Was Kinder kosten und wie viel Familienleistungen abdecken

22. Dezember 2021

Die Kosten von Kindern sind deutlich höher als gedacht. Im Schnitt betragen die Kosten für ein Kind in einem Paarhaushalt 494€ und in einem Alleinerziehendenhaushalt 900€. Die Geldleistungen, die Familien mit Kindern vom Bund bekommen, decken die Kinderkosten nur zum Teil ab, mit steigendem Alter der Kinder immer weniger. Kinder in Familien mit niedrigem Einkommen profitieren am wenigsten von monetären Familienleistungen.

Aktuelle Kinderkostenstudie: Seit Jahren gefordert, jetzt veröffentlicht

Seit vielen Jahren forderten Interessensvertretungen, NGOs, Wissenschaft und Expert:innen eine neue Kinderkostenstudie, wie zuletzt in einem von über 80 Organisationen unterschrieben offenen Brief. Die aktuelle Kinderkostenanalyse 2021 wurde nun von der Statistik Austria im Auftrag des Sozialministeriums umgesetzt. Sie hilft bei der Einschätzung der Lebensrealitäten von Familien und dient als Orientierung für die Höhe und Ausgestaltung von Transferleistungen.

Die Kinderkostenanalyse ermittelt die direkten Kinderkosten, d.h. die unmittelbaren Ausgaben für Kinder. Indirekte Kinderkosten, etwa durch Einkommenseinbußen, weil Erwerbsarbeit aufgrund von Kinderbetreuung reduziert wird, werden nicht berücksichtigt. Die Berechnung der Kinderkosten erfolgt auf Basis der zusammengefassten Konsumerhebungen 2014/15 und 2019/20.

Ergänzend zur Kinderkostenanalyse wurde das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) mit der Berechnung der monetären Familienleistungen für unterschiedliche Haushaltskonstellationen beauftragt. Darin werden die öffentlichen Familienleistungen des Bundes analysiert und zwar sowohl direkte Geldleistungen (Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Mehrkindzuschlag) als auch steuerliche Begünstigungen (Familienbonus Plus, Kindermehrbetrag, Alleinerzieher-/Alleinverdienerabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag).

Mit dem Alter der Kinder steigen die Kosten stark, die Familienleistungen kaum

Die Kosten für ein Kind in einem Paarhaushalt betragen im Durchschnitt 494€. Dem stehen monetäre Familienleistungen von 328€ gegenüber. Es können folglich 66% der Kinderkosten durch Familienleistungen abgedeckt werden. Es besteht eine Lücke von 166€ bzw. 34% pro Monat. Diese Differenz muss jeden Monat von den Eltern aufgebracht werden. Es hängt daher vom Einkommen der Eltern ab, ob die Kosten für Kinder abgedeckt werden können und ihnen die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden kann.

Die Kosten für ein Kind über 14 Jahre sind mit 659€ um 264€ höher als für Kinder unter 14 Jahren (395€). Während ältere Kinder durch höheren Bedarf an Gütern und Dienstleistungen also deutlich höhere Kosten verursachen, steigen die Familienleistungen mit dem Alter der Kinder dagegen kaum. Die Familienleistungen für Kinder über 14 Jahre sind lediglich um 44€ höher als für jüngere Kinder. Kinderkosten werden mit zunehmendem Alter also weniger durch Familienleistungen abgedeckt. Während Eltern von einem Kind unter 14 Jahren eine Differenz von 72€ abdecken müssen, sind es bei einem Kind über 14 Jahre jeden Monat fast 300€ (siehe Abbildung 1). Das stellt insbesondere Familien mit geringen Einkommen vor große Herausforderungen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Bei Alleinerziehenden ist die Lücke zwischen Kosten und Geldleistungen am größten

In Alleinerziehendenhaushalten sind die Kinderkosten typischerweise höher als in Paarhaushalten. Dieser Umstand zeigt sich in den allermeisten nationalen und internationalen Studien zu Kinderkosten. Das liegt insbesondere daran, dass sich bei geringerer Haushaltsgröße die Fixkosten, etwa für Wohnen oder Energie, auf weniger Personen verteilen. Dadurch steigen die Kosten pro Person und damit auch die Kinderkosten.

