Väter unerwünscht? Warum so wenige Väter Kinderbetreuungsgeld beziehen

22. Juni 2022

Bessere Vereinbarkeit durch höhere „Väterbeteiligung“, finanzielle Unterstützung der Väter nach der Geburt und Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern waren wichtige Ziele der letzten Reform des Kinderbetreuungsgeldes. Erreicht wurden diese nicht. Die gesetzliche Ausgestaltung dieser Familienleistung setzt keine ausreichenden Anreize für Väter, mehr Kinderbetreuung zu übernehmen und leistet keinen Beitrag, egalitäre Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern zu etablieren.

2016 wurde eine weitere Reform des Kinderbetreuungsgeldes (KBG) beschlossen, die vor allem die Umstellung von vier Pauschalvarianten auf ein tageweises KBG-Konto beinhaltete. Dadurch sollten mehr Väter KBG beziehen und die Gleichstellung von Frauen und Männern gefördert werden. Zudem wurde der Familienzeitbonus zur finanziellen Unterstützung für Väter während der Familiengründungsphase unmittelbar nach der Geburt eingeführt. Erreicht wurden diese Ziele nicht, wie eine aktuelle Evaluierung dieser Reform zeigt. Zwar hat die Umstellung auf ein tageweises Konto mehr Flexibilität beim Bezug gebracht. Zu einer Erhöhung der Väterquote hat sie aber nicht geführt; auch die Gleichstellung der Geschlechter konnte mit dieser Reform nicht gefördert werden.

Tendenz bei der Väterquote ist sinkend

Für die kurz- und längerfristige Gleichstellung der Geschlechter (Ziel 3) und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Ziel 1) ist die stärkere Verantwortlichkeit von Vätern in der Familienarbeit eine wichtige Voraussetzung. Das KBG-Antragsverhalten der Väter und Mütter aller im Jahr 2017 geborenen Kinder weist laut Evaluierungsergebnissen allerdings in eine den politischen Zielen entgegengesetzte Richtung:

  • Der durchschnittliche Anteil an abgeschlossenen KBG-Fällen, in denen auch der Vater Bezieher war, sank nach der Reform von 18,8 % auf 17 %.
  • Auch die Väterquote im neu eingeführten Konto-System lag mit 11,4 % niedriger im Vergleich zu den 14,2 % im vorher bestehenden Pauschalsystem und erreicht vor allem bei weitem nicht den politisch angestrebten Zielzustand von 30 %.
  • Diese Beteiligungsquote wird im einkommensabhängigen KBG-Modell mit 29,6 % beinahe erreicht. Verglichen mit der Quote im Einkommensersatz-System vor der Reform nahm jedoch auch diese um rund 1,5 Prozentpunkte ab. Allerdings ist hier die Bezugsdauer mit durchschnittlich 79 Tagen deutlich kürzer als im Konto-System (durchschnittlich 193 Tage).

Gemessen am gesamten Bezug beider Elternteile hat sich die durchschnittliche Bezugsdauer von Vätern leicht erhöht. Dennoch entfallen nach wie vor lediglich 4,5 % aller genehmigten Anspruchstage des KBG auf Männer. Wenig überraschend fallen damit auch die Zahlen zur Inanspruchnahme des Partnerschaftsbonus geringaus, der im Falle eines (annähernd) gleich aufgeteilten Bezugs (mind. 40/60) zwischen beiden Eltern gewährt wird: In nur 1,3 % der KBG-Fälle wird diese Aufteilung erreicht. Selbst im einkommensabhängigen KBG ist dieser Anteil mit 1,5 % nur wenig höher. Damit weicht auch diese Maßnahme deutlich vom angestrebten Zielzustand von 3 % ab. Weder das Ziel der effektiven Entlastung von Frauen noch der gleichmäßigeren Aufteilung der Betreuungspflichten auf beide Elternteile konnte also erreicht werden. 

Familienzeit-„Bonus“ scheint weiteren KBG-Bezug von Vätern zu verhindern

Der FZB (Familienzeitbonus), der Väter während der Familiengründungsphase unmittelbar nach der Geburt finanziell unterstützen sollte (Ziel 2), konnte mit etwa 6.000 Vätern ebenso deutlich weniger Väter erreichen als die von politischer Seite intendierten 32.800 Väter. Vier von zehn Befragten gaben an, die Leistung gar nicht zu kennen. Von jenen Anspruchsberechtigten, die die Leistung kannten, aber nicht beantragten, wurde zum einen die Höhe der finanziellen Unterstützung von rund 700 € als zu gering bemängelt, zum anderen war für viele die gänzliche Aufgabe der Erwerbstätigkeit während der Familienzeit schwer umsetzbar.

Vor allem aber die Tatsache, dass der FZB bei einem späteren KBG-Bezug des Vaters wieder in Abzug gebracht wird, macht ihn eher zum Gegenteil eines „Bonus“ und für jene Väter unattraktiv, die auch KBG beziehen wollen: Drei Viertel der FZB-Bezieher haben im Anschluss kein KBG mehr bezogen. Sowohl Väter als auch deren Arbeitgeber:innen und Partner:innen scheinen den FZB als Alternative zum KBG, als „KBG-light“, zu verstehen. Dies könnte auch die sinkende Väterquote im KBG-System erklären. Der FZB steht damit im Widerspruch zur familienpolitischen Zielsetzung der Erhöhung der Väterquote.

