Erarbeitung einer neuen Forschungs-, Technologie- und Innovationsstrategie („FTI-Strategie 2030“). Da sich die Regierungsparteien nicht rechtzeitig auf das Budget einigen konnten, wurde der Gipfel in letzter Minute auf den Herbst verschoben.
Die neue Strategie soll unter anderem auf den Erkenntnissen der Ende 2018 veröffentlichten „Review of Innovation Policy Austria 2018“ der OECD aufbauen und „unter gezielter Einbindung wesentlicher Stakeholder und im Austausch mit den Bundesländern“ erfolgen. Hauptziel der bisherigen FTI-Strategie 2020 war, dass Österreich bis 2020 in die Gruppe der europäischen „Innovation Leaders“ aufsteigt. Tatsächlich hat Österreich in Bezug auf die F&E-Investitionen in den letzten 25 Jahren enorm aufgeholt. Heute verfügt Österreich mit rund 3,19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts über die zweithöchste F&E-Quote in der EU (nach Schweden). In den letzten Jahren hat dementsprechend auch die Zahl der Beschäftigten in F&E deutlich zugelegt.
Trotz der hohen Forschungsausgaben und öffentlichen F&E-Förderungen im Ausmaß von mehr als einer Milliarde Euro jährlich ist das Hauptziel der FTI-Strategie, bis 2020 in die Gruppe der europäischen Innovationsführer aufzusteigen, bisher nicht erreicht worden.
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Für die neue FTI-Strategie stellen sich also folgende Fragen: Wie können die bestehenden Mittel effizienter und vor allem effektiver eingesetzt werden? Welche nicht monetären Maßnahmen können dazu beitragen, die Innovationsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu erhöhen?
Was sind die wichtigsten Faktoren für Forschung und Entwicklung? Die Antwort ist einfach: die Menschen. Dies zeigt auch eine vom Wirtschaftsforschungsinstitut durchgeführte Umfrage unter heimischen Industrieunternehmen, wonach hochqualifizierte Arbeitskräfte sowie Personal für Forschung und Entwicklung die wichtigsten Standortfaktoren sind. Eine zu geringe Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften kann ein ernsthaftes Innovationshemmnis darstellen. Daher bedarf es eines breiten Ansatzes in der FTI-Politik. Dieser darf nicht auf die monetäre Förderung von F&E und Innovation beschränkt sein, wie dies in der Vergangenheit weitgehend der Fall war. Die für die FTI-Politik typischen Querschnittsmaterien erfordern einen aufeinander abgestimmten Einsatz von verschiedenen Instrumenten, wie beispielsweise Förderung, Regulierung, öffentliche Infrastrukturinvestitionen, innovationsorientierte Beschaffung und nicht zuletzt auch eine qualitativ hochwertige Aus- und Weiterbildung. Diese Aus- und Weiterbildung muss dabei das gesamte vorgelagerte Bildungssystem umfassen und darf sich nicht auf den tertiären Bereich beschränken. Und hier gibt es zweifellos Schwächen: für den Rat für Forschung- und Technologieentwicklung ist die sogenannte Bildungsvererbung eine der größten Schwächen des österreichischen Bildungssystems. Das heißt, wer Eltern mit niedrigen Bildungsabschlüssen hat, hat in Österreich wenig Chancen auf Aufstieg durch Bildung. Es spricht also einiges dafür, dass die Beschäftigten im Mittelpunkt einer guten FTI-Strategie stehen müssen.