Für Alleinerziehende liegen die mittleren Kosten pro Kind bei 900€ und damit um über 400€ höher als in einem Paarhaushalt. Während die Kinderkosten für Alleinerziehende also fast doppelt so hoch sind, sind die monetären Familienleistungen mit 321€ sogar etwas geringer. Dies liegt vor allem daran, dass Alleinerziehende aufgrund ihrer niedrigeren Einkommen weniger stark vom Familienbonus profitieren. Die Differenz zwischen Kinderkosten und Familienleistungen ist bei Alleinerziehenden mit 579€ enorm. Lediglich 36% der Kosten werden durch die monetären Familienleistungen abgedeckt.

Auch hier wird die Lücke bei älteren Kindern noch größer. Während die Kosten für ein Kind unter 14 Jahren bei 727€ liegen, liegen sie für ein Kind über 14 Jahre mit 1.384€ fast doppelt so hoch. Die monetären Familienleistungen bleiben jedoch mit 333€ bzw. 355€ mit zunehmendem Alter des Kindes nahezu unverändert. Damit wächst die Differenz zwischen Kinderkosten und Familienleistungen bei einem Kind über 14 Jahre auf 1.029€ (siehe Abbildung 2), was die enorme finanzielle Belastung von Alleinerziehenden zeigt.

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Steuerliche Familienleistungen: höhere Einkommen profitieren stärker

Die Studie des WIFO beziffert nicht nur die absolute Höhe der monetären Familienleistungen, sondern untersucht auch, welche Familien besonders von den öffentlichen Leistungen profitieren und wo Lücken bestehen.

Abbildung 3 stellt die monetären Familienleistungen entlang der Einkommensverteilung der Haushalte dar. Die direkten Geldleistungen sind dabei relativ unabhängig vom Einkommen und liegen für alle Einkommensgruppen zwischen 203€ und 225€. Die steuerlichen Begünstigungen – d.h. insbesondere der Familienbonus Plus – steigen dagegen mit dem Einkommen.

Die 20% der Familien mit den geringsten Einkommen (1.Quintil) erhalten mit Abstand am wenigsten an steuerlichen Begünstigungen (84€). Dem gegenüber erhält das oberste Einkommensfünftel (5.Qunitil) 120€ monatlich. Damit bekommen die Familien mit den geringsten Einkommen insgesamt um fast 50€ weniger pro Kind und Monat als die Familien mit den höchsten Einkommen. Dementsprechend wird in den ärmeren Familien ein geringerer Anteil der Kinderkosten durch Familienleistungen abgedeckt.

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Diese ungleiche Behandlung von Kindern liegt speziell an der Ausgestaltung des Familienbonus Plus, der mit geringeren Einkommen nicht vollständig ausgeschöpft werden kann und außerdem nicht negativsteuerfähig ist. Haushalte im untersten Einkommensfünftel können daher deutlich weniger vom Familienbonus profitieren. Die Gruppe mit den geringsten Einkommen erhält 49€ pro Kind und Monat an Familienbonus, die Gruppe mit den höchsten Einkommen mehr als doppelt so viel (114€ pro Kind und Monat).

Die Studien zeigen Herausforderungen im Kampf gegen Kinderarmut

Die aktuelle Kinderkostenstudie des Sozialministeriums zeigt, dass die tatsächlichen Kosten von Kindern in Österreich deutlich höher sind als bisher angenommen. Im Schnitt betragen die Kosten für ein Kind in einem Paarhaushalt knapp 500€ und in einem Alleinerziehendenhaushalt 900€. Die Kinderkosten werden von den derzeitigen monetären Familienleistungen nur zum Teil abgedeckt. Die öffentlichen monetären Leistungen für Kinder schaffen keinen Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Kindern. Das führt mit dazu, dass 461.000 Kinder in Österreich armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind. In Alleinerziehendenhaushalten ist fast jedes zweite Kind (48%) von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Wenn es das Ziel ist, Kinderarmut zu verhindern und Kindern in Familien mit geringen Einkommen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, wie es aktuell auch durch die EU-Kindergarantie gefordert wird, ist eine bedarfsgerechte Anpassung der Familienleistungen, aber auch der Ausbau von Sachleistungen sinnvoll.

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