Was kann ein staatlicher Transformationsfonds leisten?

18. Februar 2021

Ein staatlicher Transformationsfonds kann dazu beitragen, die massiven, zur Erreichung der Klimaziele notwendigen Investitionen zügig auf den Weg zu bringen. Vorgeschlagen wird ein schuldenfinanzierter Transformationsfonds, der renditeorientiert in besonders betroffene Industrieunternehmen investiert, Start-ups fördert und Forschung und Entwicklung unterstützt. Durch gezielte Beteiligungen könnte der Staat Eigenkapitalengpässe beseitigen und die Planungssicherheit erhöhen. Im Unterschied zu Subventionen können durch erfolgreiche Beteiligungen Vermögenswerte der öffentlichen Hand geschaffen werden.

Die sozial-ökologische Transformation muss beschleunigt werden

Der Klimawandel ist eine existenzielle Herausforderung, die deutlich schneller angegangen werden muss, als noch beim Zustandekommen des Pariser Klimaabkommens im Jahre 2015 angenommen wurde. Allgemein akzeptierten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ist eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C erforderlich, um Kipppunkte zu vermeiden, die irreversible und zerstörerische dynamische Prozesse auslösen können.

Die Klimawende bedarf massiver Investitionen. Für die EU insgesamt schätzt die EU-Kommission den erforderlichen jährlichen Investitionsbedarf auf knapp 300 Milliarden Euro. Zwar gehen der European Green Deal der EU-Kommission und der Aufbaufonds grundsätzlich in die richtige Richtung. Es steht allerdings bereits jetzt fest, dass die öffentlichen und privaten Investitionsanstrengungen merklich intensiviert werden müssen, um das Ziel der Klimaneutralität 2050 und die entsprechenden Zwischenziele für 2030 zu erreichen.

Investitionen sind nicht nur für die Dekarbonisierung erforderlich, sondern auch für den Erhalt und die Schaffung möglichst vieler gut bezahlter Arbeitsplätze.

Die Dekarbonisierung der Industrie ist eine besondere Herausforderung

Eine besondere Herausforderung auf dem Weg in die Klimaneutralität ist die Transformation der Industrie. Aufgrund ihrer hohen Energieintensität ist die Dekarbonisierung der Industrie maßgeblich von Fortschritten im Energiesektor abhängig.

Eine Reduktion des Treibhausgasausstoßes in der Industrie im vorgesehenen Umfang erfordert zeitnah massive Investitionen mit einer langfristigen Dekarbonisierungsperspektive. Im Fokus stehen insbesondere drei Branchen, die zusammen für mehr als die Hälfte der THG-Emissionen der Industrie stehen: die Stahlindustrie, die Grundstoffchemie und die Zementproduktion. Die notwendige Emissionsreduktion ist nicht mit inkrementellen Effizienzverbesserungen zu erreichen, sondern erfordert in großem Stil den Einsatz neuer Technologien. Der aktuelle Zeitpunkt ist für Innovationen insofern günstig, als in vielen Unternehmen, unabhängig von der Klimawende, eine umfassende Erneuerung des Kapitalstocks ansteht. Da Industrieanlagen eine lange Lebensdauer von teilweise über 50 Jahren haben, gilt es zudem, Lock-in-Effekte zu vermeiden.

Die notwendigen Technologien sind unterschiedlich weit ausgereift und ihre Anwendung setzt gewisse Rahmenbedingungen voraus. Der Einsatz von „grünem“ Wasserstoff ist beispielsweise ohne einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien kaum denkbar.

Angesichts der hohen Kosten sowie technologischer und klimapolitischer Unsicherheiten ist eine stärkere Unterstützung der Transformation der Industrie und des Energiesektors erforderlich. Ein staatlicher Transformationsfonds würde direkte finanzielle Unterstützung leisten und zugleich die Planungssicherheit erhöhen, da der Staat bei einer Abkehr vom Dekarbonisierungskurs selbst Verluste durch dann unrentable Beteiligungen erleiden würde.

Beteiligungen spielen in der Förderlandschaft bisher eine untergeordnete Rolle

Die sozial-ökologische Transformation wird in Europa bereits durch eine vielfältige und umfassende Förderinfrastruktur unterstützt. Eine zentrale Rolle spielen dabei europäische, nationale und regionale Förderbanken. Sie finanzieren sich im Wesentlichen am Kapitalmarkt, vergeben in erster Linie zinsverbilligte Kredite und greifen somit kaum auf öffentliche Haushalte zurück. Die öffentliche Hand spielt hier primär als Garantieleister eine Rolle. Als größte Förderbank der Welt plant die EIB-Gruppe (Europäische Investitionsbank) für 2021 eine Förderkreditvergabe in Höhe von 63 Milliarden Euro, wovon 35 Prozent auf den Bereich Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit entfallen.

