F&E: Wie wird Österreich zum Innovationsführer?

14. Dezember 2018

Österreichs Wirtschaft kann im Wettbewerb nur mit Qualität, technologischem Vorsprung und hoher Wertschöpfung bestehen. Qualifizierte, motivierte MitarbeiterInnen und ihre Forschung und Innovationen sind daher für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft eine entscheidende Voraussetzung und gleichzeitig ein wichtiger Schlüssel für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen. Damit Österreich zur Gruppe der Innovationsführer aufsteigen kann, muss das geplante Update der FTI-Strategie ein „großer Wurf“ werden. Dies kann nur unter Berücksichtigung der Beschäftigten und Einbeziehung der ArbeitnehmerInnenorganisationen gelingen.

Hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E), aber wenig effizient

Die Bundesregierung hat im Sommer die Erarbeitung einer neuen Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI-Strategie) angekündigt. Die neue Strategie soll u. a. auf den Erkenntnissen des soeben veröffentlichten „Review of Innovation Policy Austria 2018“ der OECD aufbauen. Gleichzeitig sollen wesentliche Stakeholder sowie die Bundesländer in den Entstehungsprozess miteinbezogen werden.

Bisher: Keine echte Einbindung, keine Meilensteine, keine Finanzierung

Letzteres wäre, wenn dies tatsächlich auch so gehandhabt wird, ein Fortschritt gegenüber der im März 2011 veröffentlichten FTI-Strategie, wo sowohl die Einbindung der Sozialpartner als auch der Bundesländer nur sehr rudimentär erfolgte. Die FTI-Strategie aus 2011 hat aber noch weitere Schwachpunkte. So fehlt es (weitgehend) an konkreten Meilensteinen (was soll bis wann umgesetzt werden) und Finanzierungsplan gibt es überhaupt keinen. Beschlossen wurde lediglich die Einrichtung einer Taskforce zur Umsetzung und Koordinierung. Eine neue FTI-Strategie ist daher nur sinnvoll, wenn die konkrete Umsetzung sowie deren Finanzierung mitbedacht wird. Hier könnte das bereits seit Jahren angedachte und von der aktuellen Regierung wieder aufgegriffene Forschungsfinanzierungsgesetz gute Dienste leisten.

Durch die Trennung der Zuständigkeiten für Wirtschaft und Wissenschaft auf Bundesebene sind nunmehr (wieder) drei Bundesministerien für FTI zuständig (BM für Verkehr, Innovation und Technologie, BM für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, BM für Bildung, Wissenschaft und Forschung). Hilfreich wäre jedoch eine möglichst starke Bündelung der wesentlichen FTI-politischen Kompetenzen der Bundesministerien zur Vermeidung von Ineffizienzen in der Umsetzung der FTI-Strategie sowie zur Sicherstellung der Verfolgung gemeinsamer Ziele.

Das Ziel „Innovationsführer“ wurde bisher nicht erreicht

Betreffend F&E-Investitionen hat Österreich in den letzten 25 Jahren enorm aufgeholt und hat mittlerweile eine F&E-Quote von 3,19 % (Schätzung für 2018) erreicht. Im EU-Vergleich für das Jahr 2016 hat Österreich nach Schweden die zweithöchste F&E-Quote. Mit rund einer Milliarde Euro an jährlicher Förderung zählt Österreich OECD-weit zu den Spitzenländern, was die staatliche Förderung von F&E für Unternehmen betrifft. Die Unternehmen erhalten (laut letztverfügbaren Zahlen) 390 Millionen Euro an direkter Forschungsförderung und weitere 610 Millionen Euro an steuerlichen Begünstigungen. Letzteres in Form einer direkten Steuergutschrift (Absetzbetrag) in Höhe von 14 % der Forschungsausgaben, die sogenannte Forschungsprämie. Der Finanzierungsanteil der Unternehmensausgaben für F&E durch die öffentliche Hand von 12 % (direkte und steuerliche Förderung) wird damit (innerhalb der EU) nur von Ungarn und Rumänien übertroffen.

Trotzdem konnte Österreich das Hauptziel der FTI-Strategie, bis 2020 in die Gruppe der europäischen Innovationsführer aufzusteigen, bisher nicht erreichen. Gemäß European Innovation Scoreboard (EIS) gehört Österreich zu den „Strong Innovators“ und nimmt seit 2010 jährlich nur Rang 7 bis 10 ein. Im EU-Vergleich schneidet Österreich gerade bei den Beschäftigungswirkungen von Innovation schlecht ab. Dieses Problem wäre jedenfalls noch näher zu untersuchen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Warum zählt Österreich nach wie vor nicht zu den führenden Innovationsländern in der EU?

Ineffizienzen im österreichischen Innovationssystem sind das Problem und nicht eine zu geringe F&E-Quote, wie das seit Jahren verfolgte Ziel, eine F&E-Quote von 3,76 % zu erreichen (auch im aktuellen Regierungsprogramm zu finden), zu suggerieren vermag.

Für eine Neuorientierung in der Förderungspolitik

Die öffentliche Hand darf sich nicht auf das Setzen von Rahmenbedingungen und den Ausgleich von Marktversagen durch direkte und indirekte Förderungen beschränken, sondern muss langfristig und auf Nachhaltigkeit bedacht strategisch planen.