Die Erhöhung der Forschungsausgaben allein garantiert weder Wachstum noch Wohlstand – auch wenn dies in der FTI-politischen Diskussion häufig verkürzt so anklingt. Man sollte sich nicht auf Automatismen verlassen und gewisse Rahmenbedingungen und Maßnahmen beachten. Entscheidend ist, wo Potenziale liegen bzw. wie effizient bzw. effektiv das nationale FTI-System in der Umsetzung von finanziellen Mitteln und Forschungsleistungen in verwertbare Ergebnisse ist. Der Fokus der neuen FTI-Strategie muss daher auf die Wirkung FTI-politischer Maßnahmen auf Wertschöpfung und Beschäftigung gerichtet werden. Schließlich ist das Ziel, „Innovation Leader“ zu werden, „kein Selbstzweck, sondern dient der Erreichung übergeordneter gesellschaftlicher Ziele“ (Rat für Forschung- und Technologieentwicklung ).
Beschäftigungsaspekte in der FTI-Strategie stärker verankern Als Maßstab für die Innovationsfähigkeit dient das European Innovation Scoreboard (EIS). Im EIS 2018 weist Österreich bei den Indikatoren „Beschäftigung in wissensintensiven Tätigkeiten“ und „Beschäftigung in schnell wachsenden Unternehmen“ eine (im EU-Vergleich) eher durchschnittliche beziehungsweise eine weit unterdurchschnittliche Position auf. Auch wenn so manche Indikatoren im EIS aufgrund spezifischer österreichischer Gegebenheiten etwas zu relativieren sind, müssen daraus Ableitungen getroffen werden, welche Eingang in die FTI-Strategie finden sollen.
Der Zusammenhang zwischen FTI und Beschäftigung ist zweifellos sehr komplex, da noch viele andere Faktoren und auch die zeitliche Dimension eine Rolle spielen. Dazu gibt es viele Studien. Eine WIFO-Studie , die die Beschäftigungswirkungen erfolgreicher Innovationen untersucht, zeigt einen positiven Zusammenhang zwischen Innovation und Beschäftigung für den untersuchten Zeitraum auf. Es stellt sich dabei die Frage, wie die Ergebnisse unter heutigen bzw. zukünftigen Bedingungen einer bereits weit fortgeschrittenen Digitalisierung (z. B. Veränderung der Geschäftsprozesse, Arbeitsorganisation und Arbeitstätigkeiten) aussehen.
Technik ist in einem hohen Maße gestaltbar – Innovation braucht Mitbestimmung „Die Digitalisierung erhöht die Spielräume für die Gestaltung der Arbeit und der Unternehmensorganisation. Innerhalb des Unternehmens können zusätzliche Aufgaben automatisiert, Arbeitsteilung und Kooperation neu gestaltet sowie die Geschäftsprozesse geändert werden. Aber auch für die Auslagerung von Arbeit aus der Organisation und für eine neue räumliche Verteilung der Arbeit eröffnen Informations- und Kommunikationstechnologien und die Digitalisierung der Arbeitsmittel und -gegenstände immer neue Möglichkeiten“, heißt es in einer FORBA-Studie zu digitaler Arbeit .
Der technologische Wandel ist sowohl ein gestaltbarer als auch ein gesellschaftlich umkämpfter Prozess, dessen Richtung und Ausgang offen ist. Die Freiheit der Gestaltung von Digitalisierungsprojekten im Unternehmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen stehen dabei in einem sehr engen Zusammenhang. Eine entsprechende Einbindung der ArbeitnehmerInnen im Zusammenhang mit Digitalisierungsprojekten ist daher unabdingbar und letztlich auch für das betreffende Unternehmen von Vorteil. Innovation braucht hoch motivierte ArbeitnehmerInnen!
Die Entwicklung der nächsten Jahre – vor allem im Bereich Digitalisierung mit den unterschiedlichen Ausprägungen wie künstliche Intelligenz, Blockchain, Internet of Things, 3D-Druck, um nur einige der derzeit gebräuchlichsten Schlagworte zu nennen – stellt eine erhebliche Herausforderung für Beschäftigung und Qualifikation dar. Eine moderne FTI-Strategie darf sich daher keinesfalls diesen aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen verschließen. Ein hohes Maß an Qualifikation und Innovationsbereitschaft muss nicht nur erhalten, sondern weiter verbessert und ausgebaut werden.
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