Rollenvorstellungen und vom KBG entkoppelte Elternkarenz erschweren KBG-Bezug von Vätern

Den bedeutendsten Einfluss auf den KBG-Bezug von Vätern haben die unter den Elternpaaren vorherrschenden Geschlechts- und Elternrollenvorstellungen. Berufliche oder finanzielle Gründe wurden nur dann als Hinderungsgründe angeführt, wenn Eltern – wie die meisten Paare – traditionelle Vorstellungen teilten. Sie befanden, dass Mütter möglichst lange zu Hause ihr Kind betreuen und Väter möglichst ununterbrochen ihrer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen sollten. Bei vielen kam die Idee eines KBG-Bezugs durch den Vater in den Entscheidungsprozessen gar nicht erst auf. Traditionelle Rollenvorstellungen können Eltern im bestehenden System auch sehr gut verwirklichen:

  • Zum einen kann seit der Reform 2016 das Kinderbetreuungsgeld im KBG-Konto von einem Elternteil allein während der gesamten arbeitsrechtlichen Elternkarenz bis zum zweiten Geburtstag des Kindes ausgeschöpft werden. Davor war das nur möglich, wenn der Bezug mit dem anderen Elternteil geteilt wurde. Diese Option wurde von Frauen im KBG-Konto zunehmend in Anspruch genommen – in Einklang mit ihren traditionellen Vorstellungen. Eine Aufteilung des KBG-Bezugs wird dadurch unwahrscheinlicher, weil ein KBG-Bezug des Partners dann außerhalb der arbeitsrechtlichen Karenz läge. Väter werden damit aus dem Bezug gedrängt.
  • Zum anderen teilen viele Bezieher:innen zwar das einkommensabhängige KBG auf. Allerdings verbleibt die Mutter oft auch noch nach Ende des KBG-Bezugs im zweiten Lebensjahr des Kindes in Elternkarenz, und zwar ohne KBG-Bezug und auch wenn der Vater dieses nicht bezieht.

Die Evaluierung belegt auch, wie es Paaren mit egalitären Vorstellungen und Plänen in diesem System gelingt, diese zu verwirklichen – auch wenn es nur wenige betrifft. Ein sehr starker Wunsch des Vaters, egalitäre Vorstellungen und konkrete Pläne und Überzeugungen beider Eltern führten

  • zu einer egalitären Aufteilung des KBG-Bezugs, selbst wenn berufliche oder finanzielle Gründe dagegensprachen oder die Elternkarenz des Vaters im zweiten Jahr ohne KBG-Bezug erfolgte.
  • Oder aber der Vater bezog zwar kein KBG, teilte aber mit der Mutter im Rahmen der Zuverdienstgrenze zu ihrem KBG-Bezug sowohl Kinderbetreuung als auch Teilzeit-Erwerbsarbeit.

Die durch die Reform maximierte Wahlfreiheit und Flexibilität kommt also allen Elternpaaren sehr entgegen, gibt aber wenig Anreiz für eine Aufteilung der Kinderbetreuungsverantwortung unter Eltern, und die eigenverantwortliche Kinderbetreuung der Väter wird nicht unterstützt. Daher wird auch die längerfristige und gesamtgesellschaftliche Gleichstellung von Müttern und Vätern eher behindert als gefördert.

Statt „Beteiligung“ anzuvisieren sollten Maßnahmen stärker die eigenständige Betreuungsverantwortung der Väter einfordern

Die sich widersprechenden politischen Zielsetzungen der letzten KBG-Reformen – nämlich Wahlfreiheit und mehr „Väterbeteiligung“ – bieten für eine Erhöhung der Väterquote zu wenig und für mehr Geschlechtergleichstellung keine Lenkungseffekte, wie die Ergebnisse der Evaluierung zeigen. Im KBG-Bezugsverhalten spiegelt sich vielmehr und zunehmend der in Österreich vorherrschende, traditionelle Normen- und Wertekomplex hinsichtlich Geschlechts- und Elternrollen wider.

Maßnahmen mit klaren Lenkungsabsichten in Richtung mehr egalitärer Aufteilung zwischen Müttern und Vätern würden sowohl Elternpaare als auch Akteur:innen in der Arbeitswelt anspornen und es zunehmend zur Selbstverständlichkeit werden lassen, dass auch Männer, die Väter werden, ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder reduzieren. Zum Beispiel könnte

  • eine Koppelung des KBG an die arbeitsrechtliche Elternkarenz sowie die Reservierung eines Teils der Elternkarenz ausschließlich für den Vater einen klaren Lenkungseffekt haben.
  • Das einkommensabhängige KBG ist für Väter zwar deutlich attraktiver; für mehr Partnerschaftlichkeit in der Aufteilung der Familien- und Erwerbsarbeit müsste aber der nicht-übertragbare Teil erhöht werden.
  • Sowohl der Partnerschaftsbonus als auch der Familienzeitbonus müssten ausgebaut, deutlich erhöht und umfassender beworben werden. Wichtig wäre auch, dass der Familienzeitbonus nicht mehr vom Kinderbetreuungsgeld abgezogen wird, weil das eine zusätzliche Hürde für Väter darstellt, Kinderbetreuungsgeld in Anspruch zu nehmen.

Ist reale und eigenverantwortliche Übernahme von Familien- und Betreuungsarbeit durch Väter das politische Ziel, müssen Männer mit Kinderbetreuungspflichten aus der ausschließlich unterstützenden Rolle geholt und in ihrer eigenverantwortlichen Zuständigkeit und Kompetenz für die Familienarbeit angesprochen werden. Politiker:innen, und in Folge auch Arbeitgeber:innen und Mütter, müssten zur Überzeugung kommen und dieser Ausdruck verleihen, dass Vätern die Fürsorge für die Kinder überlassen werden kann und zusteht und sie in der Kinderbetreuung erwünscht sind.