Erstmals seit zwanzig Jahren fand im November 2017 ein EU-Sozialgipfel statt. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten proklamierten feierlich die „Europäische Säule sozialer Rechte“. Die Erklärung ist symbolisch von großer Bedeutung, konkret verändert sie jedoch: nichts. Maßnahmen für eine tatsächliche Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen müssen nun folgen. Mindeststandards für die Arbeitslosenversicherungssysteme der EU-Mitgliedstaaten sollten eingeführt werden.
Ausgangslage
Nachdem die EU jahrelang von der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise und den darauffolgenden Instabilitäten geprägt war, erholt sich die Wirtschaft nun. Die Arbeitslosenquoten sind rückläufig, weisen jedoch eine starke Divergenz von 3% in Tschechien bis 20% in Griechenland auf. Gleichzeitig nimmt in den einzelnen Mitgliedstaaten die Ungleichheit zu und beinahe ein Viertel der EU-Bevölkerung ist von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Der soziale Schutz hat sich in den letzten Jahren insbesondere in den Krisenländern verschlechtert. Damit die EU aus ihrer aktuellen Krise – die durch das Brexit-Votum noch verstärkt wurde – herauswachsen kann, braucht es eine Stärkung der sozialen Dimension. Leistungen der sozialen Sicherheit müssen so gestaltet sein, dass bei Eintritt eines Risikofalls wie Krankheit, Alter, Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit ein angemessener Lebensstandard und Schutz vor Armut gewährleistet ist.
Große Unterschiede im Schutzniveau der Arbeitslosenversicherung
Ein Vergleich der Nettoersatzraten (Leistungshöhe im Vergleich zum Netto-Erwerbseinkommen) und der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes zeigt, dass das Schutzniveau der Arbeitslosenversicherung zwischen den Mitgliedstaaten in beträchtlichem Ausmaß divergiert. In Österreich gilt seit dem Jahr 2001 eine Nettoersatzrate in Höhe von 55% des Erwerbseinkommens; bei Berücksichtigung von Zuschlägen ergibt sich je nach Familien- und Einkommenssituation eine Nettoersatzrate von durchschnittlich 64%. Die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes ist in Österreich je nach Beschäftigungsdauer und Alter zwischen 20 und 52 Wochen (bzw. bei Weiterbildung auch länger) gestaffelt.