Ergänzend zur Tätigkeit der Förderbanken wurden mit dem European Green Deal umfassende Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht, um den Klimaschutz zu forcieren. Der European Green Deal wird mit rund 1.000 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren veranschlagt. Mit dem mehrjährigen Finanzrahmen und dem Europäischen Aufbauprogramm NGEU, die im vergangenen Jahr verabschiedet wurden und zu 30 Prozent in Klimaschutzmaßnahmen fließen sollen, wurde die finanzielle Grundlage für den European Green Deal gelegt. Beteiligungen sind in der Förderlandschaft für den sozial-ökologischen Wandel bislang ein unterdimensionierter Bereich.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Gerade bei hohen Investitionen, wie sie in der Industrie anstehen, aber auch bei neu auf den Markt kommenden Unternehmen (Start-ups) kann das Eigenkapital eine Beschränkung für die Kreditfinanzierung darstellen. Aus diesem Grund wäre die Gründung eines Transformationsfonds sinnvoll, der einerseits den sozial-ökologischen Strukturwandel durch staatliche Beteiligungen an zukunftsfähigen Unternehmen (gegebenenfalls kombiniert mit Kreditvergaben) fördert und andererseits die Chance eines staatlichen Vermögensaufbaus bietet.

Das primäre Ziel eines Transformationsfonds wäre die zielgerichtete Förderung von Investitionen zur Unterstützung der sozial-ökologischen Transformation. Es kann in diesem Zusammenhang nicht darum gehen, den Staat zwar an den Investitionsrisiken zu beteiligen, die Aufwärtschancen aber dem Privatsektor zu überlassen oder gar eine Möglichkeit für finanzielle und nichtfinanzielle Unternehmen zu schaffen, in der aktuellen Niedrigzinsphase staatlich abgesicherte positive Renditen zu erzielen.

Wie könnte ein Transformationsfonds für Deutschland aussehen?

Für das Beispiel Deutschland könnte ein Transformationsfonds in der Ausgestaltung an bereits geplante Fonds angelehnt werden. Hier käme etwa der von der Bundesregierung geplante und bei der KfW-Tochter KfW Capital angesiedelte Zukunftsfonds für Start-ups (10 Milliarden Euro), der im Frühjahr 2020 errichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds (600 Milliarden Euro) und der European Future Fund infrage. Dabei sollten, soweit möglich, existierende Strukturen und vorhandene Expertise in Behörden, wie Ministerien, der Finanzagentur, der Bundesbank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), genutzt werden, nicht nur um diese zu stärken, sondern auch um den Aufbau neuer, kostenintensiver Strukturen zu vermeiden.

Die aus der Bonität des Staates resultierenden geringen Finanzierungskosten können am besten genutzt werden, wenn der Transformationsfonds als Sondervermögen des Bundes eingerichtet wird. So kann der Strukturwandel hin zur Klimaneutralität gezielt intensiviert und zugleich durch Anteile an zukunftsfähigen Unternehmen ein Vermögen aufgebaut werden, dessen Erträge langfristig beispielsweise für weitere ökologische und soziale Zwecke verwendet werden können.

Fiskalregeln und Beihilferecht stehen nicht im Weg

Obwohl der Fonds vollständig kreditfinanziert werden sollte, würde er – unabhängig davon, bei welcher Institution er angesiedelt würde – in der Regel nicht durch die Fiskalregeln beschränkt. Beim Stabilitäts- und Wachstumspakt wie auch bei der Schuldenbremse werden sogenannte finanzielle Transaktionen wie Beteiligungen oder gewährte Darlehen nicht berücksichtigt. Der Erwerb einer Beteiligung mindert daher nicht den Haushaltsspielraum nach den Regeln, ihr Verkauf erhöht ihn umgekehrt aber auch nicht. So wird bei den Fiskalregeln vermieden, dass mit Kurzfristaktionen wie Privatisierungen Haushaltslöcher gestopft werden. Den Schulden aus dem Erwerb einer Beteiligung steht ein finanzieller Vermögenswert gegenüber.

Der Transformationsfonds würde nicht gegen das europäische Beihilferecht verstoßen. Die Gewährung staatlicher Beihilfen ist auf EU-Ebene reguliert, um einen möglichst fairen Wettbewerb innerhalb der EU zu gewährleisten. Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbietet staatliche Beihilfen, die selektiv gewährt werden, den Wettbewerb (potenziell) verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigen. Da die Beteiligungen des Transformationsfonds selektiv an Unternehmen vergebene staatliche Mittel darstellen, ist hier regelmäßig zu prüfen, ob es sich um eine unzulässige Beihilfe handelt. Es gibt aber eine Reihe von Ausnahmeregelungen, etwa bei Risikofinanzierungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und beim Umweltschutz, die Beihilfen unter bestimmten Voraussetzungen zulassen.

Fazit

Die Notwendigkeit der sozial-ökologischen Transformation sollte als Chance gesehen werden. Durch gezielte Beteiligungen könnte ein schuldenfinanzierter staatlicher oder gegebenenfalls auch supranationaler Transformationsfonds gerade bei Großinvestitionen Eigenkapitalengpässe beseitigen und die Planungssicherheit mit Blick auf die künftige Klimapolitik erhöhen. Anders als bei Subventionen würde zudem verhindert, dass die Kosten sozialisiert, die Gewinne aber privatisiert werden.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine gekürzte Fassung des Gutachtens Ein Transformationsfonds für Deutschland.

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