Der Entwurf zur Steuerreform liegt vor, die wesentlichen Kritikpunkte der Bundesarbeitskammer (BAK) bleiben allerdings aufrecht: Die ArbeitnehmerInnen erhalten lediglich die bereits gezahlte kalte Progression ausgeglichen, während die Unternehmen dauerhaft entlastet werden. Und auch bei der neuen CO2-Bepreisung bleiben noch viele Fragen offen. Der Artikel liefert eine Übersicht über die wichtigsten Punkte der BAK-Stellungnahme zur Steuerreform.
Die Tarifsenkung ist positiv, kommt aber zu spät
Ab 1. Juli 2022 wird der zweite Grenzsteuersatz von 35 Prozent auf 30 Prozent gesenkt und mit 1. Juli 2023 reduziert sich der dritte Grenzsteuersatz von 42 Prozent auf 40 Prozent. Diese Steuersenkung ist die zweite Etappe der im Regierungsprogramm vorgesehenen Steuersenkung, da 2020 bereits der Eingangssteuersatz herabgesetzt wurde.
Steuerpflichtiges Einkommen ab
Grenzsteuersatz vor 2020
Neue Grenzsteuersätze im Endausbau
11.000 €
25 %
20 %
18.000 €
35 %
30 %
31.000 €
42 %
40 %
60.000 €
48 %
48 %
90.000 €
50 %
50 %
1 Mio. €
55 %
55 %
Die Tarifsenkung ist ausdrücklich zu begrüßen, ist sie doch nicht zuletzt aufgrund der kalten Progression seit der letzten Steuerreform 2016 dringend notwendig geworden. Problematisch ist allerdings, dass der reduzierte Steuersatz jeweils erst ab 1. Juli in Kraft treten soll. Im Rahmen der monatlichen Lohn- bzw. Gehaltsverrechnung soll jeweils bis 30. Juni der bisherige Steuersatz angewendet werden und ab 1. Juli ein Mischsatz (2022: 32,5 Prozent, 2023: 41 Prozent), wobei die ArbeitgeberInnen gleichzeitig die Monate Jänner bis Juni aufzurollen, d.h. nachträglich ebenfalls nur mit 32,5 Prozent (bzw. 41 Prozent) zu versteuern, haben.
Diese Vorgangsweise stellt einen unnötigen bürokratischen Aufwand für die Lohnverrechnung dar. Hinzu kommt, dass die unterjährige Senkung des Eingangssteuersatzes 2020 gezeigt hat, dass selbst bei einer verpflichtenden Aufrollung manche ArbeitgeberInnen diese nicht oder nicht zeitgerecht durchführen und die ArbeitnehmerInnen auf die ArbeitnehmerInnenveranlagung vertrösten. Die betroffenen Personen müssen dann mehrere Monate warten, um die zu viel bezahlte Steuer rückerstattet zu bekommen. Die BAK fordert daher, dass die Tarifsenkung jeweils bereits ab 1. Jänner gilt, damit die ArbeitnehmerInnen unmittelbar profitieren können.
Auch bei der geplanten Entlastung für GeringverdienerInnen besteht Nachbesserungsbedarf. Die angedachte Senkung der Krankenversicherungsbeiträge schwächt das Versicherungsprinzip und die Selbstverwaltung der Sozialversicherung. Die Sozialpartner haben daher vorgeschlagen, die Stärkung kleiner Einkommen über eine Erweiterung der bestehenden steuerlichen Instrumente wie den Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag sowie den daran anknüpfenden SV-Bonus umzusetzen.
Die Erhöhung des Familienbonus ist wenig treffsicher
Entgegen der Ankündigung im Regierungsprogramm wird der Familienbonus für minderjährige Kinder nicht auf 1.750 € pro Kind, sondern sogar auf 2.000 € angehoben. Die Erhöhung soll auch mit 1. Juli 2022 wirksam werden. Der Kindermehrbetrag wird ebenso angehoben (2022 auf 350 € bzw. 2023 auf 450 €) und der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert.
