Aus­beu­tung und il­le­ga­le Be­schäf­ti­gung von Dritt­staats­ange­hörigen in Öster­reich – eine Bestands­aufnahme

20. September 2024

Eine neue Studie des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) untersucht die unrechtmäßige Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen in Österreich im Zeitraum von 2017 bis 2023. Im Fokus stehen wie bisher die Branchen Gastronomie und Tourismus, Land- und Forstwirtschaft sowie das Baugewerbe. Neu hinzugekommen ist das Kleintransportgewerbe, Stichwort Plattformarbeit. Die Herausforderungen sind gleichgeblieben: Bekämpfung von Scheinselbständigkeit, Erstauftraggeber-Haftung, gesicherter Aufenthalt im Rechtsverfahren uvm. 

Trendumkehr im Jahr 2020 

Illegale Beschäftigung liegt gemäß der Richtlinie 2009/52/EG vor, wenn Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigt werden. Innerstaatlich sind insbesondere Verstöße von Arbeitgeber:innen gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) relevant. Menschenhandel wird nach § 104a StGB und Ausbeutung von Fremden nach § 116 FPG gerichtlich bestraft. 

Unrechtmäßige Beschäftigung findet zumeist nicht direkt bei Großunternehmen statt. Das Risiko wird gerne auf Subunternehmen abgewälzt, da eine Strafe nach dem AuslBG etwa dazu führt, dass Unternehmen keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen. Aus der täglichen arbeitsrechtlichen Beratung der AK Wien wissen wir, dass „illegale Beschäftigung und Ausbeutung“ in inländischen und ausländischen Unternehmen gleichermaßen praktiziert wird. 

Wie die aktuelle Studie zeigt, waren bis 2015 73 % aller illegal Beschäftigten (entsandte) Arbeitnehmer:innen aus östlichen EU-Mitgliedstaaten. Seit 2020 ist der Anteil der unrechtmäßig Beschäftigten aus Drittstaaten höher und liegt aktuell bei etwa 60 %. Hintergrund für den starken Anstieg von unrechtmäßig beschäftigten Drittstaatsangehörigen ist laut Finanzpolizei das steigende Lohnniveau sowie die demographische Entwicklung in den osteuropäischen Nachbarstaaten. Der Anteil an Österreicher:innen blieb konstant bei 10 %. 

© A&W Blog


Strafen (nur) für Arbeitgeber:innen? 

In Fällen von unrechtmäßiger Beschäftigung werden grundsätzlich nur Arbeitgeber:innen sanktioniert. Denkbar sind insbesondere folgende Fälle: 

  • Geldstrafe bei Lohn- und Sozialdumping: Wer Arbeitnehmer:innen unter dem kollektivvertraglichen Mindestlohn bezahlt, wird mit Strafen bis zu 50.000 € belegt. Im Jahr 2021 wurde das Kumulationsprinzip abgeschafft. Das bedeutet: Unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmer:innen von Unterentlohnung betroffen sind, für den:die Arbeitgeber:in gibt es nur eine Strafe. Arbeiterkammer, Gewerkschaft und UNDOK fordern die Wiedereinführung des Kumulationsprinzips, wie es auch im Ausländerbeschäftigungsrecht üblich ist. 
  • Geldstrafe bei Beschäftigung ohne Anmeldung zur Sozialversicherung 
  • Geld- oder Freiheitsstrafe bei Beschäftigung von Arbeitnehmer:innen ohne aufenthaltsrechtlicher bzw arbeitsmarktbehördlicher Bewilligung 
  • Freiheitsstrafe bei Menschenhandel und Ausbeutung von Beschäftigten 
  • Ausschluss und Rückzahlung von öffentlichen Förderungen bei Verstößen gegen das Ausländerbeschäftigungsrecht 
  • Entziehung der Gewerbeberechtigung bei gerichtlicher Verurteilung wegen organisierter Schwarzarbeit 
  • Kein Anspruch auf weitere Beschäftigungsbewilligungen bzw. Verbot der Beschäftigung von Ausländer:innen bei Verstößen gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz 

Rechte und rechtliche Konsequenzen für Arbeitnehmer:innen 

  • 29 AuslBG sieht vor, dass Arbeitnehmer:innen ohne Beschäftigungsbewilligung, rechtmäßig Beschäftigten arbeitsrechtlich gleichgestellt sind. Darüber hinaus besteht Anspruch auf Kostenersatz einer Auslandsüberweisung des Entgelts. Das bedeutet, ein fehlendes Aufenthaltsrecht oder eine fehlende Arbeitserlaubnis hat keine Auswirkungen auf die arbeitsrechtlichen Ansprüche von unrechtmäßig Beschäftigten.

Die Betroffenen erhalten von der Arbeiterkammer dieselben Unterstützungsleistungen und haben dieselben Beschwerdemöglichkeiten wie österreichische Arbeitskräfte, unabhängig davon, ob sie sich regulär oder irregulär in Österreich aufhalten. Das gilt sowohl für arbeitsrechtliche Forderungen an Arbeitgeber:innen, als auch für sozialrechtliche Ansprüche, etwa dem AMS oder der ÖGK gegenüber. Aus begründeter Angst vor aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen nehmen nur sehr wenige Betroffene dieses Angebot in Anspruch. 

