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Vulnerabilität von entsandten Arbeitnehmer:innen in Österreich
Das Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung untersucht seit fast einem Jahrzehnt in unterschiedlichen Projekten und unterstützt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Entsendungen von Arbeitskräften innerhalb der EU, unter anderem auch von Drittstaatsangehörigen. In unserer Forschung haben wir eine Reihe von Herausforderungen identifiziert, mit denen entsandte Arbeitnehmer:innen konfrontiert sind. Besonders hervorzuheben ist die Prekarität der Arbeit und die Vulnerabilität der entsandten Personen. Dies äußert sich im Arbeitsausmaß (z. B. längere Arbeitszeiten, Arbeit an Wochenenden), der mangelnden Einhaltung von Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften und ungleicher und damit illegaler Bezahlung (z. B. Entlohnung entspricht dem Entsendeland und nicht dem österreichischen Kollektivvertrag, nicht angemeldete oder unbezahlte Überstunden, Abzug von Reise- oder Unterbringungskosten).
Equal Pay?
Noch bevor die Europäische Richtlinie (EU) 2018/95 zu Entsendungen überarbeitet wurde, war in Österreich gleicher Lohn für gleiche Arbeit bereits im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz geregelt. Allerdings waren im Jahr 2022 trotz Verankerung in den Rechtsakten 8 Prozent aller nach Österreich entsandten Personen basierend auf Angaben der Kontrollbehörden unterbezahlt.
Eine große Mehrheit der entsandten Arbeitskräfte ist gegenüber Arbeitskräften in Normalarbeitsverhältnissen benachteiligt. Dies betrifft speziell die Aushandlung der Arbeitsbedingungen, die Ausgestaltung der Arbeitsverträge, den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen (Stichwort: Sprachbarrieren) sowie die Einbindung in die nationale Interessenvertretung. Entsandte Arbeitnehmer:innen können zwar theoretisch Mitglied einer ansässigen Gewerkschaft sein, aber aufgrund der kurzen Anwesenheit in Österreich, der fehlenden Kontakte und gegebenenfalls sogar aufgrund des Drucks des Unternehmens wird oftmals davon Abstand genommen. Das Vorhandensein komplexer Entsendungsvertragsketten verschärft die Situation vieler entsandter Personen. Entsandte Arbeitnehmer:innen sind ferner oft aufgrund ihrer Situation primär daran interessiert, den Arbeitsplatz und das damit verbundene Gehalt zu bekommen, statt sich zu vergewissern, dass alles vorschriftsmäßig abläuft. Allerdings ist auch die Kontrolle der Einhaltung der Rechte seitens der Kontrollbehörden komplex. Trotz rechtlicher Grundlage des Equal Pay können bestimmte Entsendeunternehmen ihre Verpflichtungen weiterhin umgehen.
Dieser Umstand ist auch auf einen mangelnden Zugang zu Informationen zurückzuführen. Obwohl es zahlreiche Informationskanäle gibt, die von Behörden und Sozialpartnern sowohl für Unternehmen als auch für entsandte Arbeitskräfte bereitgestellt werden, erreichen die Informationen nicht immer die gewünschten Zielgruppen. Entsandte Arbeitnehmer:innen wissen oft nicht, welche Verpflichtungen die Unternehmen ihnen gegenüber haben. Dies betrifft insbesondere die Entlohnung nach dem Kollektivvertrag in Österreich, aber auch Reise- und Unterkunftskosten sowie den Sozialschutz.
Diese Unsicherheit scheint von einigen Unternehmen geteilt zu werden, insbesondere von Kleinunternehmen. Das Projekt Info-Pow untersuchte die Informationskanäle, die Unternehmen im Baugewerbe in Österreich für Entsendungen nutzen, und nahm eine Bewertung derselben vor. Etwa die Hälfte der befragten Unternehmen sieht den Zugang zu Informationen als Herausforderung für die Teilnahme an der Entsendung. Die Hauptschwierigkeiten, über die berichtet wurde, betreffen die Lohnverpflichtungen, insbesondere die Berechnung des richtigen Lohns gemäß Kollektivvertrag sowie die Dokumentationsverfahren.
Komplexe Rechtsmaterie
Die Überschneidung der Entsendung mit anderen Rechtsbereichen wie Mindestlohn, Einwanderung, Sozialversicherung und Steuern sowie die erforderlichen bürokratischen Anforderungen führen zu komplexen Einzelfällen, die umfassende Kenntnisse abverlangen. Damit die strengen Regeln für Entsendungen eingehalten werden, bedarf es umfassender und für alle zugänglicher Information – sowohl für Entsandte als auch für Unternehmen – über zahlreiche Bereiche, wie den Sozialschutz, die Entlohnung, das Arbeitsrecht sowie die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Die größte Herausforderung für die Informationsanbieter besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen einer leicht zugänglichen Darstellung der Informationen und der Bereitstellung ausreichender und detaillierter Informationen zu finden, um den Besonderheiten der Einzelfälle Rechnung zu tragen.
Bezüglich der kollektivvertraglichen Anwendung der Löhne besteht nicht nur die Gefahr, dass die Unternehmen nicht den richtigen Kollektivvertrag in Österreich anwenden, sondern auch, dass einige von ihnen mit dem Argument der Komplexität gar keine kollektivvertraglich in Österreich vereinbarten Löhne anwenden.
Neben umfangreichem Monitoring und Kontrollmechanismen gehören die Anwendung eines ganzheitlichen Ansatzes in der Bereitstellung von Informationen zu unseren wichtigsten Empfehlungen an die Politik. Den Unternehmen könnten digitale Tools zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie die Einhaltung der Vorschriften in benutzerfreundlichen Formaten im Zusammenspiel mit den Behörden selbst überprüfen können. Dies würde dazu beitragen, den Zugang zu Informationen zu erleichtern sowie die Einhaltung der Vorschriften zu verbessern. So könnte es die Bemühungen um die Einhaltung der Arbeitsstandards und der Arbeitnehmer:innenrechte stärken.
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