Hinsichtlich des Familienbonus ist zu betonen, dass dieser bereits in der bisherigen Höhe problematische Verteilungswirkungen entfaltet, da für die Wirksamkeit des vollen Bonus ein entsprechend hohes Einkommen notwendig ist. Das gilt umso mehr bei mehreren Kindern. Durch die Erhöhung des Familienbonus bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze verschärft sich die Problematik zusätzlich. Konkret bedarf es bereits für ein minderjähriges Kind ein monatliches Bruttoeinkommen von über 2.000 €. Laut Lohnsteuerstatistik verdienen knapp 30 Prozent aller ArbeitnehmerInnen mit ganzjährigen Bezügen weniger als 2.000 € brutto monatlich. Bei Frauen ist der Anteil bei knapp 50 Prozent. Bei zwei oder mehr Kindern kann auch für MittelverdienerInnen der finanzielle Vorteil der Erhöhung gering ausfallen. Die Hauptprofiteure des Familienbonus sind Familien mit hohen Einkommen, im Speziellen Männer. Laut Lohnsteuerstatistik kommen knapp 80 Prozent der Entlastungswirkung Männern zugute. Aus Sicht von einkommensschwächeren Familien und Frauen wären andere Maßnahmen wie z. B. der Ausbau der Kinderbetreuung wesentlich dringlicher gewesen.
Die BAK bekennt sich ausdrücklich zur Förderung von Familien mit Kindern. Anstelle der Erhöhung des Familienbonus bzw. Kindermehrbetrags wäre es allerdings unbürokratischer und treffsicherer, alle Familien unabhängig vom Einkommen zu fördern, z. B. durch eine Anhebung der Familienbeihilfe oder den Ausbau der Kinderbetreuungsangebote.
Problematische Steuergeschenke für Unternehmen und Selbstständige
Während bei den ArbeitnehmerInnen gerade einmal die kalte Progression ausgeglichen wird, gibt es für Unternehmen und Selbstständige nachhaltige Steuergeschenke, insbesondere durch die Einführung eines Investitionsfreibetrages und die Senkung der Körperschaftsteuer.
Mit der Einführung des Investitionsfreibetrages sollen grundsätzlich 10 Prozent bzw. für klimafreundliche Investitionen 15 Prozent der Investitionssumme im Jahr der Anschaffung oder Herstellung zusätzlich zur Abschreibung gewinn- bzw. steuermindernd geltend gemacht werden können. Keinen Investitionsfreibetrag soll es für klimaschädliche Investitionen geben. Investitionsförderungen sind – im Gegensatz zur reinen Senkung des Körperschaftsteuersatzes – durchaus geeignet, um Investitionsanreize zu setzen. Es wäre aber sinnvoller gewesen, die bereits bestehende Investitionsprämie für Ökoinvestitionen befristetet zu verlängern. Die Infrastruktur zur Abwicklung beim Austria Wirtschaftsservice (aws) besteht hier bereits und die Betriebe sind mit der Abwicklung vertraut.
Das größte Steuergeschenk für Unternehmen ist die Senkung der Körperschaftsteuer. Sie soll in zwei Etappen bis 2024 von aktuell 25 auf 23 Prozent gesenkt werden. Das wird zu Einnahmeausfällen von kurzfristig 700 Mio. € jährlich führen. Den hohen Kosten stehen kaum positive ökonomische Effekte gegenüber. Studien zeigen regelmäßig, dass die Wachstums- und Beschäftigungseffekte von Steuersatzsenkungen ungünstiger sind als bei spezifischen Investitionsförderungen (z. B. bessere Abschreibungsregeln). Verstärkt wird das Problem hier noch durch den Umstand, dass knapp zwei Drittel der Steuersenkung dem gewinnstärksten 1 Prozent der Kapitalgesellschaften zugutekommen werden (siehe Grafik). Höhere Gewinnausschüttungen sind daher wahrscheinlicher als zusätzliche Investitionen.