  • Beispiele aus den USA zeigen, dass der Erfolg innovativer Unternehmen oft auf den technologischen Vorleistungen des Staates bzw. seiner Forschungsinstitute aufbaut (z.B. Apple-Produkte, Algorithmen von Google und Amazon). Das bedeutet, die öffentliche Hand muss eigenständige Impulse durch Investitionen in F&E und das Schaffen von F&E-Infrastruktur setzen. Insbesondere dort, wo gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen sind und/oder vielversprechende industriepolitische Ansätze vorhanden sind und privates Kapital (vorerst) aufgrund des hohen Risikos oder mangels ausreichender Rendite ausbleibt. Es wäre jedenfalls fair, wenn sich der Staat dann einen entsprechenden Anteil am Ertrag der von ihm begünstigten Unternehmen sichern könnte.
  • Eine ausführliche und umfassende Wirkungsanalyse des gesamten (unternehmensbezogenen) Forschungsfördersystems Österreichs, insbesondere auch im Hinblick auf eine bessere Abstimmung zwischen direkter und steuerlicher F&E-Förderung (policy mix), wäre dringend zu empfehlen. Hinsichtlich der Forschungsprämie, die bereits seit Jahren die direkte F&E-Förderung übersteigt, wäre eine Differenzierung der Prämiensätze nach Unternehmensgröße sowie die Einführung einer betragsmäßigen Obergrenze pro Unternehmen zu prüfen.
  • Weniger Förderungsprogramme, aber dafür höher dotierte (kritische Masse!) sowie die Bereinigung von Doppelgleisigkeiten und Überschneidungen sollten das Förderungssystem transparenter und effizienter machen. Dabei müssen gesellschaftliche Herausforderungen und zukunftsweisende Technologien (z.B. Klimawandel, Digitalisierung) stärkere Berücksichtigung finden.
  • Technik hat immer einen Gestaltungsspielraum: Technische und organisatorische Veränderungen in den Betrieben erfolgen heute rascher und umfassender als in der Vergangenheit (Digitalisierung!). Die Konsequenzen für die ArbeitnehmerInnen sind oft erheblich. Technik ist jedoch in einem hohen Maße gestaltbar und betriebliche Innovationen können – müssen aber nicht – zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitssicherheit führen. Eine Veränderung der Arbeitsorganisation kann unnotwen-digerweise Arbeitsplätze gefährden (z. B., wenn sie ohne begleitende Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt wird). Förderungsprogramme, die ArbeitnehmerInnen unmittelbar betreffen (z.B. Digitalisierung), sind daher unter Einbindung der Arbeitnehmerorganisationen zu entwickeln und auf Unternehmensebene die jeweiligen Betriebsratskörperschaften in die konkrete Umsetzung einzubeziehen. Dabei sind auch die Kosten für entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen im Betrieb abzugelten.

Strukturwandel forcieren, um mehr Beschäftigung zu schaffen, Stärken fördern

Obwohl Österreich eine weniger technologieintensive Branchenstruktur aufweist, ist es vielen Unternehmen gelungen, – auf Teilmärkten – die Weltmarkt- oder Technologieführerschaft zu erlangen und über Jahre zu halten. Während weiterhin Bereiche, wo Österreich seit vielen Jahren erfolgreich ist (z. B. Automobilzulieferer, Maschinenbau), unterstützt werden sollen, müsste gleichzeitig mittels verstärkter Förderung von radikalen Innovationen ein Strukturwandel in Richtung Hochtechnologie forciert werden. Wesentliche Basis für radikale Innovationen ist die Grundlagenforschung, die der Wirtschaft neue Erkenntnisse und Methoden liefert. Der Anteil der im Wettbewerb vergebenen Mittel sollte dabei entsprechend erhöht werden.

Besonders innovative ArbeitnehmerInnen sollen davon auch profitieren können

Erfindungen im Unternehmen gehen zu einem sehr großen Teil auf ArbeitnehmerInnen zurück. Ihre Motivation, erfinderisch für das Unternehmen tätig zu werden, trägt wesentlich zum betrieblichen Innovationsprozess bei. Das österreichische Patentgesetz sieht als Innovationsanreiz zwar eine „besondere angemessene Vergütung für ArbeitnehmerInnen“ vor. Zur einer möglichst konfliktfreien und auf Expertise beruhenden Ermittlung dieses Anspruchs soll eine Schlichtungsstelle für DienstnehmerInnenerfindungen nach deutschem Vorbild eingerichtet werden.

Die Bundesregierung hat sich ein sehr ambitioniertes Programm zur Verbesserung des österreichischen Innovationssystems gegeben. Einiges davon stand schon auf der Agenda früherer Regierungen. Es wird sich zeigen, ob und wie die Vorhaben umgesetzt werden – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Interessen der ArbeitnehmerInnen. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und Beschäftigungsentwicklung in Österreich ist die hohe Qualifikation und Innovationsbereitschaft der ArbeitnehmerInnen. Es muss daher der Bundesregierung ein besonderes Anliegen sein, diese zu erhalten und weiter zu fördern. Dies gilt für sämtliche Ebenen der Aus- und Weiterbildung. Die Erarbeitung einer neuen FTI-Strategie unter echter Einbindung aller Stakeholder wäre ein sinnvoller erster Schritt.