In Österreich können ausländische Arbeitnehmer:innen grundsätzlich nicht für illegale Beschäftigung bestraft werden, da Arbeitgeber:innen die Verantwortung für die rechtmäßige Anstellung tragen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die unrechtmäßige Beschäftigung ohne Konsequenzen für Arbeitnehmer:innen bleibt. Das verdeutlichen folgende Beispiele: 

  • Beschäftigung außerhalb der arbeitsmarktbehördlichen Genehmigung: Studierende erhalten einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Ausbildung. Im Rahmen der Beschäftigungsbewilligung dürfen sie grundsätzlich bis zu 20 Stunden pro Woche arbeiten. Wird die Arbeitszeit überschritten, wird der Aufenthaltstitel wahrscheinlich nicht verlängert. Darüber hinaus kann eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG erlassen werden. 
  • Beschäftigung ohne arbeitsmarktbehördliche Genehmigung: Das österreichische Fremdenrecht ist kompliziert. Manche Menschen glauben, mit ihrem Aufenthaltstitel über einen Arbeitsmarktzugang zu verfügen, obwohl sie ohne Bewilligung nicht arbeiten dürfen. In der Praxis kommt es vor, dass Arbeitgeber:innen vorgeben, eine Beschäftigungsbewilligung beantragt zu haben, obwohl das niemals passiert ist. Auch in diesen Fällen besteht die Gefahr, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG erlässt. 
  • Festnahme: Die Finanzpolizei kann gem. § 26 Abs 4 AuslBG Ausländer:innen für die Fremdenpolizei festnehmen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die betroffene Person im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben will, ohne dazu berechtigt zu sein, und sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. 

Wie kann illegale Beschäftigung wirksam bekämpft werden? 

„Schwarzarbeit“ und Ausbeutung von Arbeitnehmer:innen führt zu verringerten Steuereinnahmen, untergräbt die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme und verzerrt den fairen Wettbewerb der Unternehmen. Darüber hinaus ist diese Art von Beschäftigung oft sehr prekär. Begründete Angst vor aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen hält viele Betroffene ab, ihre arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche geltend zu machen. 

Um Arbeitnehmer:innen besser vor Ausbeutung und illegaler Beschäftigung zu schützen, müssen folgende Forderungen umgesetzt werden: 

  • Erstauftraggeber-Haftung: Nicht nur in der Baubranche ist es üblich, Aufträge an Sub- und Sub-Subunternehmen zu vergeben. Dadurch entledigen sich Erstauftraggeber:innen ihrer Verantwortung und es entstehen Subunternehmerketten, die den Druck auf die Arbeitsbedingungen erhöhen und einen idealen Nährboden für Sozialbetrug, undokumentierte Arbeit und Lohndumping bilden. Die Haftung des Erstauftraggebers ist eine wirksame Maßnahme, um Subvergaben weniger attraktiv zu machen und die Verantwortung für die korrekte Entlohnung dort anzusiedeln, wo die Hauptprofiteure dieses Systems sind. 
  • Wiedereinführung des Kumulationsprinzips im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (siehe oben) 
  • Informationen und Aufklärung von Arbeitnehmer:innen: Sprach- und Wertekurse müssen genutzt werden, um Betroffene über ihre Rechte aufzuklären und sie mit Gewerkschaften und Arbeiterkammern in Kontakt zu bringen. Ein positives Beispiel ist der Sprachkurs von sezonieri, der kostenlos und niederschwellig für Beschäftigte in der Wiener Landwirtschaft angeboten wird. Neben Spracherwerb bietet der Kurs Aufklärung über Arbeits- und Sozialrechte und stellt den Kontakt zu Gewerkschaft und Arbeiterkammer her. Die ersten Erfolge konnten bereits verzeichnet werden. 
  • Mehr Kontrollen: Um Lohn- und Sozialdumping sowie undokumentierte Arbeit bekämpfen zu können, braucht es eine personelle Aufstockung der zuständigen Behörden, insbesondere Finanzpolizei und Arbeitsinspektorat. 
  • Bekämpfung von Scheinselbständigkeit und „Schwarzarbeit“: Asylwerber:innen haben auch nach Aufhebung des „Bartenstein-Erlasses“ durch den Verfassungsgerichtshof immer noch keinen freien Arbeitsmarktzugang. Das zwingt sie, Scheinselbständigkeit und sehr prekäre Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Um sie aus der Prekarität herauszuholen, braucht es endlich einen effektiven Arbeitsmarktzugang für die Betroffenen. 
  • Gesicherter Aufenthalt während arbeits- und sozialrechtlicher Verfahren: Damit sich Arbeitnehmer:innen erfolgreich gegen Ausbeutung wehren können, darf die rechtliche Geltendmachung ihrer Rechte nicht zu ihrem Nachteil sein. Für die Dauer der Verfahren braucht es daher einen aufenthaltsrechtlichen Schutz für Arbeitnehmer:innen. 
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